Guten Tag!

Virneburg, den 28. Juli 2009
Ohne kritischen Einspruch, ohne das Engagement
unbequemer Denker verkümmert die Gesellschaft.
Wir brauchen Streit und Widerspruch,
wir brauchen die Zumutungen und Fragen
unabhängiger Köpfe. Man kann sogar sagen:
Nie ist der sperrige Individualist wichtiger
gewesen als heute, besonders wenn er mit Ironie,
Witz und Eigensinn die am laufenden Band
produzierten intellektuellen, kulturellen und
politischen Moden auf ihren tatsächlichen Gehalt prüft.
"
(Roman Herzog, am 13. Dezember 1997
zum 200. Geburtstag von Heinrich Heine)

Guten Tag!

09-07-28/00 - Meine Großmutter hatte Heinrich Heine auch nicht persönlich erlebt. Sie hatte auch sicher eine andere Art zu denken und zu sprechen. So pflegte sie gerne bei besonderen Anlässen zu sagen: "Nee, nee! - Wie schön, dat ich dat noch erleben darf!" - Ich muss mich daran erinnern, wenn ich an die Ereignisse der letzten Wochen zurück denke. Aber ich weiß nicht, ob man das was ich nun gerade erlebte, auch unbedingt als "schön" empfinden muss.

Ist es normal, 95 Millionen Euro zur Darstellung der eigenen Bonität, der Bonität eines Bundeslandes (oder einer landeseigenen Firma) in die Schweiz zu überweisen? - Ministerpräsident Kurt Beck hat sicherlich nichts dagegen gehabt. Das heißt: Er wird sagen, dass er davon nichts gewusst hat. Dafür hatte er ja einen Finanzminister. Und da der Finanzminister zurückgetreten ist, ist die Sache für ihn erledigt. Und wenn der Himmel zusammen fällt, sind alle Spatzen tot. - Und ein Ministerpräsident ist nicht mehr Ministerpräsident.

Da frage ich doch lieber einen Hartz IV-Empfänger: "Was halten Sie von einer 95 Mio-Überweisung in die Schweiz, damit das Land Rheinland-Pfalz..." - Er unterbricht mich lachend und meint: "Das ist genauso, als würde ich zur Absicherung meiner Hartz IV-Bezüge vom zuständigen Amt verlangen, dass sie den Betrag von 2 Millionen Euro auf ein 'Anderkonto' in Liechtenstein deponieren, auf das nur der Antwalt meines Vertrauens Zugriff hat."

Nun waren die "Partner" von Minister und Aufsichtsrat zwar keine Hartz IV-Empfänger, aber weshalb man 95 Millionen Euro einer Firma oder Person nachweisen muss, die einen an dem Geschäft - bei dem man selbst der "andere Teil" ist - dann mit 30 Millionen am Gewinn beteiligt, das soll mir doch mal ein Landes-Politiker erklären. - Wenn man "diese Nummer" im Theater aufführen würde, wäre das der Brüller. - Obwohl die Politiker-Aufführung "Nürburgring 2009" bestes Theater ist, hat da niemand gelacht.

Inzwischen weiß sicherlich auch jeder Leser meiner Seiten, was am 9. Juni 2009 bei mir ablief: Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Computer und Unterlagen. Bei einem Journalisten. Um einen Anfangsverdacht von Geheimnisverrat und Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz bestätigt zu bekommen.

Ich möchte hier noch einmal nachstehend den wesentlichen Teil eines Interviews in schriftlicher Form darbieten, das ich vor Wochen dem "Deutschlandfunk" gegeben habe. Nach einer Einführung in das Thema - die ich hier weglassen kann, weil die Fakten allen bekannt sind - kam es dann zu folgenden Antworten und Fragen, die sicherlich auch manche Fragen meiner Leser beantworten:

Hahne: Ja, beschlagnahmt wurden zwei Computer, zwei Handys, ein Fotoapparat, eine Videokamera, ein paar Notizbücher und ungezählte Seiten, die irgendwie geschrieben waren von irgendwem. Die habe ich natürlich im Detail nicht festhalten können, aber inzwischen habe ich alles zurück erhalten.

