V-W-ichtig! - Dinge beim Namen nennen!

Zugegeben: Ich habe viel Zeit damit verbracht den Titel zu finden. Noch mehr Zeit habe ich in den letzten Tagen damit verbracht zu lesen – und zu sehen (!) - was den Kollegen zu dem VW-Abgas-Skandal auf- und eingefallen ist. Natürlich findet man in allem auch Stücke der Wahrheit. Aber nirgendwo wird der Versuch gemacht, diesen VW-Skandal als das Ergebnis einer Veränderung unserer Gesellschaft zu sehen. Was auch für Leute schwer ist, die nicht die Veränderungen mit erlebt haben, weil sie in sie hineingeboren wurden. Das Volkswagenwerk ist – und war – seit Nordhoff eigentlich ein Problemfall, weil hier – aus den Umständen der Zeit resultierend – sozusagen Welten aufeinander prallten, die eine harmonische Entwicklung verhinderten. Die hat dann auch niemals stattgefunden. Noch heute klaffen tiefe Risse zwischen den einzelnen Schichten eines Konzerns, dessen Bedeutung einfach darin besteht, groß zu sein. Und der sich in seiner Art und Entwicklung der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst hat. Wenn man einmal bewusst die Entwicklung der letzten Jahrzehnte Revue passieren lässt, so sei die Feststellung erlaubt: Unsere moderne Gesellschaft ist „krank“. Genauso „krank“ ist das, was gerade bei VW passiert. Es kommt jetzt nicht darauf an, sich offen darstellende Symthome zu beseitigen, sondern die Basis zu verändern, die die Entstehung solcher krankhaften Entwicklungen erst möglich machte. Unter Führung eines sehr ehrgeizigen, hochintelligenten Technikers, wie Ferdinand Piech, konnten die Schwächen des Konzerns bisher verborgen bleiben, aber nun brechen „die Geschwüre“ auf.

V-W-ichtig! - Dinge beim Namen nennen!

Am 26. April 2015 habe ich auf diesen Internetseiten geschrieben:

„Bei SPIEGELonline ist man aktuell der Meinung, dass sich Ferdinand Piech mit seinem Rücktritt von der Position des Aufsichtsratsvorsitzenden „gewissermaßen selbst guillotiniert“ habe. Ich sehe das anders: VW sieht sich nun eines Kopfes beraubt, der den Volkswagen-Konzern zu der Bedeutung geführt hat, den er heute in der Welt genießt.“

Der Titel der damaligen Geschichte: „Rücktritt Piech: VW ist der Verlierer!“ - Man muss sich doch nur einmal anschauen, wie groß der Einfluss von Selbstdarstellern in einem solchen Konzern wie VW geworden ist. Martin Winterkorn war doch wie Bernd Pischtetsrieder niemals etwas anderes als ein williges Werkzeug in der Hand eines Ferdinand Piech.

Ferdinand Piech hat immer versucht sich in dem Moment von solchen „Mitarbeitern“ zu trennen, wenn diese Leute zu der falschen Selbsteinschätzung fanden, dass sie es waren, die die Triebfeder im Konzern waren, die die Akzente setzten, die VW nach vorne brachten.

Bei Winterkorn ist das Ferdinand Piech nicht gelungen. Die Zahl der „Nichtkönner“, die ihn umgaben, war zu groß geworden. Es gilt nicht nur der Spruch „Länge läuft“, sondern auch die Erklärung „Masse statt Klasse“. Man werfe doch nur einen Blick hinüber auf „facebook“ und „twitter“ und erlebe, wie (aus meiner Sicht) dumme Marketing-Spezialisten bemüht sind, zu bestimmten Zeiträumen bestimmte „Fan-Gruppen“ für ihre Sache zu aktivieren. (Man kann übrigens auch „Freunde“ kaufen!)

Das verschafft manchen „Produkten“ dann sogar einen vorübergehenden Erfolg. In dieser Zeit wird in einem Journalisten, einer Fachzeitschrift, durch solche Leute nur ein – auch notwendiger – Multiplikator von Meinung gesehen, die vorher „gemacht“, geschaffen und z.B. in Form von Pressemitteilungen möglichst richtig kanalisiert werden sollte.

So ist über die Jahre „Motor-KRITIK“ an den Rand gerückt. Solche Publikationen passen nicht in die Zeit. Man straft sie mit Verachtung, schaltet sie durch Nichtbeachten aus. - Das ist inzwischen eine jahrzehntelange Entwicklung. Die ich auch akzeptiere, indem ich nichts tue, um den Ansprüchen eines – aus meiner Sicht - „kranken Systems“ zu entsprechen.

Schon 1999 war ich – war „Motor-KRITIK“ - aus Industriesicht zur „Randerscheinung“ deklariert. Das heißt in der Praxis: Möglichst keine Testwagen, keine technischen Informationen. Man konnte schließlich nicht sicher sein, dass meine – die in „Motor-KRITIK“ verbreiteten - Feststellungen auch die waren, die man „werksseitig“ gerne sehen würde.

