Ein Rennen über 86.400,000 sec

Man kennt es unter der Bezeichnung 24-Stunden-Rennen seit Anfang der 70er Jahre. Aber was ist seit dem noch so, wie es damals war? - So hat sich auch das 24-Stunden-Rennen gewandelt. Von einer Langstreckensport-Veranstaltung hat es sich zu einem Marketing-Event verändert. Entsprechend haben sich die Ansprüche verschoben. Nicht verändert hat sich aber in der Realität, dass ein Rennen über 24 Stunden seine eigenen Gesetze hat. Da nutzt auch die Einführung der „Balance of Performance“ wenig, weil man durch die innige Verbindung von Mensch und Maschine bei einem solchen Rennen nicht alle Parameter unter Kontrolle hat. Und so gewann z.B. in diesem Jahr nicht die Premium-Marke BMW, wie Motor-KRITIK aufgrund der Beobachtungen auf dem Weg zu diesem Rennen vorausgesagt hatte. Es wäre auch peinlich geworden. Aber auch so gab es interessante Beobachtungen zu machen. - Es ist nämlich kein 24-Stunden-Rennen mehr, sondern...

Ein Rennen über 86.400,000 sec

Am Ende siegte ein Audi mit einem Vorsprung von 179,737 sec vor einem Mercedes; ein „Phoenix“ vor einem „Reissdorf Alkoholfrei“. - Woraus sich schon ergibt: Der Audi war praktisch ein Werkswagen, hinter seinem Einsatz stand Audi in Ingolstadt, der Mercedes-Einsatz wurde – im Wesentlichen - durch einen Sponsor finanziert.

Der „Erfinder“ des 24-Stunden-Rennens, Otto-Paul Rutat ist längst tot, Kurt Bosch, „damals“ ein bekannter Rennleiter beim ADAC Gau Nordrhein, auch. Der hatte seinen Sport-Referenten, Willy Knupp, beauftragt, sich der Umsetzung anzunehmen. Willy ist auch tot. - Selbst das 24-Stunden-Rennen wäre längst gestorben, hätte es nicht durch Menschen immer wieder eine Belebung erfahren, die sich auch aus Veränderungen ergab.

Nun scheint der Höhepunkt einer solchen Langstreckenveranstaltung nicht nur erreicht, sondern überschritten. Ich habe es versucht mit dem Titel zu dieser Geschichte auszudrücken. 24 Stunden sind nicht nur ein Tag, sondern ließen sich bei früheren Rennen dieser Art auch noch in Minuten rechnen. Wer Minuten durch einen kleinen Defekt verlor, lag nicht aussichtslos zurück. Da waren auch noch keine Standzeiten reglementiert. Es wurde bei einem solchen Rennen zwar nicht im Team entschieden - nur einer hatte das Sagen – aber die Entscheidung fiel oft durch die Teamarbeit.

Bezeichnend ist, dass es bei 24-Stunden-Rennen in einem bestimmten Team einen Mann gab, der durch herausragendes Wissen um die Örtlichkeiten, die Wege und die Zugänglichgkeit von Streckenabschnitten glänzte und darum von diesem Team – nur für das 24-Stunden-Rennen – verpflichtet wurde. Wenn ein Fahrzeug „draußen“ liegenblieb, konnte man so Minuten sparen und trotzdem noch um den Sieg mitkämpfen.

In diesem Jahr wurde dieser Mann nicht mehr gebraucht. Wer irgendwann in diesem Rennen „rund um die Uhr“ Minuten verlor, der hatte schon verloren. Ein Fahrzeug, das „draußen“ liegenblieb, um das brauchte sich niemand mehr zu kümmern. Es war in jedem Fall ein Verlierer-Fahrzeug. - In diesem Jahr ging es um Sekunden. - Und Marketing-Abteilungen bei Herstellern fordern Siege. Zweite Plätze werden gerade noch akzeptiert. Statt einem dritten Platz, fährt man als Werksfahrer heute lieber einen Totalschaden. Die Kosten interessieren nicht. - Es geht um Sekunden.

Und Euro. - Denn aus einer „Breitensport“-Veranstaltung, wie sie sich aus einer Idee des Otto-Paul Rutat Anfang der 70er Jahre entwickelte, ist längst ein Premium-Event geworden. Reichten früher ein paar Flaschen Wasser, etwas Kartoffelsalat und ein paar Würstchen um ein Einsatz-Team über das Rennwochenende kommen zu lassen, so müssen heute Caterer Gourmets bedienen. Industriefirmen machen ihre Gäste durch besondere Angebote – auch „Servicepunkte“ direkt an der Strecke – auf sich aufmerksam.

