Furze Krage: Alles Müller oder watt?

Es ist eine verdrehte Welt. Im April hatte Ferdinand Piech sich von Martin Winterkorn distanziert. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ - Und viele sahen jetzt ihre Chance, sich von Ferdinand Piech zu trennen. Es waren die, die seine klaren Aussagen nicht schätzten, sondern in der Jetzt-Zeit leben, die der Verkleisterung der Realität huldigt. - Ferdinand Piech wusste was er sagte. Er lebt in der Realität. Er wusste, dass die Zeit eines Martin Winterkorn zu Ende ging. - Er wusste, was er wusste! Und er machte aus dem Ergebnis seiner Überlegungen keinen Hehl. - Er wollte an die Spitze des VW-Konzerns einen Techniker. - Aber auch an die Spitze des Aufsichtsrats einen solchen Mann. Er hatte kein Problem damit zurück zu treten. Denn eigentlich ging es um etwas, was man als Vermächtnis der Familie Piech bezeichnen könnte. - Niemand hat ihn verstanden. - Viele haben versucht, in seinem Ende beim VW-Konzern ihren „persönlichen Anfang“ zu sehen. - Sie haben sich verschätzt. Sie stehen vor einem großen Scherbenhaufen und sehen die Vision eines Ferdinand Piech aktuell Wirklichkeit werden.

Furze Krage: Alles Müller oder watt?

Heute, am 25. September 2015, wird der Wunsch eines Ferdinand Piech Wirklichkeit: Matthias Müller, bisher Porsche-Chef, übernimmt die Leitung des VW-Konzerns – so wie es sich Ferdinand Piech vor fünf Monaten wünschte. - Und alle – wirklich (fast) alle – haben geglaubt, sich mit einem Auflehnen gegen seinen Wunsch, einem Stützen des Mannes, der das Vertrauen seines Förderers verloren hatte, den Mann in die Verbannung schicken zu können, dessen Wirken ihre Kreise störte.

Ferdinand Piech ist ein unangenehmer Mann in der Klarheit seiner Aussagen. Er ist ein alter Mann. Er passt nicht in unsere moderne Zeit. - Dachte man. - Doch die Zeit ist nicht so wie die der Protagonisten, die sich für Macher halten, weil sie der Zufall in eine Position gebracht hat, in die sie eigentlich nicht gehören.

Jetzt entwickelt sich alles so, wie es auch von Ferdinand Piech vor Monaten schon als richtig empfunden wurde - und wird. Zumindest, soweit es den ersten Teil seiner Vorstellungen betrifft. Er wünschte sich Matthias Müller an die Spitze des VW-Konzerns. - Sein Wunsch geht heute in Erfüllung:

Diesen Screenshot habe ich am 24. September am frühen Abend gemacht. Er stellt ein Zitat aus einer „Wikipedia“-Seite dar. Dort war schon klar – allerdings mit einem Hinweis auf „2“ versehen – dass heute am Freitag der VW Aufsichtsrat entscheiden würde, was Ferdinand Piech im April 2015 so gewünscht hatte. („2“ ist ein Hinweis auf eine „SPIEGEL-online“-Information)

„Jemand“ hatte also schon so gehandelt, wie man auch schon im April bei 2015 im Fall des „Diesel-Skandals“ bei VW gehandelt hatte: Schnell und vorab! - Man sprach „damals“, im April 2015, auch schon mit den Behörden in den USA, schrieb Briefe an US-Kunden, aber informierte den Aufsichtsrat nicht.

Wurde – wird(?) - der VW-Aufsichtsrat nicht ernst genommen? - Auch diese letzte o.g. Feststellung lässt ein Fragezeichen zu. Oder aber die Erkenntnis reifen: Ferdinand Piech hatte mit seinem Wunsch nach einem Techniker an der Spitze des Aufsichtsrats recht. - Aber einen mit betriebswirtschaftlichem Durchblick. - War da ein Hinweis auf Wolfgang Reitzle falsch?

Aber bleiben wir zunächst bei dem Durcheinander bei der Volkswagen AG, das durch den „Diesel-Skandal“ entstanden ist, der wiederum nur entstehen konnte, weil es – nicht nur in diesem Automobilkonzern – eine Reihe von „Traumtänzern“ gibt, die die Zeichen der Zeit nicht begriffen haben.