So habe ich mir „damals“ z.B. einen VW Lupo 3L selber „besorgt“, weil ich die Grundidee für interessant hielt. Auch heute noch können Sie diese alte Geschichte in „Motor-KRITIK Classic“ (unter „1999 – Erlebnisberichte“) nachlesen.

Ich beschrieb dieses Automobil damals als „Ein 'politisches' Automobil, das sich an Normen orientiert“, nachdem ich „mit dem Lupo 3L TDI, der 'Ikone des Hi-Öko-Tech', ganz normal unterwegs“ gewesen war. - Und ich fasste gegen Ende meine Eindrücke so zusammen:

„Zurück zum Dreiliter-Lupo: Er ist ein Automobil, nach dem die Politik verlangt hat. Und sie hat ihn bekommen. An den Normen orientiert. - Dem Kunden wird die Sparidee über Marketingideen (Getriebevariationen) nahe gebracht. So manches Detail - auch der Leichtbau - fasziniert. Aber man muß es nicht haben. Per Saldo ist das alles nicht überzeugend. - Wer wollte mit diesem Lupo eigentlich wem etwas beweisen?

Dieser Lupo wirkt auf mich so wie manche Geschichten in Fachzeitschriften, die nicht für die Leser, sondern für die Kollegen geschrieben sind. Aber trotzdem gut zu lesen. - So ist auch der Lupo. Wenn man ihn einmal, zweimal "auf Verbrauch" fährt, ist das spannend. Wer ihn täglich, immer fahren muß und sich die Niedrigstverbräuche dann wieder "normalisieren", bei dem bleibt ein schaler Geschmack zurück. - Um den zu erhalten muß ich aber nicht unbedingt 27.000 Mark ausgeben.“

Die Verkaufsentwicklung hat meine Einschätzung bestätigt. Sie wird heute – wie ich in einer Fernsehsendung hörte – Herr Piech als „Flop“ angekreidet. Und nicht nur bei der da. Oft übrigens von den gleichen Leuten, die z.B. das gleiche Fahrzeug damals mit tollen Satzkonstruktionen „in den Himmel“ hoben.

Was uns heute als Schauspiel bei der Aufklärung des „Abgas-Skandals“ aus Wolfsburg geboten wird, sind auch „Versatzstücke“, von denen man eine sinnvolle Wiedergabe zur Darstellung einer für die Öffentlichkeit verständlichen Erklärung erwartet.

Natürlich war dieser Skandal nicht das Werk einzelner Software-Ingenieure. Sie konnte es nicht sein, weil es das VW-System einfach nicht zulässt, bei dem die Verantwortung einzelner Mitarbeiter – auch in der Entwicklung (!) - immer an der Schreibtischkante endet. Man erzieht praktisch „Fachidioten“, die nach einiger Angewöhnungszeit nicht mehr in der Lage sind, in Zusammenhängen zu denken.

Weiter „oben“, versucht man den Überblick zu behalten, indem man Entscheidungen auf die eigene Person fokussiert und so – eigentlich überfordert – in dem Wahn lebt, alles Wesentliche nicht zu übersehen. Dabei ist der Blick für das Wesentliche längst verloren gegangen. Jedenfalls bei den „Mitläufern“, die sich selbst als „Spielmacher“ empfinden.

Ferdinand Piech war (ist) ein „Spielmacher“. Nicht weil er fehlerfrei ist, sondern weil er seine Fehlerhaftigkeit durch besondere Leistungen auszugleichen versucht. Er hat das schon als Kind lernen müssen und in seinen Berufsjahren auch immer gelebt, zumal er erfahren musste, dass so die Mehrzahl der Leute die ihn umgaben, zur „Knetmasse“ unter seinen Händen wurden. - Was seine Achtung vor solchen Leuten nicht erhöht hat. Manche haben ihn wegen seiner „unbarmherzigen“ Entscheidungen für einen „Rottweiler“ gehalten, andere haben in ihm einen „Visionär“ gesehen.

Man muss nur einmal quer durch die Basis bei VW gehen – und gut zuhören – um zu begreifen, wie umstritten so eine Persönlichkeit wie Ferdinand Piech ist – sein muss.

An den Prüfständen in Wolfsburg lobt man ihn z.B. in den höchsten Tönen, weil er – wenn er als Vorstandschef abends dort noch mal vorbei schaute – nicht dort als Kontrolleur, sondern als Ingenieur und Macher auftrat, der den Leuten dort eine Hilfestellung bot.

Andere waren von ihm nicht begeistert, weil er sie – selbst unerkannt mit Fahrrad und Helm auf dem Werksgelände unterwegs – bei uneffektiven Arbeiten (aus Sicht eines Konzernschefs) beobachtet hatte.

Oder er stand plötzlich früh morgens in Finnland vor dem dortigen Testcenter, gerade mit einer „Werks-Düse“ aus Wolfsburg – unangemeldet – eingeschwebt, um festzustellen, dass dort nicht pünktlich mit der Arbeit begonnen wurde.