Und wofür man früher ein paar Monate sparte, um sich den Einsatz eines Tourenwagens beim 24-Stunden-Rennen erlauben zu können, das erfordert heute mehr als einen Kleinkredit. Selbst in den kostengünstigen (das sagt man so) Cup-Klassen, kostet der Einsatz bei einem solchen 24-Stunden-Rennen heute so viel, wie man schon für das Einsatzfahrzeug bezahlt hat: Gut fünfstellig. - Was dazu führt, dass sich bei den meisten Einsatzfahrzeugen vier Fahrer die Kosten teilen müssen. Oft noch unterstützt durch Sponsoren.

Das führt wieder zu anderen Extremen. Im den Ergebnislisten taucht in diesem Jahr z.B. ein Fahrer auf, dem die Kosten einfach zu hoch waren und der sie nicht mit dem decken konnte, was „Leihfahrer“ zu zahlen bereit waren. Folglich ist er zwar angetreten, hat aber seine Fahrt nach wenigen Runden beendet. - Es galt zu sparen. - ??? - Gekommen war er nur der Statistik wegen. Inzwischen hat er so oft an dieser Veranstaltung teilgenommen, dass man ihn auch im nächsten Jahr – der Statistik wegen – wohl wieder am Start sehen wird.

Was eigentlich zeigt: Die Veranstaltung ist an ihre Grenzen gestoßen. Nicht nur was die Kosten, auch, was die Zusammensetzung mit Fahrzeugen der unterschiedlichen Kategorien betrifft. Der Geschwindigkeitsunterschied ist gewaltig. Nicht nur auf der Geraden, sondern auch – und gerade – in den Kurven. Dafür sorgt die Aerodynamik. Und wenn dann nach einer solchen Kurve plötzlich durch einen Unfall eine 60-km/h-Zone entstanden ist: Dann gibt’s halt schon mal einen Auffahrunfall oder es werden Teilnehmer abgeräumt. - Ein Teilnehmer erzählt:

„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie das heute ist. Früher kam die „Spitze“ - das war meistens ein einzelnes Fahrzeug - du hast es im Rückspiegel gesehen, deinen Blinker gesetzt, die Ideallinie frei gemacht. Dann hattest du wieder Zeit „deine Linie“ zu fahren, bis der nächste „Schnelle“ auftauchte. - Heute, durch die „BoP“ (Balance of Performance) besteht die „Spitze“ oft aus fünf Fahrzeugen, die sich in irrer Fahrt, nur durch Zehntelsekunden getrennt, deinem Fahrzeug nähern. Das kannst du eigentlich gar nicht mehr machen, sondern nur noch auf deiner Linie bleiben. Und den Kopf einziehen. Und wenn du Glück hast, sind die Schnellen dann rechts und links an dir „vorbei geflogen“. Der eine rechts, der anders links, wobei der Fünfte vielleicht noch versucht, das „Zucken im Gasfuß“ des Vierten für ein Überholmanöver zu nutzen. Wenn du dann da im Weg steht: Man räumt dich ab.“

Diese Aussage ist nicht erfunden, sondern wurde von einem Fahrer gemacht, der mich seit Jahrzehnten kennt und weiß, dass ich über Erfahrung bei Langstreckenrennen verfüge, aber eben mehr solchen, die in der Vergangenheit liefen. - Und da weiß ich dann auch, dass die „BoP“ die Unfallgefahr vergrößert, dass ein „Standzeiten-Reglement“ in der Boxengasse den Langstreckensport verfälscht und dass FIA-Zäune nur für praxisfremde Träumer eine Sicherheit bieten. Besonders dann, wenn sie so aufgestellt sind, wie an der Nürburgring-Nordschleife.

Sicherheit bei einem 24-Stunden-Rennen beginnt mit der Festsetzung des Termins. Für 2015 hat der Veranstalter ein mögliches Rennen (weil es noch keine Verträge gibt) für den Zeitraum vom 14. - 17 Mai 2015 blockieren lassen. Es war in diesem Jahr wohl nur Zufall, dass es um den Zeitpunkt des „längsten Tages im Jahr“, dem 21. Juni, stattfand. Genauso war es von den „Erfindern“ geplant, die ich alle gekannt habe und mit denen ich „damals“ das Thema – ein Sicherheitsthema! - diskutiert habe.

