Rosberg – und das Wunder von Singapur

Eigentlich möchte ich in der nachstehenden kleinen Übersicht ein paar Fakten zu dem ersten Formel 1-Lauf nach dem Einstieg von Liberty Media mit einem Anteil von zunächst 18,7 Prozent am CVC-Kapital notieren, die gerne übersehen werden. Immerhin hat auch in Singapur der neue große, starke Mann, Chase Carey, mit allen Teamchefs ein erstes Gespräch geführt und ihnen versucht, seine Vorstellung von der „richtigen Formel 1“ nahe zu bringen. Da sollen in Zukunft nicht mehr die Veranstalter tief in die Taschen greifen müssen um einen Formel 1-Lauf durchführen zu können, sondern man will die Haupteinnahmequelle auf den Rechteverkauf an Fernsehstationen u.ä. verlagern. Außerdem möchte man weiterhin in Europa stark vertreten sein, so dass der Nürburgring wieder Hoffnung schöpfen darf. Wenn man aber die Fernsehanstalten an den Bewegtbild-Rechten interessieren will, dann geht diese Rechnung nur auf, wenn die Formel 1-Rennen attraktiver werden, Sport, Spiel Spannung bieten. Zufällig gab es dann in Singapur eine erste Kostprobe, wie solche Rennen in Zukunft idealerweise aussehen könnten. - Nachstehend also ein paar Anmerkungen zu Singapur und ein kleiner Vergleich – mit Umrechnungen – zu gerade Anfang September erfolgten Rennergebnissen auf der Nürburgring-Nordschleife, damit der Titel zu dieser Geschichte besser verständlich wird.

Rosberg – und das Wunder von Singapur

Man kann Glück und man kann mal Pech im Leben haben. Es war natürlich nicht immer Glück, wenn Nico Rosberg Formel 1-Rennen oder ein Qualifying dazu gewonnen hat. Er ist auch ein guter Fahrer.

Vielleicht ist aber Lewis Hamilton die komplexere Rennfahrer-Persönlichkeit und war deshalb so oft um die wenigen Zehntel-Sekunden besser, die dann in Schulnoten eine 2 zu einer 2+ werden lassen. - Warum sollte das in Singapur anders sein?

Aber exakt hier, beim ersten Auftreten der neuen F1-Anteilseigner, disqualifiziert ein Nico Rosberg seinen Teamkollegen im Qualifying um satte 7/10 sec. - Ein bemerkenswerter Zufall!

Und beim Rennen fährt Rosberg vorne weg und nur der Entscheidungsfreudigkeit des Mercedes-Teams, die kurz vor Rennende dann einen schon dem Fahrer mitgeteilten Reifenwechsel dann doch nicht vornahm, ist es zu verdanken, dass man beim Blättern in alten Statistiken in einigen Jahren lesen kann, dass Rosberg mit nur 4/10 sec Vorsprung vor Ricciardo das Rennen gewann. - Ein dramatisches Rennende! - Wirklich?

Immerhin saßen an diesem „Singapur“-Rennsonntag 4,92 Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten und hatten RTL eingeschaltet.

Da schreibt z.B. der „Corriere della Sera“ zusammenfassend zum Rennwochenende in Singapur:

"Rosberg ist in Bestform, während sein Teamkollege Hamilton in der Krise versinkt. Nico ist von Anfang bis zum Ende an der Spitze, er siegt, ohne überheblich zu werden. Er schont Motor und Reifen und führt den Silberpfeil zum Erfolg."

Was vergessen wurde: Rosberg musste auch noch die Bremsen schonen!

Da blickt man dann doch noch mal in die Ergebnisse um festzustellen:

  • Nico Rosberg fuhr die Bestzeit in der Qualyfikation mit 1:42,584 min
  • Nico Rosberg fuhr seine schnellste Rennrunde dann mit 1:50,292 min

Er war im Rennen gegenüber seiner Qualyfikationszeit also um 7,712 sec langsamer.

Der Sieger des letzten VLN-Laufs am 3. September, einem 6-Stunden-Rennen, das Porsche-Team mit der Start-Nr. 911, war übrigens mit einer Differenz von 7,867 sec auch ähnlich langsamer. Nur:

  • Rosberg fuhr seine Differenz auf einem 5,065 km langen Straßenkurs heraus;
  • das Porsche-Team mit der Start-Nr. 911 auf der VLN-Variante von Nordschleife und GP-Kurs, die exakt 24,433 Kilometer misst.
  • Rechnet man die Porsche-Nürburgring-Differenz auf die Streckenlänge in Singapur um, beträgt die Differenz rechnerisch nur 1,631 sec.
  • Rechnet man die Rosberg-Singapur-Differenz auf die Nürburgring-Runde um, kommt man auf eine Differenz von 37,65 sec zwischen Quali- und bester Rennrundenzeit.

