Ringkämpfer? - Maulheld? - Plaudertasche?

Es bedurfte einer Pressemitteilung der Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH vom 17. Juni 2014 um Motor-KRITIK das Wissen zu vermitteln, dass Dr. Robertino Wild der „Hauptgesellschafter des Nürburgrings“ sei. Dass er das mal werden will, war bekannt. Dank zickig-zackiger Manöver bei Politik und Insolvenz-Verwalter hatte sich der Düsseldorfer Stratege auch ohne volle Taschen am 11. März 2014 durch einen ferngesteuerten Gläubigerausschuss in die richtige Position bringen lassen. Und nutzt jetzt schon alle sich ihm bietenden Wettbewerbsvorteile, um allen Mitbewerbern um die Gunst von Kunden, die am Angebot einer Rennstrecke interessiert sind, „ein Näs'chen zu drehen“. Er lässt u.a. Bernie Ecclestone als Chef der Formula One Group darstellen und gibt vor, in den kommenden fünf Jahren den „Großen Preis von Deutschland“ am Nürburgring ausfahren zu lassen. Dieser Titel gehört ihm zwar nicht, und es gibt auch mit der Formula One Group keinen Vertrag, es gehört ihm auch der Nürburgring noch nicht, und auch die EU hat den Basis-Deal noch nicht abgenickt, und eigentlich fehlt Robertino Wild auch noch ein wenig Geld, so dass die Fragen auftauchen:

Ringkämpfer? - Maulheld? - Plaudertasche?

Robertino Wild hat mit Bernie Ecclestone gesprochen. - Nein, es gibt nichts Schriftliches. Aber für den PR-Mann von Capricorn, Pietro Nuvoloni, ist klar:

„Damit ist eine dauerhafte Bindung der Formel 1 am Nürburgring möglich und in greifbarer Nähe.“

So einfach ist das nach einem relativ kurzen Gespräch.

„Beabsichtigt ist eine dauerhafte Partnerschaft über die fünf Jahre hinaus.“

Aber in den folgenden Jahren (2015/2017) gibt es noch einen Vertrag mit Hockenheim. Dort hat man wirklich etwas Schriftliches in der Hand. Und man braucht auch die Formel 1, weil man in den letzten Jahren damit immer deutliche Verluste gemacht hat. - Allerdings weniger als am Nürburgring. - Warum wohl?

Robertino Wild beginnt am Nürburgring – anders als Hockenheim - bei Null. Alle Schulden der Vergangenheit gehen zu Lasten des Landes. Auch die durch die Formel 1 entstandenen. Dadurch ergibt sich wie selbstverständlich ein Wettbewerbsvorteil für den neuen Käufer des Nürburgrings, wenn dessen Kaufvertrag ohne jede Einschränkung durchgewinkt werden sollte.

Das könnte für Ärger sorgen, weil die EU-Kommission mit einer solchen Entscheidung einen Rennstreckenbetreiber wie Hockenheim, hier z.B. bezogen auf die Formel 1, glatt benachteiligen würde. - Sie würde damit gegen die Gesetze verstoßen, die sie selbst geschaffen hat und überwacht. - Sagt man in Brüssel. - Nun muss man es beweisen!

Aber das ist ja nicht die einzige Möglichkeit, die sich einem neuen Besitzer des Nürburgrings bietet, weil er die Rennstrecke ohne jede Belastung übernimmt. Und das in einer Kombination mit Hotels, Catering, Feriendorf und Rennstrecken, deren Boxen auch Loungen tragen.

Aktuell bietet da die Nürburgring Betreibergesellschaft mbH z.B. an:

Paket "Premium" (begrenzt auf max. 3 Partner)

Inklusivleistungen:

Werbeanlage Kategorie 1 ganzjährig, z. B. Boxenmauer, Kurve T5a/b (TV-relevant, permanente Präsenz ausgenommen F1, DTM und Superbike-WM).

Permanente VIP-Lounge Boxengebäude (85 m², max. 80 Personen, inkl. Nebenkosten und Streckensignal, exkl. Catering & Tickets).

Nutzung Grand-Prix Strecke an einem Tag pro Vertragsjahr.1)

Anwartschaftsrecht Streckenanmietung Nordschleife (1 Tag pro Vertragsjahr).

2) € 40.000 Eventbudget zur Durchführung ihrer Firmenkundenveranstaltung.

3) Einlösbar auf Nürburgring-Eigenleistungen, z.B. Räume, Flächen, Catering, Nürburgring Driving Academy.

Nutzung Partnerlogo "premium".

30% Rabatt auf Markenlizenzen, Nutzung Film-/Fotomaterial und Marketingkooperationen, inkl. etwaiger Kosten der Rennstreckennutzung

4). Ausstellungs- und Präsentationsfläche (temporär wechselnd, nach vorheriger Abstimmung in Paddock-Shop, ring°werk, ring°boulevard o.ä.).

Preis: € 170.000,00

Wenn wirklich Capricorn mit Hilfe der EU hier am Nürburgring „an die Macht kommen sollte“, wird ein entsprechendes Angebot kaum anders, aber wahrscheinlich „noch besser, umfassender“ aussehen.

Heute schon gäbe es z.B. für Frau Eveline Lemke in ihrem Wirtschaftsministerium jede Menge zu tun, wenn ein solches Angebot öffentlich wird. - Und das oben Gezeigte ist öffentlich. Verantwortlich bei der Nürburgring Betreibergesellschaft mbH ist dafür

Denis Steffens, Sales & Key Account-Manager.

Das oben gezeigte Angebot ist von jedem Interessenten auf den Internetseiten der genannten GmbH einzusehen.