Ein aktueller „Fachmann“, Carsten Schumacher, im Fernsehen als Geschäftsführer der „capricorn NÜRBURGRING G.m.b.H.“ benannt, aber auch Geschäftsführer der Nürburgring Betriebsgesellschaft m.b.H. („morgen“ dann schon wieder auf einem anderen Gebiet tätig) sagte gegenüber dem SWR zum nächstjährigen Rennen vor laufender Kamera:

„Wir sind im Moment dabei über den Vertrag 2015 zu sprechen. Ich kann also bestätigen: Das Rennen wird stattfinden, 2015. - Und darüber hinaus.“

Was diesen Mann dazu veranlasst solche Aussagen zu machen ist Motor-KRITIK unbekannt. Tatsächlich haben zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Verhandlungen stattgefunden, die auch wirtschaftliche Eckdaten betreffen . Es gibt also auch noch keinen unterzeichneten Vertrag. -

Die Rechte für die Veranstaltung liegen übrigens beim ADAC Nordrhein in Köln, jemand anders dürfte – und könnte auch – diese Veranstaltung gar nicht durchführen.

Ich konnte klären: Tatsächlich soll – wenn man sich denn vertraglich einigt – in 2015 dann auch ein Weltmeisterschaftslauf, die WTCC, im Rahmen des 24-Stunden-Rennens, auf der Nürburgring-Nordschleife ablaufen. Die Nordschleife hat eine FIA-Streckenzulassung bis 2016. - Ob noch durch die FIA dafür irgendwelche zusätzlichen Auflagen gemacht werden, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.

Soviel zur – oberflächlich betrachtet – Zukunft des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring.

Nun noch ein paar kleine Notizen zur diesjährigen Veranstaltung:

BMW sah den Zieleinlauf und die Gründe dafür so:

„Die 24 Stunden auf dem Nürburgring (DE) haben für die BMW Sports Trophy Teams in diesem Jahr kein glückliches Ende genommen. Trotz starker Vorstellungen und zwischenzeitlicher Führung reichte es bei der 42. Auflage des Langstreckenklassikers vor insgesamt 205.000 Zuschauern nicht zu einem Podestplatz. Das BMW Sports Trophy Team Schubert kämpfte im BMW Z4 GT3 mit der Startnummer 20 bis zwei Stunden vor Schluss in einem faszinierenden Dreikampf mit einem Audi und einem Mercedes um den Sieg. Dann fielen Claudia Hürtgen (DE), Dominik Baumann (AT), Jens Klingmann (DE) und DTM-Pilot Martin Tomczyk (DE) jedoch wegen einer verbogenen Spurstange, die bei einem längeren Reparaturstopp gewechselt werden musste, zurück und sahen nach 157 Runden schließlich als Sechste die Zielflagge.“

Vor Ort erlebt, habe ich das so notiert: Claudia Hürtgen war gleich nach dem Start von einem BMW-Kollegen „umgedreht worden“ und zurückgefallen. Im Rennverlauf fielen dann aber die schnellen Kollegen aus und die Start-Nummer 20 lag wenige Stunden vor Schluss nur gut 40 sec hinter dem späteren Sieger. Dann handelte sich Tomczyk eine Zeitstrafe ein, nachdem er einen Porsche Cayman in die Leitplanken befördert hatte. Claudia Hürtgen übertrieb es dann bei der folgenden Aufholjagd ein wenig, hatte einen Hochgeschwindigkeitsdreher, bei dem beim Anschlagen des Vorderrades an die Curbs die Spurstange verbogen wurde. Das Auswechseln ließ das Team mit der Startnummer 20 dann auf Platz 6 zurückfallen.

Aber so etwas schreibt man heute nicht mehr in Pressemitteilungen. Man lässt einen BMW 235i Racing auch nicht unbedingt in einer BMW 235i Racing-Cup-Klasse starten, sondern meldet ihn in der Klasse SP 8T, wo dieser BMW, überwiegend mit Journalisten besetzt, dann das einzige Fahrzeug ist und so zu einem Klassensieg kommt. - Wir werden sicherlich noch davon hören.

Wäre das Fahrzeug in der Cup-Klasse mitgefahren, wäre man Siebter geworden. Keine schlechte Platzierung. Im Gesamtklassement reichte es immerhin zu Platz 53. Das bestplatzierte 235i Racing-Cup-Fahrzeug kam auf Gesamtplatz 30 ein.