Natürlich hat sich Ferdinand Piech darin gefallen, auch die menschlichen Schwächen – z.B. von Gewerkschaftsvertretern – auszunutzen. Sozusagen verächtlich lächelnd. Auch ich habe das – lächelnd – wahrgenommen. Sollte man Piech das als Fehler ankreiden?

Irgendwann sind wir alle von unserem Umfeld beeinflusst, in dem wir leben. Und das Umfeld in Wolfsburg ist niemals ein gesundes Umfeld gewesen. Für niemanden. - Wie ich mir übrigens von einigen Managern nach ihrem Ausscheiden dort – aus Altersgründen – bestätigen ließ.

Und junge Leute - heute dort - haben mir aktuell bestätigt, dass sich eigentlich im System gegenüber früher nichts wesentlich geändert hat. Sie können nur die aktuelle Situation schildern. Sie können nicht vergleichen. Ich kann. Und muss feststellen, dass sich natürlich „die Mittel“ geändert haben, alte Strukturen würden durch modernere ersetzt, aber sie haben die Kontraste, die immer in Wolfsburg bestanden, nicht aufheben können.

Alles ist moderner geworden. Automobile werden heute nicht mehr gekauft, sondern geleast. „Früher“ gab es keine VW-Leasing-Gesellschaft, auch keine VW-Bank. Heute reguliert man über ein solches Instrument bestimmte Statistiken. Früher bestimmte ein Heinrich Nordhoff, was der Kunde zu kaufen hatte, heute eine Marketingabteilung.

Private Importeure in anderen Ländern hat man durch eigene Import-Gesellschaften mit „VW-Soldaten“ ersetzt. Argumentation: Weil so die Berichtswegs kürzer werden, die Informationen intensiver. - Motor-KRITIK meint: So ist das Verständnis für fremde Märkte verloren gegangen, aber auch die „Weckrufe“ durch die manchmal unangenehm anders Denkenden.

Das Marketing „verkauft“ heute der Öffentlichkeit die Umsetzung dessen, was die Politik vorschreibt. Wenn man genau hinschaut muss man sich fragen, ob nun die Politik Einfluss auf Wolfsburg, oder Wolfsburg Einfluss auf die Politik nimmt. - Jedenfalls besteht – nicht nur durch die hohe Beteiligung des Landes Niedersachsen und der willkürlichen Bedeutung der Gewerkschaften – eine sozusagen „krank machende Symbiose“.

Alles zusammen hat zum „VW-Abgas-Skandal“ geführt. Und man sollte jetzt mehr tun als nur nach einzelnen dafür verantwortlichen Tätern suchen.

Man werfe ein Blick nach Japan, hinüber zu Toyota, wo auch vor Jahren „Skandal“ auf „Skandal“ folgte. Nur hat man übersehen, dass die nicht zufällig unter dem Teppich hervor quollen, sondern von einem neuen Chef bewusst ans Licht gezerrt wurden, weil der „reinen Tisch machen wollte“.

Heute steht Toyota wieder gut da. Ein kranker „Riese“ wie VW kann die Position dieser japanischen Firma in der Welt in nächster Zeit nicht mehr gefährden. VW bedarf einer neuen Führungsstruktur. Was da derzeit passiert ist mit den Entscheidungen einer Malu Dreyer zu einer Regierungsumbildung zu vergleichen: Es passiert etwas, ohne das etwas passiert.

Ferdinand Piech ist das sicherlich auch klar. Er leidet sicherlich auch unter der Entwicklung in Wolfsburg, zumal sie ihn finanziell hart trifft.

Auch wenn der „Abgas-Skandal“ mal aufgeklärt sein sollte – natürlich „nach Art des Hauses“ - bedeutet das nicht, dass der Autoriese wieder Fahrt aufnehmen kann.

Ich habe das Verhalten von VW im Markt schon mal mit dem eines Riesentankers verglichen. Der ist zwar nur schwer zu bremsen aber auch genauso schwer zu beschleunigen. Größe kann auch zu einer Belastung werden.

Es gibt im VW-Konzern zu wenig Leute wie Winfried Vahland, die sich nicht einfach „auf Befehl“ umsetzen lassen, so wie man Schachfiguren verschiebt, der sich nicht einfach von Skoda in die USA verschieben ließ, sondern wohl auch eine eigene Meinung zu gewissen Abläufen hatte.

VW wird auch in Zukunft nicht besser „funktionieren“, wenn man auf dem großen VW-Konzern-Schachbrett weitere Figuren umsetzt. - Reiner Aktionismus! - Es müssen von außen neue Persönlichkeiten gewonnen werden, solche, die eigentlich nicht in das vorhandene System passen und darum auch die Neigung haben werden es zu verändern.

Wichtig ist, grundlegende Dinge jetzt beim Namen zu nennen und nicht das ICH in den Vordergrund zu stellen. Darum auch bei dieser Geschichte der eigenartige Titel, der auf das „Ich-tig“ bei VW und seine Wichtigkeit hinweist.

Eine ernst gemeinte Spielerei mit Buchstaben und Worten. - Was bleibt mir auch als Journalist anderes übrig?

MK/Wilhelm Hahne
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