VLN 2014: Die „Basis“ sieht zuviel ROT!

Man spricht von „Basismotorsport“ wenn man von der Langstrecken-Serie am Nürburgring spricht. Sie war es sicherlich auch einmal, als sie 1977 ins Leben gerufen wurde. Im 37. Jahr ihres Bestehens ist sie „moderner“ geworden, wird von einem Reglement getragen, dass die Marketing-Vorstellungen der Industrie bevorzugt. Damit hat die VLN die Sparte „Basismotorsport“ verlassen, ist auf dem Weg in die Extreme, die – und das lässst sich vorhersagen ohne ein „Wahrsager“ zu sein – ein böses Ende nehmen wird. Die Veranstalter bemühen sich im Interesse der Spannung um effektvolle Rennen. Das gelingt ihnen. Viele enden – und das immer öfter – mit einer „roten Flagge“. - Dabei kommt es immer weniger zu sportlichen Auseinandersetzungen, sondern mehr zu taktischen. - Wie das Ergebnis des vor uns liegenden 24-Stunden-Rennens beweisen wird. - Denn dessen Gesamtsieger lässt sich heute schon mit großer Sicherheit vorhersagen. - Das ist – kurz gefasst – der Inhalt der folgenden Geschichte, die auch wegen der beispielhaften Abläufe beim 4. VLN-Lauf am Nürburgring den bezeichnenden Titel trägt:

VLN 2014: Die „Basis“ sieht zuviel ROT!

Die SP9-Fahrzeuge, allgemein – oder auch in anderen Serien – als GT3 bezeichnet, hatten bezogen auf das Gesamt-Nennergebnis für den 4. VLN-Lauf am 17. Mai 2014 zwar nur einen Anteil von 13 Prozent, nahmen aber nach einer – zu frühen – Zieldurchfahrt (wegen Rennabbruch) die ersten 15 Plätze im Gesamtklassement zu 100 Prozent ein.

Es waren 28 GT3 genannt, wobei man auch hier – so empfinden wir bei Motor-KRITIK – feine Unterschiede machen sollte. Eigentlich sollte ein GT3, speziell für den Einsatz im Motorsport „getunt“, die Serienversion eines käuflichen Straßensportwagens als Ausgangsbasis haben. Nimmt man z.B. einen Audi R8, dann ähnelt der der Serienversion wirklich noch stark – wenn man einmal die geschaffenen Aerodynamik-Änderungen übersieht – während z.B. ein Mercedes SLS AMG GT3 wenig von der Serienversion übernommen hat, wenn man einmal einen prüfenden – und vergleichenden - Blick auf das Fahrwerk wirft.

Diese GT3 wirken bei der VLN im Umfeld der anderen Klassen wie Piranhas, von denen gesagt wird, dass sie alles Lebende fressen, was irgendwie ins Wasser fällt. Was so genauso wenig stimmt, wie die Mär von den „Hechten im Karpfenteich“. Während die da einen Sinn ergeben, sind die GT3-Fahrzeuge die unsinnigste Art einer VLN-Beigabe, die man sich als Motorsportler vorstellen kann. Dank ihrer überlegenen Motorleistung, in Verbindung mit einer ausgetüftelten Aerodynamik erreichen sie nicht nur Top-Geschwindigkeiten auf der Geraden, sondern auch Kurvendurchfahrtsgeschwindigkeiten, die selbst die schnellsten Renn-Tourenwagen zu einem Fortbewegungsmittel auf die Basis eines Diesel-Taxi degradieren: Die GT3 belegten die ersten 15 Plätze im Gesamtklassement.

Nehmen wir einmal den Streckenabschnitt „Fuchsröhre“, der in kleinen Windungen, die man als Fahrer zu einer Geraden macht, steil bergab führt, um dann in einem schnellen Linksknick wieder steil bergauf zu weisen.

Auf dieser Bergabfahrt erreichen schnelle Tourenwagen alle Geschwindigkeiten über 200 km/h, die aber dann im „Knick“ nur „voll“ gefahren werden können, wenn die Aerodynamik einen entsprechenden Abtrieb sicher stellt. Ein GT3 erreicht hier zwischen 275 und 280 km/h und man durchfährt den Bergauf-Knick „flat“. - Wie Werksfahrer das formulieren.

Gefährlich wird es aber – nicht nur an dieser Stelle – dass GT3-Fahrzeuge dann mit 40 – 50 km/h Überschuss auf „langsamere“ Tourenwagen auflaufen, die sich alle auf der „Fall-Linie“ nach unten bewegen, also ständig zwischen rechter und linker Fahrbahnseite wechseln, um die „Ideallinie“ zu nutzen. Ein Werksfahrer im GT3 ist da wenig rücksichtsvoll, will nicht vom Gas gehen, sich nicht „die Runde versauen lassen“ und quetscht sich vorbei. - Wenn's gut geht. - Wie wir wissen, geht’s nicht immer gut.

