Was Rover für BMW, ist der TT für Audi: Verlustbringer in Mark und bei der Marke

Fehler sind dazu da um korrigiert zu werden. Möglichst im richtigen Moment und auf die richtige Art. BMW hat diesen Punkt bei Rover verpasst und zahlt nun das, was man Lehrgeld nennt. Und die Familie Quandt leidet, weil so, von Rover beeinflusst - über den niedrigen Aktienkurs - ihr Vermögen minimiert wird. Aber man wird darum nicht Hunger leiden. Was bei BMW passiert, stört wohl noch mehr die kleinen Aktionäre. Aber es geht hier nicht ums Leben. Das ist im Falle des Audi TT anders. Da geht es durch Fehler in der Konzeption, der Planung und Entwicklung "um Kopf und Kragen" von Menschen. Noch deutlicher: es geht um Leben. Und da hört jeder Spass auf. Selbst bei einem Spass-Auto, wie es der TT eigentlich sein sollte. Er hätte es auch werden können. Nun wird er zum Desaster für Audi. Und das Audi-Management sieht ratlos zu und argumentiert dumm und hilflos.

Audi TT: "Der mit dem Heck tanzt"

00-01-23/02. Der Audi TT befindet sich in einem Argumentationskreislauf, der ohne Ende ist. Audi sagt: "Der TT entspricht dem Stand der Technik." Und wird vom KBA, dem Kraftfahrtbundesamt gestützt, wo man sagt: "Die geplante Umrüstung des Herstellers wird seitens des KBA als Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit gewertet."

Das KBA kann schließlich nicht zugeben, dass man ein Automobil, das inzwischen von vielen seiner Besitzer als "gefährlich" empfunden wird, für den Einsatz im Straßenverkehr freigegeben hat. Und so stützt die Aussage des einen die Aussage des anderen.

Aber Audi teilt den Besitzern der bisherigen Version (ohne ESP, Spoiler und Fahrwermodifikation) lt. KBA immerhin mit, "dass das Fahrverhalten des Audi TT in bestimmten Grenzsituationen als problematisch empfunden werden kann" und Audi spricht "die Empfehlung einer vernunftbetonten und der Verkehrssituation angepaßten Fahrweise" aus. - Eigentlich schon ein Eingeständnis.

Das konnten Sie in Motor-KRITIK alles schon Mitte November 1999 lesen. Auch meine Meinung, das wir "so oder so - noch einige Male über den TT, seine Probleme und die Probleme die Audi-Mitarbeiter damit bekamen, zu berichten" haben werden. ("Haftpflicht und Kasko zahlen alles") - Und es ist so gekommen.

Leider gab es nach Erscheinen dieser Geschichte weitere Tote mit dem Audi TT. Aber wer trägt Schuld? - Es wird schwer sein, in jedem dieser Fälle dem Audi TT die eigentliche Ursache für die Todesfahrt nachzuweisen. Aber wie die gerade jetzt über die Bildschirme gelaufenen Testversuche von "Auto-Bild"-Redakteuren zeigen, bleibt ein Audi TT, wenn man das ESP abschaltet, auch dann noch gefährlich, wenn sonst alle neuen Modifikationen eingeflossen sind. Was eigentlich kein Wunder ist. Ich habe es in meiner November-Geschichte erläutert, möchte meine damaligen Anmerkungen aber noch in Details ergänzen.

Ganz klar ist:

Eigentlich ist unverständlich, dass so ein Fahrzeug alle Abnahmen, alle Überprüfungen im Laufe seiner Entwicklung durchlaufen konnte, ohne dass seine grundsätzlichen Fehler auffielen. Ich habe diesen Punkt einmal in den letzten Wochen - soweit mir das möglich war - überprüft und feststellen müssen, dass es schon intern Stimmen gab, die vor dem TT in seiner jetzigen Form gewarnt haben. Es müßten in den internen Protokollen mindestens drei "Gegenstimmen" zu finden sein. Außerdem weiß ich von einem "frei" beschäftigten Tester, dass er vor Auslieferung des Fahrzeuges die jetzt entstandene Situation klar vorhersagte. Das hatte Folgen: er wurde nach seinen kritischen Anmerkungen nie mehr beschäftigt.

