Motorsport & Sicherheit: Nordschleife!

Sicherheit wird – abhängig von der jeweiligen Situation – von allen Menschen jeweils anders empfunden. Sicherheit ist also eigentlich etwas Subjektives. Es gibt sicherlich Sicherheitssysteme die in bestimmten Situationen – und unter bestimmten Umständen – nutzen, aber eben nicht in allen. Aber gerade uns Autofahrern versucht „man“ (das ist nicht nur die Autoindustrie!) zu suggerieren, dass Sicherheit käuflich ist. Die meisten Autofahrer glauben das auch – und tappen damit in die Sicherheitsfalle, die z.B. die Lobbyisten gut ernährt und der Industrie die Kassen füllen hilft. Alle Sicherheitssysteme sind nur so gut, wie sie in die jeweilige Situation passen. Wer z.B. beim Abbiegen einen Crash hat, weil er einen anderen Verkehrsteilnehmer übersehen oder dessen Fahrgeschwindigkeit falsch eingeschätzt hat, der wird beim dann nicht zu vermeidenen Aufprall durch Sicherhsitsgurt und Airbag geschützt. Schleudert das Fahrzeug dann z.B. durch die Wucht des Aufpralls weiter gegen einen Baum, schützt ihn der Airbag nicht mehr. - Genau so ist das mit den Sicherheitseinrichtungen auf Rennstrecken, die oft von Sport-Funktionären initiiert werden, um ihre Verantwortung zu minimieren. - Man hat schließlich etwas getan! - Man ist für Sicherheit. - Und dann passiert so etwas wie in „Spielberg“. - Da haben die „Spezialisten“ der FIA die Strecke durch ein vorgeschriebenes Anbringen von „Rattersteinen“ (nennen wir sie mal so) hinter den eigentlichen Curbs begrenzt – und es brechen dann Carbon-Aufhängungsteile an den Formel-1-Boliden. - Am Nürburgring – auf der Nordschleife – ist man schon weiter. Es gibt dort von der FIA und vom DMSB abgenommene „Sicherheitsmaßnahmen“ die einen großen Un-Sicherheitsfaktor darstellen. - Und man rudert schon unauffällig zurück. - Was nichts daran ändert festzustellen: DMSB und FIA arbeiten nicht praxisorientiert. Man muss die Frage stellen, ob hier eine „Ansammlung von Ahnungslosen“ - bezogen auf den Motorsport – nur noch Verantwortung delegiert, aber keine mehr tragen will. - Motorsport ist gefährlich – und wird es immer bleiben. - „Rattersteine“ machen ihn – nicht nur in „Spielberg“ - nur noch gefährlicher. - Auch z.B. auf der Nürburgring-Nordschleife.

Motorsport & Sicherheit: Nordschleife!

In Hockenheim erlebt man gerade, wie im Moment beim Thema Sicherheit – je nach Position – entweder in die eine oder die andere Richtung übertrieben wird. Da wollen die Fahrer einen Cockpitschutz, genannt „Halo“ (= Heiligenschein), der sie vor großen Trümmerteilen und wegfliegenden Rädern (die aber schon „an die Kette gelegt wurden“) schützen. Die FIA hatte für solche auch schon eine um 17 Prozent erhöhte Überlebenschance für die Formel 1-Fahrer errechnet.

95 Prozent der Fahrer waren – wie man hören kann – für so eine Lösung. Aber die „Strategiegruppe der Formel 1“ ist dagegen. Und Vettel stellt fest – wohl im Hinblick auf den tödlichen Unfall von Bianchi:

„Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass man eine Lektion erhält und nichts daraus lernt.“

Und Alexander Wurz, Vorsitzender der Fahrervereinigung GPDA, ist empört:

„Im Moment sieht es ein wenig danach aus: Erst das Geschäft, dann die Sicherheit.“

Aber die “Strategiegruppe“ hat nun – als kleine „Beruhigungspille“ - das in vorherigen Rennen geltende Funkverbot, wenn es denn eine Hilfe für den Fahrer darstellen sollte, ab sofort wieder aufgehoben. - Wahrscheinlich schon für Hockenheim. - Schau'n mer mal!

Und auch die „Track-Limits“, die beim letzten F1-Rennen dann sogar in einer elektronischen Überwachung der eigentlichen Fahrbahnränder ausuferte, soll wieder abgeschafft werden. Kann nun jeder wieder fahren, wie es ihm erfolgreiche Rennstrecken-Architekten möglich gemacht haben? - Ungestraft?