Aber – so sagte mir ein Kenner des modernen Motorsports - „als Werksfahrer musst du eigentlich Erster werden. Ein zweiter Platz wird gerade noch akzeptiert. Aber Platz drei...? - Da wird eher ein Totalschaden toleriert.“

Zum Kontrast bei Aerodynamik, Leistung und Reifenmaterial (!), kommt also noch eine menschliche, charakterliche Komponente, die sich in dieser Kombination – und bei der VLN – in der vorhandenen „Mischung“ nicht durch das bisherige Reglement ausgleichen lässt. Die „BoP“ (Balance of Performance) dient heute allein der eleganten (und unauffälligen!) Umsetzung von Marketing-Ansprüchen.

Wer z.B. die VLN – aber auch die 24-Stunden-Rennen – der letzten Jahre aufmerksam beobachtet hat, dem ist klar, dass das 24-Stunden-Rennen des Jahres 2014 im Gesamtklassement von einem BMW gewonnen werden wird. Was sich auch schon logisch daraus ergibt, dass in den Jahren

  • 2011 Porsche
  • 2012 Audi
  • 2013 Mercedes

gewonnen hat. Der...

Gesamtsieger 2014 wird hier von Motor-KRITIK mit BMW vorausgesagt.

Hier wurden nicht nur durch die „BoP“ die Weichen rechtzeitig gestellt, sondern man hat sich auch bei BMW – d.h. von deren Werksfahrern – in idealer Weise taktisch verhalten. Man hat die ersten VLN-Rennen nur zur perfekten Abstimmung genutzt, nur „zufällig“ gewonnen, da man immer darauf geachtet hat, nicht zu schnell eine Runde zu beenden, um nicht durch die „BoP“ evtl. weiter eingebremst zu werden. Wobei den BMW-Fahrern auch ideale Helfer in Form von elektronischen Anzeigen mitgegeben sind.

Jetzt beim Rennen am 17. Mai sorgte ein Auffahrunfall im Hochgeschwindigkeitsbereich der „Döttinger Höhe“ für den Abbruch des Rennens. Eine Reihe von Fahrzeugen fuhr in einem Bereich, in dem gerade ein Fahrzeug geborgen und abgeschleppt wurde, der mit „Doppel-Geld“ abgesichert war, die vorgeschriebenen 60 km/h, auf dessen letztes Fahrzeug – ein Porsche 911 – dann ein Audi TT mit Fullspeed auffuhr. Die so genannten Überrollbügel haben zwar die Verformung des Innenraums minimiert, aber der Rennarzt hat den Fahrer – der auch über „Bauchschmerzen“ klagte – zur Sicherheit ins Krankhaus eingewiesen, um eine grundlegende Untersuchung zu ermöglichen.

Das ist nicht der erste Unfall aus ähnlichem Grund, der hier während der VLN-Veranstaltungen für schwere Unfälle – und ROT – sorgte. Logischerweise spielen bei solchen und ähnlichen Unfällen auch die GT3 (Klasse GP9) eine Rolle, die nicht nur superschnell sind, sondern oft auch „brutal“ gefahren werden. Eine „Drohfaust“ bei gerade noch gut gegangenen Überholvorgängen ist da keine Seltenheit.

Eigentlich ist das sportliche Reglement verantwortlich, das zumindest für die Läufe der VLN gilt, die auf der Nürburgring-Nordschleife durchgeführt werden, die mit der Boxenanbindung eine Gesamtlänge von rd. 25 Kilometer pro Runde aufweist. Wenn hier Fahrzeuge unterwegs sind, die sich im Top-Speed um gut 100 km/h unterscheiden, sind Unfälle programmiert. Da ist dann auch die „BoP“ keine Hilfe.

Ein Vorschlag von Motor-KRITIK:

Bei der VLN sind alle Fahrzeuge innerhalb eines Leistungsgewichts von 3 Kilogramm pro PS zugelassen. Das Verhältnis darf nicht besser sein, so dass z.B. ein Audi R8 mit dem heutigen Gewicht von 1330 Kilogramm dann 443 PS haben dürfte. Ein BMW Z4 433 und ein Mercedes dann 441 PS.

Es dürfen nur Reifen gefahren werden, die von jedem Fahrer/Team zu kaufen sind. Also Sonderproduktionen, die wie beim Beispiel Michelin,...

  •  

  • ... die es erlauben pro Runde 10 sec schneller zu sein, oder auch Pirelli-Entwicklungsreifen und andere Sonderanfertigungen sind verboten.

    Aerodynamische Hilfen sind nur insoweit gestattet, als sie auch für die Serienfahrzeuge im normalen Straßenverkehr zulassungsfähig sind und dort angeboten werden.