Hier wird – meint Motor-KRITIK - eklatant gegen Kartellrecht verstoßen. Und das Landeskartellamt ist nun mal im Wirtschaftsministerium bei Frau Lemke angesiedelt, wo man sich im Fall Nürburgring bisher immer um Entscheidungen gedrückt hat. - Wegen des Koalitionsvertrags? - Übrigens: Es gibt ein deutsches und ein europäisches Kartellrecht! - Auch Brüssel ist hier gefragt!

Zur Lounge gibt es lt. Angebot die Rennstrecke an einem Tag, ein Eventbudget, einen Rabatt auf die Rennstreckennutzung und Ausstellungs- und Präsentationsflächen. - Wie hätten Sie's denn gerne?

Wie kann da ein privater Mitbewerber mithalten? - Zumal die Auswüchse unter der Führung einer capricorn NÜRBURGRING GmbH sicherlich anwachsen würden. Da wäre z.B. eine „Kombination“ mit dem jetzigen „Lindner-Hotel“ möglich. - Oder mit dem Feriendorf. - Weil Brüssel nicht die Rennstrecken alleine verkaufen wollte?

Man muss das auch einmal mit den Augen der europäischen Rennstrecken-Konkurrenz sehen. - Hallo Brüssel! - Bitte aufwachen!

Obwohl die gerade angelaufene PR-Aktion um die Formel 1-Rennen am Nürburgring in den nächsten Jahren eine Menge „heiße Luft“ enthält, wie die „Wirtschaftswoche“ richtig feststellt, sollte man doch jetzt schon in Brüssel bedenken, welchen wettbewerbsmäßigen Vorteil der als Käufer vom Gläubigerausschuss akzeptierte Robertino Wild mitbringt, wenn er z.B. keinerlei Schulden aus dem F1-Geschäft der vergangenen Jahre mit übernehmen muss.

Hockenheim ist da in einer schlechteren Situation, hat nicht die Möglichkeiten, die ein Robertino Wild nutzen kann. - Andere europäische Rennstrecken übrigens auch nicht.

Liegen bis jetzt bei der EU in Brüssel einige Beschwerden von „benachteiligten“ Bietern vor, die sich auf die Art der Abwicklung des Bieterverfahrens beziehen, so würde sich sicherlich nach dem Durchwinken des Vertrages von Capricorn durch die EU-Kommission schon bald ein weiterer Beschwerdeführer – nämlich die Betreiber der Rennstrecke von Hockenheim – in Brüssel melden, da sich schon aus der Darstellung im KPMG-Teaser (Seite 2) ein wettbewerbsmäßiger Vorteil für Capricorn mit der Rennstrecke Nürburgring gegenüber Hockenheim ergibt.

Dort ist zu lesen:

„Die Transaktion soll als Asset Deal struktruriert werden. Alle Finanzierungs- und Drittverbindlichkeiten sollen bei den insolventen Gesellschaften verbleiben. Die Transaktion erlaubt somit einen Neustart auf Basis einer bereinigten Bilanz.“

Damit hat Capricorn einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Hockenheim (u.a.), wenn man das einmal in Richtung Formel 1-Grand-Prix überprüft.

Und Capricorn plant weiter. Man lässt geschickt durchsickern, dass es im Umfeld des 24-Stunden-Rennens 2015 auf dem Nürburgring einen FIA WTCC-Lauf, einen Weltmeisterschaftslauf von Renntourenwagen auf der Nürburgring Nordschleife geben soll. - Aber es gibt noch keinen Vertrag für den Veranstalter des 24-Stunden-Rennens! - Man muss bei Capricorn (nach dem „Rock am Ring“-Debakel) Crash-Situationen derzeit meiden, für gute Nachrichten vom Nürburgring in der Öffentlichkeit sorgen.

Auch hier – in Sachen WTCC - verhandelt man offensichtlich auf Formel 1-Niveau. - PR-trächtig so, dass sich positive Schlagzeilen ergeben, die den Motorsport-Laien sehr beeindrucken. - Und der Fachmann wundert sich!

Die übersichtlichste und klarste Darstellung des Falles Formel 1 am Nürburgring ab 2015 wurde bisher von der „Wirtschaftswoche“ geschrieben – nachdem man - journalistisch korrekt - recherchiert hatte! - Das unterscheidet diesen Bericht deutlich von anderen, von denen man als kundiger Leser den Eindruck gewinnen muss, dass hier „Medienpartner“ von Capricorn Stimmung zu machen versuchen. - Einfach peinlich!

Aber auch schon mit diesem relativ kurzen Anreißen der Themen hier in Motor-KRITIK wird klar, dass Capricorn offenbar wegen des Niveaus, mit dem man in Mainz bisher schon gerne sympathisierte, auch dieses Mal die Zustimmung der dort verantwortlichen Politiker fand.

Das politische Mainz hat im Fall Nürburgring bisher noch nie gewusst was man tat, weil es an Übersicht und Weitsicht fehlte. Man hat auch noch nicht begriffen was man getan hat, indem man Capricorn als Käufer akzeptierte. - Man begreift nicht, was man damit einer ganzen Region antut.

Aber darauf kommt es wahrscheinlich auch nicht an. - Man wollte – man will - sich bei der Landesregierung in Mainz des Nürburgrings entledigen. - Koste es, was es wolle.

Leider kostet das nicht nur Geld, sondern der Nürburgring verliert auch ein Stück seines Mythos, wird zum „Genuss im Stil der neuen Zeit“. Für dynamische Macher. - Die ihrerseits wieder über die bodenständigen, soliden – aber aus der Sicht eines Düsseldorfer Geschäftsmannes – eben naiven kleinen Handwerker in der Eifel lächeln.

So erledigen sich dann die Fragezeichen im Titel zum Teil von selbst.

MK/Wilhelm Hahne
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