DF: Herr Hahne, wissen Sie auch, ob Ihr Telefon beispielsweise abgehört wurde oder auch jetzt noch abgehört wird?
Hahne:
Ich habe verschiedene Male nachgefragt, habe Monate gebraucht, um eine Antwort zu erhalten. Die war immer sehr ausweichend. Ich gehe eigentlich davon aus, dass ich abgehört werde.

DF: Die Strafanzeige lautet auf Geheimnisverrat, aber genau das wollen Sie doch als Journalist – Geheimnisse verraten.
Hahne:
Die Geschichte oder der Beschluss klammert eigentlich vollkommen aus, dass ich Journalist bin. Man hat so mit einem Sitestep versucht, bekannte Urteile wie das z. B. zum Fall Cicero zu umgehen. Ich kann das nur zur Kenntnis nehmen, ich muss die Auflösung dieses Rätsels den Gerichten überlassen.

DF: Für Thomas Leif, den Vorsitzenden der Journalistenorganisation „Netzwerkrecherche“ ist ihr Fall der Zitat: „absolut härteste Eingriff in die Pressefreiheit, den man sich vorstellen kann“. Wie wehren Sie sich dagegen?
Hahne:
Indem ich einen guten Anwalt eingeschaltet habe, der zu den besten Strafverteidigern in Deutschland gehört. Denn ich werde ja nicht nach Zivilrecht angeklagt, sondern es ist ja Strafrecht und während man hier mein Haus – es wurde nicht ein Büro durchsucht, sondern das Haus, die Garage auch das Automobil übrigens – da hab ich mich mal so erkundigt, wie das denn aussieht vom Strafmaß her und dann wurde mir was von mindestens drei Jahren Zuchthaus erzählt. Also das hört sich alles sehr lustig an, tatsächlich ist es natürlich für alle die betroffen sind, also auch für mich, in irgendeiner Form eine Belastung.

DF: Wie gehen Sie damit um? Sie sind 76 Jahre alt. Das steckt man doch nicht so weg!
Hahne:
Ja, ich habe in meinem Leben eine Menge wegstecken müssen, das bleibt nicht aus, weil es im Leben immer rauf und runter geht. Aber das hat mich schon getroffen. Vor allen Dingen habe ich ein starkes – wie soll ich sagen – Unrechts- oder Rechtsbewusstsein, je nachdem von welcher Seite man es sieht, und ich fühle mich natürlich zu Unrecht in dieser Form getroffen und ich kann nur tief durchatmen und darauf hoffen, dass unser Rechtssystem in der Lage ist, wieder Normalität herzustellen. Was aber nicht bedeutet, dass meine Position als Journalist nun besser geworden ist, denn natürlich meiden mich evtl. Informanten, denn der Informantenschutz ist ja in meinem Falle nicht mehr gewährleistet wie das Beispiel zeigt.

DF: Warum haben sich denn für den Fall Nürburgring 2009 Ihrer Meinung nach nicht mehr deutsche Autojournalisten interessiert?
Hahne:
Es hat die unterschiedlichsten Gründe. Zum Teil ist es so, dass es viele Leute gibt, die schreiben, aber es gibt nur noch wenige Journalisten aus meiner Sicht, nämlich die von altem Schrot und Korn – das hängt vielleicht mit meinem Alter zusammen und mit meiner Grundeinstellung, die auch davon geprägt ist, dass ich in einem so genannten Unrechtsstaat, nämlich dem Dritten Reich groß geworden bin. Ich habe also Unrecht erlebt, auch als Kind erlitten. Aber ich habe an das Recht immer geglaubt, auch jetzt glaube ich noch daran und das hält mich so ein bisschen aufrecht.

DF: Herr Hahne sind sie der einzige Betroffene mit Ihrem Onlinedienst „Motorkritik.de“?
Hahne:
Was die Hausdurchsuchung betrifft ja. Es gibt ein Anzeigenblatt, ein sehr gutes Anzeigenblatt, wenn man Anzeigenblatt sonst als etwas Minderwertiges empfindet. Es ist also ein gutes Anzeigenblatt, dort wurde auch über den Nürburgring und das Umfeld berichtet, das ja auch aus privaten Investoren, die sich so nennen, besteht. Und die haben also alles was über den Nürburgring geschrieben wurde löschen müssen und es gab da eine Einstweilige Verfügung. Aber wie sich nun zeigt und wie man inzwischen festgestellt hat, wurde diese Einstweilige Verfügung aufgrund von – wie man annimmt – falschen Eidesstattlichen Erklärungen erlangt und die Eifel-Zeitung hat nun eine Strafanzeige erstattet gegen den Mann, der diese Erklärungen vor Gericht abgegeben hat.