Audi hat einem Red Bull-Star, Felix Baumgartner, (der Mann der aus dem Himmel fiel) durch Gestellung eines exelenten Fahrer-Trios (Biela, Kaffer, Werner) auch zu einer öffentlichkeitswirksamen Platzierung mit Platz 9 im Gesamtklassement verholfen. Natürlich war von der Besatzung in der Startnummer 502 der Felix nicht der Schnellste, aber immerhin hat er das Auto ganz gelassen und war für einen Rennfahrer-„Neuling“ auch zügig unterwegs. Nachts hat er vernüfntigerweise den Profis das Steuer überlassen.

An einem solchen fahrerischen Beispiel kann auch aufgezeigt werden, wie sinnvoll eine „BoP“ ist. Was dann von McLaren am Beispiel Reifen vorgeführt wurde. Natürlich war man sich bei Dörr/McLaren darüber klar, nicht über die ganzen 24-Stunden vorne fahren zu können. Also hat man ein „Feuerwerk“ beim Qualifying und beim Rennen abgebrannt. Mit Spezialreifen von Pirelli, die aber nur maximal sieben Runden auf der Nordschleife zu nutzen waren. - Aber die Zeit von 8:10 min muss auch erst mal gefahren werden. - Es war eine kurze, aber gute Vorstellung, eine prächtige PR für einen relativ neuen Super-Sportwagen.

Für neue Leser von Motor-KRITIK: am 19. Mai hatte ich auf diesen Seiten schon mal notiert, was aus meiner Sicht im Hinblick auf kommende 24-Stunden-Rennen (genauso wie VLN-Läufe) geändert werden müsste (Wenn Sie's noch mal lesen wollen: Hier klicken!)

Die in der BMW-Pressemitteilung genannten 205.000 Zuschauer des Rennens wurden übrigens in anderen Darstellung relativiert, indem man darauf aufmerksam machte, dass die an vier Tagen gezählt wurden. - Damit Sie selbst – wenn Sie nicht „vor Ort“ waren – einen Eindruck von der Veranstaltung erhalten, zeige ich mal nachfolgend keine „Rennfotos“ sonder mehr solche, die einen Eindruck von der Gesamtveranstaltung vermitteln können:

Zunächst einen Blick auf die Nürburg...

...und einen der BMW-Prachtbauten für deren Gäste, sowie eine leere „T13“, die – zumindest mir – immer wieder Rätsel aufgibt, weil das Bauamt von einem Gerücht um „Baufälligkeit“ nichts weiß, auch keine Unterlagen darüber vorliegen hat und weil nach meiner Kenntnis ein letztes Gutachten ergab, dass sichtbar gewordene Risse „nur ein Schönheitsfehler“ seien. - Konkret – und offiziell – sagt niemand etwas zu dem Thema.

Dann mal ein Blick auf die Startvorbereitungen...





...und auf die Zuschauer im Start-Zielbereich...


...und dem direkten Umfeld, z.B. …


...beim Blick hinüber in Richtung „Hatzenbach“.

Im Pressezentrum arbeiteten die Kollegen...



...an ihren Berichten, während „draußen“ dann die ersten Blessuren...


...beseitigt wurden. Wenn es ging. Das hier...


...ging nicht mehr. Dieser Audi, von Basseng gefahren, hatte im Bereich „Tiergarten“ einen Abflug, der (von mir eingeschätzt), einen Reifenschaden als Ursache hatte. - Wie heißt es dann so schön, wenn man nachfragt: „Wir müssen das Ergebnis der Untersuchungen abwarten.“

Da ist sicherlich...


...ein Fahrrad zuverlässiger. Auch wenn es nicht das modernste und schon gar nicht ein E-Fahrrad ist.

Im Fahrerlager waren die Boxen sehr schön gekennzeichnet...


...es war relativ ruhig...

 

...aber es gab viel Müll.

In Box 19 konnte man nicht nur einen Blick auf die Kommandozelle von „Audi race experience“...


...werfen, sondern auch einen Blick auf den Red Bull-Star Felix Baumgartner,


...oder sich...

 

...mit ihm fotografieren lassen. - Und dieser Besucher – am Samstag fotografiert -


...wartete sicherlich schon auf den Anstoß Deutschland gegen Ghana.


Und Motor-KRITIK dann auf die Veranstaltung in 2015. - Ob sich etwas ändern wird?

Aber zunächst ist mal Fußball-WM!

MK/Wilhelm Hahne
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