Was der derzeitige VW-Aufsichtsrat macht, ist nichts weiter als die sich logisch ergebenen Weiterungen aus seiner Entscheidung, Prof. Dr. Manfred Winterkorn, zu einem Rücktritt zu veranlassen. Denn wer glaubt, dass nach all' dessen krampfhaften Versuchen vorher, sein Bleiben in seiner bisherigen Position zu sichern, Winterkorn dann plötzlich erkannt hat... -

Realistisch muss man die Situation so sehen, dass „kluge Leute“ ihm beigebracht haben, dass er aufgrund verschiedener Passagen in seinem Vertrag nur eine Möglichkeit zu einem Ausstieg in Verbindung mit einer Abfindung hatte... - Halb zog man ihn, halb sank er hin!

Was irgendwie „passend“ ist: Winterkorn wird weiter im Aufsichtsrat von „Bayern München“ zu finden sein und auf seinem Freund Uli Hoeneß treffen. - Treffend!

Und der – jetzige – VW-Aufsichtsrat ist gehalten, das Umfeld zu seiner Entscheidung in Sachen Winterkorn zu gestalten.

So wird man wahrscheinlich „Verantwortliche“ für den „Diesel-Skandal“ in die Wüste schicken.

Was z.T. Lücken reißen wird, weil es nicht unbedingt immer die Richtigen treffen wird. Ein Hackenberg, Hatz, Neußer – und auch Horn werden vom Spielfeld genommen. Damit die Öffentlichkeit zur Ruhe kommt.

Matthias Müller wäre aber schlecht beraten, wenn er nun versuchen würde, weitere „Schwächen“ von VW abzudecken oder zu vernebeln, um Ruhe aufkommen zu lassen. Müller sollte die Chance nutzen, wie das vor Jahren auch der neue Chef bei Toyota machte: Es war kein Zufall, dass gerade beim Auftauchen des neuen Mannes dort der „Dreck unter dem Teppich hervorgekehrt wurde“!

Hat Toyota dadurch Schaden genommen? - Matthias Müller sollte den „Diesel-.Skandal“ als Chance begreifen, VW wieder auf den Boden der Realität zu bringen. Auch in Wolfsburg – und z.T. bei den Konzerntöchtern – war man dabei, dem Größenwahn zu verfallen und marketinghörig zu werden, wo man aufgrund von – sage ich - „frisierten“ Statistikzahlen (die spätestens alle drei Monate neu aufgepeppt werden mussten) nicht unbedingt zu den richtigen Schlussfolgerungen gekommen ist.

Ich erinnere mich noch sehr gut, dass Audi zu der ersten Firma in Deutschland gehörte, die das Auslandsgeschäft in eigene Hände übernahm und in den jeweiligen Ländern die Importeure ausschaltete. Dieser Vertriebsvorstand, der diese Entwicklung einleitete, den fand man dann später bei BMW, wo dann – keine Überraschung für Motor-KRITIK – die gleiche Entwicklung stattfand.

Damalige Erklärung der Macher: Nur so würde man in der „Zentrale“ unverfälschte Zahlen über die Entwicklung in den jeweiligen Märkten erhalten. - Wovon träumte man denn da? - Die Entwicklung ist inzwischen kolabiert. Mich überrascht es immer wieder, wenn Vorstände aufgrund der vielen „konstruierten“ Zahlen überhaupt noch zu richtigen Entscheidungen finden.

Man verfügt z.B. inzwischen – auch bei VW - über Leasing- und Finanzierungsgesellschaften (mit Banklizenzen), zu deren wichtigen Funktionen es inzwischen gehört, im Interesse der Vertriebsabteilungen die Verkaufs- oder Zulassungszahlen zu schönen. Und die die derzeitige Zinssituation im Sinne von „Sonderaktionen“ nutzen.

Wenn man früher einmal bei der Filmindustrie von „Traumindustrie“ sprach, so trifft das inzwischen auch auf die Automobilindustrie zu. Man zwingt auch den Handel, sich entsprechend darzustellen. Und vergisst darüber die eigentliche Basis, den Kunden. Man träumt vom kostengünstigen Internetvertrieb, entwickelt die tollsten Theorien, vergisst darüber ganz, dass am Ende ein Mensch steht, der eigentlich noch nicht direkt auf den Einsatz von Binärzahlen reagiert.