Was der Formel 1 an Spannungselementen noch fehlt, ist sicherlich die „BoP“ und reglementierte Boxenstopp-Zeiten. Das macht doch die VLN-Rennen am Nürburgring erst so richtig spannend.

Oder bringe ich da etwas durcheinander?

Ehrlich gesagt: Ich möchte meine Leser nur anregen, einmal nicht nur begeistert mit „Bravo“ zu rufen, wenn man „Bravo“ aus dem Fernsehlautsprecher hört oder höchstes Lob für Mensch und Material von einem Rennen in anderen Medien liest.

Bei der Formel 1 sind übrigens große Differenzen zwischen Quali- und Rennrunden-Zeit eigentlich „normal“. Man fährt zwar – wie auch die GT3 am Nürburgring – im Qualifying mit nur sehr wenig Benzin (= weniger Gewicht) im Tank und evtl. mit besonders weichen Reifen, aber bei der Formel 1 kann man für‘s Qualifying zusätzliche Pferdestärken durch ein anders „Mapping“ frei machen, was bei den GT3 am Nürburgring – schon wegen der „BoP“ - nicht geht.

Im Rennen muss dann in der Formel 1 die Motorleistung zurück genommen werden, damit man mit dem Tankinhalt um 300 Kilometer weit kommt. Nachtanken gibt‘s nicht! Da geht‘s dann nur noch langsam voran. Was aber kaum auffällt, wenn die Rennfahrzeuge nur genügend Krach machen. - Der Ton macht die Musik, bei dieser „Königsklasse des Motorsports“, nicht die Rundenzeiten.

Eigentlich ist ein Formel 1-Grand-Prix inzwischen auch mehr zu einem großen Event von Gleichgesinnten geworden. Das Rennen bildet da für die jeweils angereiste High-Society mehr den Rahmen für ein Genuss-Wochenende, dass durch den Blick aus dem Fenster der Loungen – mit dem Glas Champagner in der Hand – dann den besonderen Touch durch die vorbei rasenden Rennwagen erhält. - Ach, wie aufregend!

Das Thema in Singapur war in dieser Gesellschaft der Einstieg der Liberty Media bei der CVC und der voraussichtlich Gang dann schon in 2017 an die Börse. Sollte man da mit einsteigen? Was wird denn wohl die FIA mit ihrem Anteil (von etwas über 1 Prozent) machen, die doch heute einen Wert von um 80 Millionen Dollar hat? - Schließlich hatten die neuen Herren verkündet: „Wir sehen überall Potential für Wachstum?“

Selbst die Fahrer hoffen darauf, dass nun die Formel 1 wieder interessanter wird. Jenson Button meinte dazu: „Wenn es jemand schafft, Leute für Pokémons zu begeistern, die in der Realität gar nicht existieren, dann werden wir es wohl auch schaffen, sie für die Formel 1 zu begeistern.“

Schließlich sollen auch noch drei Formel 1-Teams in den Vorstand berufen werden.

Interessant ist – um auf den „sportlichen“ Teil zurückzukommen - dass die nach Rosberg Nächstplatzierten in Singapur alle beim Vergleich der schnellsten Runde im Qualifying mit der im Rennen, eine deutliche geringere Differenz aufwiesen als der emphorisch gefeierte Sieger:

  • Rosberg 7,712 sec
  • Ricciardo 4,072 sec
  • Hamilton 4,464 sec
  • Raikkönen 4,664 sec

Das hört sich wenig an. Wenn man es aber auf die Rundenlänge der VLN-Streckenkombination am Nürburgring umrechnet, wären das:

  • 37,65 sec bei Rosberg – wie schon erwähnt -
  • 19,64 sec bei Ricciardo
  • 21,53 sec bei Hamilton
  • 22,50 sec bei Raikkönen

Hamilton sagte auf die Frage, wann er denn mal wieder gewinnen würde:

„Ich habe keine Ahnung.“

Und Nico Rosberg machte es spannend, indem er sagte:

„Er kommt selbst nach schwierigen Wochenenden immer stark zurück.“

Motor-KRITIK ist da in seiner Aussage bestimmter:

  • Hamilton wird den Malaysia Grand Prix (30.9. - 2.10.2016) gewinnen!

Die WM muss spannend bleiben! - Obwohl ich in meinem Leben noch kein Drehbuch geschrieben habe: So würde ich das Endergebnis bei diesem Rennen vorgeben.

Mein Eindruck: Die Formel 1-WM ist auf dem Weg, dessen Ende die DTM schon fast erreicht hat.

Es ist nach Auffassung der Marketing-Leute eben alles noch ausbaufähig.

MK/Wilhelm Hahne
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