DF: Danke für das Gespräch!

Natürlich habe ich auch nach dem "Vorfall" weiter recherchiert. Aber gleichzeitig musste ich mich auch um die Versorgung mit Informationen für meinen Rechtsanwalt kümmern. Nun ist der erste Abschnitt abgeschlossen, es gibt für mich das, was andere "einen Anfangserfolg" nennen: Zunächst darf die Staatsanwaltschaft das Ergebnis der Hausdurchsuchung und Beschlagnahme nicht auswerten. - Das ist gut so, aber leider nur ein erster Schritt, um wieder zum Grundrecht von Pressefreiheit und Informantenschutz zurück zu finden, der uns Bundesbürgern im Grundgessetz garantiert wurde. - So lange, bis die Politik einen Grund findet, dieses Gesetz zu umgehen?

Nun bin ich ein wenig müde, möchte ein paar Tage Urlaub machen, mich ein wenig aus den inzwischen schon vertrauten Zwängen von Recherche und Verteidigung lösen. Danach - im August - werden sicherlich eine Reihe von neuen Geschichten notwendig sein, die das Thema "Nürburgring 2009" behandeln. Vielleicht ist dann ihr Anteil an meinen Geschichten insgesamt ein wenig stärker. Weil man mich dazu zwingt, mich mit diesem Thema auch stärker zu beschäftigen.

Heute stellt z.B. die "Rhein-Zeitung" fest, dass nun - nach der Formel 1-Veranstaltung und offiziellen Eröffnung des "neuen Nürburgrings" schon Teile der Fassaden des "Boulevards" ausgedient haben: Sie werden wieder abgerissen. Es wird eine neue Dämmung aufgebracht, neu verputzt und gestrichen. Die bisherige "Fassade" war eben nur "Fassade", sei - wie die Pressesprecherin der Nürburgring GmbH, Stefanie Hohn es formulierte - "Kosmetik für das Eröffnungswochenende" gewesen. - Kurt Beck hat davon sicherlich nichts gewusst, nichts gemerkt. - Aber die Mehrkosten werden sicherlich auch anstandslos von der Landesregierung zu Lasten des Steuerzahlers übernommen werden. - Oder? - Brauchen wir eigentlich nicht einen etwas aufmerksameren Ministerpräsidenten?

Dass es für den Hubschrauberlandeplatz auf dem Vier-Sterne-Hotel noch keine endgültige Start- und Landegenehmigung gibt, ist bisher auch noch nicht aufgefallen. Zum Formel 1-Rennen wurde eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Dass die Achterbahn nach Ansicht von "Insidern" wahrscheinlich in diesem Jahr nicht mehr "als Geschäft" genutzt werden kann, davon wird auch nicht gesprochen. Dass man sich in nächster Zeit mit der Überlegung beschäftigen muss, wann man wohl mal das gerade eröffnete Hotel "wegen Renovierungsarbeiten" (oder so) vorübergehend schließt, wird auch noch verdrängt.

Es gibt also eine Menge Ansätze zu Geschichten, die mich in den nächsten Wochen beschäftigen werden. Dabei möchte ich aber auch nicht vergessen, über rein automobile Themen zu schreiben. Wenn ich in den letzten Wochen Geschichten über Porsche gelesen habe, so beschäftigten die sich mit Familienauseinandersetzungen, mit Bankkrediten, Übernahme-Theorien und ähnlichem. Man scheint vergessen zu haben, dass Porsche eigentlich ein Automobilhersteller ist. Da werde ich dann in meiner nächsten Geschichte zum Thema Porsche sicherlich einmal diesen Teil beleuchten müssen. Davon lebt Porsche ja auch eigentlich. - Hat Wendelin Wiedeking mit seiner Arbeit wirklich gute Voraussetzungen für das Automobilgeschäft der Zukunft des Stuttgarter Sportwagenbauers geschaffen?

Es gibt also viel zu tun. - Und ich werde es anpacken. - Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet habe. Gestatten Sie mir diese kleine Ruhepause.

Herzliche Grüße aus der Eifel
Wilhelm Hahne
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