Auf der Nürburgring-Nordschleife ist das nicht möglich. Dort hat man vor der Saison 2016 viele Kurven mit so genannten „Rattersteinen“ versehen, die nun leider nicht für mehr Sicherheit, sondern für mehr Unsicherheit sorgen, weil sie – gerade bei Langstreckenrennen – der Auslöser von gefährlichen Reifenschäden sein können, die auch fahrerisch (auch nicht mit ESP oder anderen elektronischen Helferlein) beherrschbar sind.

Vielleicht kann dafür auch der Reifenschaden des DMSB-Präsidenten auf der Nordschleife (Motor-KRITIK berichtete) ein Beispiel sein. - Das Ergebnis der Untersuchung bleibt abzuwarten.

Aber die „Fachleute“ der internationalen und nationalen „Sportbehörden“, FIA und DMSB, haben der Nordschleife eine...

„erfolgreiche Umsetzung der sieben Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit“

...bestätigt und jeweils die Freigabe in Form einer Lizenz zur Durchführung von internationalen und nationalen Rennen erteilt.

Der DMSB-Präsident, Hans-Joachim Stuck, bestätigte:

„Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Nordschleife vollumfänglich den Vorgaben der FIA und DMSB entspricht. Der gemeinschaftlich abgestimmte Maßnahmenkatalog wurde vom Nürburgring vorbildlich umgesetzt.“

Motor-KRITIK hat mal einen flüchtigen Blick auf die „vorbildliche Umsetzung“ geworfen und beim Hinterfragen des Gesehenen erfahren müssen, dass es natürlich schon „stille Nachbesserungen“ gab, aber die Sicherheitsmaßnahmen an der Nordschleife sind eine Farce!

Motor-KRITIK möchte hier nicht wieder auf die tatsächlich vorhandenen Schwächen im hochgelobten System der FIA-Zäune an der Nordschleife hinweisen. Auf diesen Seiten war auch schon – lange bevor man es durch die Praxis bestätigt bekam – dass entgegen aller Versicherungen, sich der Streckenabschnitt „Flugplatz“ nun in einer modernen „FIA & DMSB-Version“ darstellt, der diesen Streckenabschnitt hinunter zum „Schwedenkreuz“ deutlich schneller gemacht hat.

Die offizielle Darstellung des Leiters der Unternehmenskommunikation der „capricorn NÜRBURGRING GmbH“ (CNG), Uwe Baldes, zu den „Verbesserungen“ auf der Nordschleife:

„Entgegen so mancher Behauptung hat sich die Streckenführung des Nürburgrings in keiner Weise verändert. Auch auf dem vollsanierten Abschnitt sind Steigungswinkel und Streckenlage gleich geblieben. Hier wurde nichts tiefer gelegt. Einzig vier Bodenwellen sind ausgebessert worden. Damit sind keine Huckel gemeint, sondern langgezogene Wellen, die das Auto zum Schwingen bringen können.“

Bei allen Fahrer, die bisher andere Feststellungen getroffen haben, handelt es sich offenbar um Leute mit gestörtem Wahrnehmungsvermögen.

Hier die Namen der Experten, die am 14. März 2016 die Streckenabnahme vornahmen:

  • Roland Bruynseraede (FIA)
  • Jacques Berger (FIA)
  • Mischa Eifert (DMSB)
  • Alexander Schnobel (CNG)

Die FIA-Lizenz gilt nun für drei Jahre, die DMSB-Lizenz für ein Jahr.

Motor-KRITIK hat während des „sport auto“-Perfektionstrainings in dieser Woche einen Blick auf die Strecke geworfen und möchte – mit Fotos belegt – festhalten:

Hier ein Blick auf den Streckenposten am „Brünnchen“. Ein einziger. Aber mit Funk und Flagge. Und alleine! Ich habe mir mal erzählen lassen, dass es die hier nur noch als „Sonderfall“ gibt, z.B. als „Sichtverbindungsposten“. Dieser hier hatte weder Sichtkontakt zum vorherigen, noch zum nächsten Streckenposten und wäre im Falle eines Falles sicherlich auch damit überfordert, eine Flagge zu schwenken, das Funkgerät und gleichzeitig evtl. noch einen Feuerlöscher zu bedienen oder andere „Sicherheitsmaßnahmen“ vorzunehmen.