Alle Fahrzeuge, die nicht in den V-Klassen (Serienwagen) zum Einsatz kommen, müssen mit einem 100 Liter-Sicherheitstank ausgestattet sein. Irgendwelche zeitliche Beschränkungen beim Boxenstop oder Betanken entfallen. Wer weniger verbraucht, muss weniger tanken und sollte davon profitieren.

Genauso, wie die schnelle und profihafte Arbeit einer Boxenmannschaft nicht damit bestraft werden darf, dass man bei einem Langstreckenrennen, wo es doch auf die Teamarbeit ankommt, eine besonders gute Boxenarbeit mit vorgeschriebenen längeren Standzeiten bestraft.

Je einfacher ein Reglement, desto einfacher ist es auch zu überwachen.

Hier einmal ein paar Fotos vom 17. Mai zum Thema Boxenstop. Beim Audi-Team gibt es genügend Mitarbeiter, die nur beim vorgesehenen Boxenstop der Fahrzeuge auf ihrem zugewiesenen Paltz sein müssen. Es gibt also genügend Zeit sich zu sonnen:

 

Bei kleinen Privatteams muss man sich keine Sorgen darum machen, dass zuviel Leute beim Boxenstopp gleichzeitig am Fahrzeug arbeiten:

 

Das sieht dann beim Fahrerwechsel bei einem Werksteam ein wenig anders aus. Das Fahrzeug kommt herein...

 

...und man sorgt zunächst dafür, dass der Fahrer aussteigen kann. Sekunden später ist dann das Team am Fahrzeug...

 

...und das Fahrzeug wird in die richtige Position zum Betanken und wieder Abfahren gebracht...

 

 

Ganz zuletzt wird das Fahrzeug betankt, wozu es nach Reglement auf den Rädern stehen muss:

 

Nachdem die vorgeschriebene Boxenstandzeit erreicht ist, ist das Fahrzeug dann wieder unterwegs:

 

Im Falle von VLN-Lauf Nr. 4 dann bis die ROTE Flagge kam, was sich dann u.a. auf dem Bildschirm so eindrucksvoll darstellen ließ:

 

Auf einem anderen Bildschirm ist auch gut dargestellt, dass das Rennen nach 20 Runden abgebrochen wurde...

 

...aber es wurde nach 18 Runden gewertet. In Artikel 7.3 j der Ausschreibung heißt es:

„Die Wertung wird aufgrund der Position erstellt, die die Fahrer in ihrer vorletzten vollen Runde vor dem Abbruch inne hatte.“

Es findet sich da auch die Formulierung:

„Es werden nur die Fahrzeuge gewertet, die aus eigener Kraft die Ziellinie überquert haben.“

Offen bleibt: Wann? - Im Falle des Rennens am 17. Mai: Nach 20 oder nach 18 Runden? -

Felix Baumgartner war dieses Mal übrigens auch wieder „zum Üben“ für das 24-Stunden-Rennen unterwegs...

 

...dürfte trotz einer guten fahrerischen Leistung auf dem Werks-Audi (8:42 min) immer noch um gut 20 ä 25 sec (pro Runde) zu langsam sein. In einem Werks-Audi kann man sich eben nicht „einfach mal fallen lassen“.

Was ich bei meinem Besuch an der Strecke noch lustig fand...

 

...ist so ein Schild. Wenn man die Preise an den Tanksäulen gesehen hat, weiß man allerdings nicht, wer mehr Grund hat zu flüchten.

Aber Tatsache ist, dass auch heute noch der Spruch Gültigkeit hat, der schon bei der Eröffnung der Nordschleife Gültigkeit hatte:

 

Keine Gültigkeit hat allerdings die Aufschrift auf einem Absperr-Balken mehr, der u.a. zu verkünden scheint...

...dass hier noch eine Nürburgring Automotive GmbH irgendwelche Anweisungen gibt. Aber hier oben in der Eifel konnte wohl jeder schon immer das machen was er wollte. Da könnte man eine ganze Reihe von Namen anführen.

Aber besser: Man vergisst sie!

MK/Wilhelm Hahne
Durchschnitt: 4.9 (bei 37 Bewertungen)

Kategorie: 

+ Hinweis für Leser – nicht nur an einem Abonnement Interessierte! +

 

Lieber Leser,

 

Motor-KRITIK ist vollkommen werbefrei, aber – darum – auch ein wenig abhängig von seinen Lesern. - Oder anders: Von Einnahmen. - Nicht alle Leser mögen sich gleich für ein Abo entscheiden.

Wenn Sie ab und an mal auf diesen Seiten vorbei schauen und Ihnen der hier gebotene investigative Journalismus gefällt, dann machen sie doch einfach ihre Zustimmung durch eine kleine Spende deutlich. - Auch kleine Beträge können – per Saldo – eine große Hilfe und Unterstützung sein!

Meine Kontendaten – auch wenn Sie Abonnent werden wollen - finden Sie HIER.

 

Danke!