Die neuen „Audi-Paläste“ der Händler sind da ein schönes (?) Beispiel. Und warum muss die neue Deutschland-Zentrale von Ducati eine derartige Präsenz vermitteln, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. (Sie wird gerade in Ingolstadt gebaut.)

Oder als anderes Beispiel ein Hinweis auf eine aktuelle Dieselentwicklung im VW-Konzern:

Sowohl bei Scania, als auch bei MAN wird gerade gleichzeitig an einem Dieselmotor für die „kleine Klasse“ (bis 7,5 to) gearbeitet. MAN wollte es gründlich machen und entwickelte in Richtung „besonders sauberer Diesel“ in der Kombination von Einspritzung von (künstlichem) Harnstoff in Verbindung mit einer Abgasrückführung. Scania gibt vor, die vorgeschriebenen Grenzwerte mit seiner Neuentwicklung nur mit Harnstoffeinspritzung zu erreichen. - Da nun eine Abgasrückführung zusätzliche Kosten bedeuten würde, müsste eigentlich dann – so würde die Entscheidung wohl im VW-Konzern fallen, dem beide Lkw-Hersteller, Scania als auch MAN angehören – der Scania-Motor auch bei MAN eingebaut werden.

Aber dort besteht man auf Eigenständigkeit und behauptet jetzt, auch das zu schaffen, was bei Scania bereits existiert. Und arbeitet an einer eigenen Entwicklung. - Wer überprüft und verantwortet die Sinnhaftigkeit eines solchen Tuns in einem Konzern, der doch eigentlich die Synergien nutzen sollte, die aus einem Zusammenschluss zweier Firmen unter einem Konzerndach zu realisieren sind?

Bei VW gibt es viele solcher Baustellen. Und viele sind keine gesicherten Baustellen, so dass es dort auch zu Unfällen kommen kann, wenn man „blind“ hinein tappt.

Matthias Müller sei gewarnt. Eigentlich ist die VW AG eine riesige Großbaustelle mit der Unbeweglichkeit eines Riesentankers. Hier gilt es für den neuen Chef Signale zu setzen, die natürlich auch die Öffentlichkeit erreichen müssen.

In diesem Zusammenhang sollte er einmal reflektieren, wie die VW-Öffentlichkeitsarbeit jetzt in einem Krisenfall funktionierte. Bei den bisher vorhandenen Etats war es leicht, die Presse unter Kontrolle zu haben, sie auf die richtige Art und Weise zu füttern. Das hat auch funktioniert. - Aber wie geht’s weiter?

Wie z.B. in Sachen Motorsport? - Der VW-Konzern könnte sicherlich den vorherzusehenden Ausstieg eines Marketing-Spezialisten aus der Formel 1 zum Jahresende zum „günstigen“ Einstieg in die so genannte „Königsklasse“ des Motorsports nutzen. Da gilt es dann die Frage zu beantworten: Worauf verzichtet man, wenn man auf diesem Gebiet dafür diesen oder jenen Kostenfaktor streicht? - Was bringt dem Image wirklich etwas? - Was ist eine „sinnvolle Geldausgabe“?

Matthias Müller kann jetzt nicht dem bisherigen „Gebäude VW“ einen neuen Anstrich verpassen, es muss von Grund auf renoviert werden. - Jetzt! - Bevor die Blase platzt, dessen Zeitpunkt eigentlich für die weltweite Automobilindustrie schon seit einiger Zeit vor sich hergeschoben wird. - Die Immobilien-Blase in den USA war gestern. - Die Automobil-Blase platzt morgen. -

Der jetzige Aufsichtsrat – dessen aktuelle Zusammensetzung ich nicht kommentieren möchte – entscheidet heute über den neuen Vorsitzenden der AG. Im Sinne eines Ferdinand Piech.

Man sollte auch bei der Um- und Aufrüstung des VW-Aufsichtsrates an die Vorschläge eines Ferdinand Piech denken.

Auch die waren – sind(!) - nach Auffassung von Motor-KRITIK durchaus richtig!

MK/Wilhelm Hahne
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