Auf der gesamten Nordschleife waren während dieses „Perfektionstrainings“ nicht mehr als insgesamt gut 30 Streckenposten (man sagt heute: Sportwart oder Marshall) im Einsatz.

Solche Einzel-Posten, die die offizielle Bezeichnung „E-Posten“ tragen, findet man sonst nicht mehr an Rennstrecken. Aber „zur Sicherheit“ an der Nürburgring-Nordschleife!

Überall an der frisch lizensierten Nordschleife müssen die Zuschauer durch die Maschen eines FIA-Zauns schauen. Da gibt es dann auch Schlaue, die die örtlichen Gegebenheiten, topografisch bedingt, nutzen, um z.B. zwischen zwei sich überlappenden FIA-Zäunen eine ungehinderte Sicht auf die Strecke zu haben.

Dabei könnte das Umfeld der Nordschleife wirklich für alle Besucher ein Traum sein. Nicht nur für Rennfahrer. Nicht nur als Fußgänger, sondern auch als Mountainbike-Fahrer kann man hier in der Eifel noch scheinbar ungestörte Natur erleben. - Bis man auf Warnhinweise stößt, die einem gleich in mehrfacher Ausführung vor die Nase gehängt werden.

So kommt man dann auch an eine Stelle, die das Denken der Verantwortlichen des DMSB verdeutlicht. Auf deren Anregung wurde z.B. das Aufstellen einer Pylone an der Innenseite des „Großen Sprunghügel“ am „Pflanzgarten“ vorgesehen. Das Aufstellen ist nicht Pflicht, sondern liegt in der Entscheidung der jeweiligen Veranstalter.

Das erste Foto zeigt die Annäherung eines Testwagens an diese Stelle. Das zweite Foto lässt nicht nur den Ort der Platzierung ahnen, sondern macht auch durch einen Vergleich mit der Streckenbemalung deutlich, wo sich dieser Ort befindet, der dann im dritten Foto noch einmal deutlich fotografiert wurde. (Hier ohne Pylone, weil der „Industriepool“ sie ablehnt!)

Meine Frage an einen „Kenner des Nürburgrings“, was das denn eigentlich solle:

„Das dient nur der Beruhigung des DMSB-Geschäftsführers!“

Ach so! - Warum denn da evtl. eine Pylone aufgestellt werden soll? - Damit die Automobile da beim Rennen nicht evtl. innen über die hohen Curbs fahren, weil dann das Auto abheben und ein Unfall ausgelöst werden könnte! - Ach so!

Jeder der den Nürburgring kennt, kennt auch diese Stelle. Aber man muss vielleicht Bellof heißen, um nach einem Überfahren dieses Curbs dann noch – viel später allerdings – durch die Benennung des Streckenabschnitts mit seinem Namen geehrt zu werden. - Weil man diesen Fahrfehler lebend überstanden hat. - Verstehe das wer will!

Am „Metzgesfeld“ hat man die Leitplanken näher an die Strecke gestellt, weil bei einem Abflug eines Fahrzeugs in dieser schnellen Linskurve die Auslaufzone so groß war, dass das Fahrzeug bestimmt nicht mehr zurück auf die Piste kam. Jetzt wollte man dann zusätzlich – natürlich als Sicherheitsmaßnahme – noch Reifenstapel davor stellen, damit ein verunfalltes Fahrzeug auch zuverlässig zurück auf die Strecke – evtl. hinein ins folgenden Fahrerfeld - katapultiert wurde. - So sieht die Planung von „Experten“ aus! - Die man aber noch korrigieren konnte.

Schwieriger ist z.B. am „Brünnchen“, wo man die Renntourenwagen und GT-Fahrzeuge daran hindern wollte, über die Curbs hinaus zu fahren.

Die im ersten Teil der Kurve außen verlegten „Rattersteine“ wurden vollkommen sinnlos verlegt, weil dort – wie meine Fotos zeigen – niemals ein Fahrzeug fahren wird. Das wird auf dem zweiten Foto besonders deutlich. Erst am Kurvenausgang wird man den Rand nutzen. Aber auch dann ist bis zu den Curbs noch eine Menge Platz. - Nur werden hier dann die Reifen „angerattert“, diedann evtl. auf der schnellen „Döttingen Höhe“ oder – noch gefährlicher – beim Durchfahren der „Tiergarten“-Passage evtl. platzen, sich auflösen, nachdem sie – das „Brünnchen“ dient hier nur als Beispiel – vorher deutlich mechanisch geschädigt wurden.

Es gab nach den ersten Rennen auf dieser „sicherheitsbetonten“ Strecke, von FIA und DMSB sehr gelobt, schon deutliche Hinweise auf diese hirnlosen „Sicherheitsmaßnahmen“, so dass man inzwischen nach anderen Korrekturen jetzt die „Ratterstreifen“ weitgehend abgefräßt hat! - Damit die „Sicherheitsmaßnahme“ sicherer wird. - ??? -

Wenn man nun glaubt, dass das nur eine der „Fehlleistungen“ der „Experten“ war, dann irrt man sich. Ausgangs der Rechts-Bergabkurve zum „Brünnchen“ hin, hat man auch „Rattersteine“ außen verlegt, aber diesen Streifen dann so schmal gehalten, dass – wenn hier ein Fahrzeug zu weit heraus kommt – dann mit den linken Rädern die Bedeutung von aufgeweichtem Boden kennenlernt, der das Verhindern eines deutlichen Abflugs mit richtigem Einschlag in die Leitplanken sehr schwer macht.

Es gibt aber immer noch eine Steigerung. Da braucht man am „Brünnchen“ gar nicht so weit zu gehen.

In der Linkskurve bergab davor wurden „Rattersteine“ am Innenrand (!) verlegt. Was man sich dabei gedacht hat ist für keinen Fahrer nachvollziehbar. Auch hier hat dann nur „Nachfräsen“ mit Sicherheit sicherer gemacht, weil ich keinen Rennfahrer kenne (der einer ist!), der hier nicht den Innenrand mitnimmt.

Eine Feststellung so nebenbei: BMW scheint seine bisher eingenomme 1. Position in Sachen Werbung am Nürburgring aufgeben zu wollen. Das leere Plakatgerüst (links im letzten Foto) spricht eine bezeichnende Sprache. -

Aber zurück zur „Sicherheit“:

Nun ist es nicht so, dass das die einzigen Stellen auf der Nürburgring-Nordschleife sind, über die man sich Gedanken machen müsste - „Sicherheitsgedanken“! - Die „Rattersteine“ waren wohl bei den „Experten“ der Sportbehörden der Weisheit letzter Schluss.

  • Nicht nur in „Spielberg“, sondern auch auf der Nürburgring-Nordschleife.

Und der neue Geschäftsführer am Nürburgring hatte – wie wohl auch andere Mitarbeiter seiner Mannschaft keine Bedenken, die von den Sportbehörden angeordneten „Sicherheitsmaßnahmen“ auf der Rennstrecke 1:1 wirklich umzusetzen. - Nun, er hat ja auch vom Motorsport keine Ahnung. Seine Sicht der Dinge ist eine andere, die er in einem Interview im „Fan-Guide 2016“ so äußert:

„Die Lage ist wirklich ruhig. Wir haben eine gute Basis, ein gutes Basisgeschäft. Das belegen auch die schwarzen Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Darauf können wir aufbauen. Und diese Ruhe wollen wir mit einer verbindlichen Strategieplanung für die kommenden drei bis fünf Jahre manifestieren. Damit auf der einen Seite die Belegschaft sieht, wohin wir mit dem Nürburgring wollen. Damit auf der anderen Seite unsere Partner und Kunden, aber ebenfalls die Menschen in der Region wissen, womit sie rechnen, worauf sie sich einlassen können. Sie sollen Planungssicherheit für die nächsten Jahre haben.“

Die FIA und DMSB wollen eine Verbesserung der Streckensicherheit. Der Geschäftsführer der CNG will Planungssicherheit. Sein bisheriger Mentor, „Hockenheim-Schmidt“, wie wir ihn nennen wird – nachdem er nun in Bad Neuenahr Vorstandsvorsitzender ist – auch weniger Zeit für die Fortbildung seines Schützlings haben.

Allen Beteiligten kann man sicherlich keine bösen Absichten unterstellen. Aber, so wie sich die Situation am Nürburgring trotz aller Versicherungen derzeit darstellt, auch keine gute Arbeit.

MK/Wilhelm Hahne

PS: Über den „Großen Preis von Deutschland“ in Hockenheim lesen Sie „mit Sicherheit“ nach dem Rennen noch etwas. - Damit diese Geschichte nicht wieder so lang wird!

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