Die drei "Gegenstimmen" von "damals" wurden - so hörte ich aus Ingolstadt - jetzt eindeutig zum Schweigen verurteilt.

Hat eigentlich Ferdinand Piech, der schon mal bei irgendeiner Gelegenheit sagte, dass er jedes Fahrzeug seines Konzerns aus persönlichem Fahrerleben kenne, den Audi TT niemals gefahren? - Oder vielleicht nur den Fronttriebler, der sich schon vom "quattro" unterscheidet. Der "quattro" ist der "giftigere". Piech sollte ihn jetzt einmal fahren, sich die Protokolle aus der Fahrwerkentwicklung vorlegen lassen und klare Entscheidungen treffen.

Es geht nicht, dass man nun z.B. die Rückkaufwünsche (eine Wandlung würde das Eingeständnis der Fehlerhaftigkeit beinhalten!) der Kunden  in der Entscheidung dem jeweiligen Händler überlässt. Der wird häufig gegen den Kunden - eben zu seinen Gunsten - entscheiden. Denn: Was soll der Händler mit so einem Audi TT machen?

Und aus der Sicht des Werkes ist die "Wandlungsaktion" (nennen wir sie einmal so) inzwischen abgeschlossen. Alles was jetzt auf diesem Sektor passiert, geht zu Lasten des Händlers.

Natürlich ist die Rechtssituation klar. Der Händler ist der Vertragspartner des Kunden. Und darum... - Ich kenne diese Werks-Argumentation aus eigener Erfahrung zu Genüge. Es gibt da nur eine Möglichkeit für den Händler: dem Werk so ein Auto zur Verfügung stellen. Um dann evtl. - jetzt im Falle des Audi TT - über den Händlerverband einen Prozess mit Audi zu führen. Den sich Audi nicht leisten kann.

Audi kann sich dieses Desaster überhaupt nicht leisten. Es wirft die Marke um viele Jahre zurück, macht die glänzenden "Ringe" matt, macht Kratzer ins gerade mühsam aufgebaute Image. Aber welche Entscheidung man auch fällt - Geld oder Image? - , sie wird Geld kosten. Aus meiner Sicht: ganz gleich, wie und wann (!) man sich entscheidet: Diese TT-Affäre wird Audi insgesamt so zwischen 3 und 4 Milliarden DM kosten. Ich weiss, dass das 4.000 Millionen wären. Je schneller man eine - scheinbar viel Geld kostende - Entscheidung trifft, umso kleiner wird der Gesamtschaden (einschl. Imageverlust, der sich auf den Verkauf insgesamt auswirkt) ausfallen.

Aber Dr. Paefgen, der sich auch schon mal vorstellen konnte, ein Piech-Nachfolger zu sein, kann so eine Entscheidung wohl nicht treffen. Sonst hätte er sie schon getroffen. Und damit hat er sich disqualifiziert. Prof. Heissing, Leiter der Fahrwerkentwicklung, den ich eigentlich bisher für einen so guten Autofahrer hielt, dass er in der Lage gewesen wäre, die Fahrwerkqualitäten eines TT richtig einschätzen zu können, hat sich mit seiner Entscheidung (aus welchen Gründen auch immer) für die gewählte Art der Auslegung und Abstimmung auch disqualifiziert.

Aber gehen wir noch einmal in die konstruktiven Details des Audi TT:

Über die Balance brauchen wir wohl nicht mehr zu sprechen. Sie stimmt nicht. Schon im statischen Zustand. Und es wäre geradezu ein Witz, wenn sich nun beim Spoilereinbau (der ab Mitte Februar beginnen soll) unsere Information aus Ingolstadt bestätigen sollte, die ich bei meiner Recherche zu dieser Geschichte einsammeln konnte, dass dieser Spoiler (der eigentlich mehr eine Abrisskante ist) so um acht Kilogramm wiegen wird.

Wäre das so, wäre das gleichzeitig ein Eingeständnis dafür, dass man auch bei Audi die Balance (immer noch) für verbesserungbedürftig hält. Trotz der bereits verbauten Zusatzgewichte. (Die man als "Schwingungstilger" argumentiert.)

Warum man keinen richtigen Flügel, in der richtigen (Anström-) Höhe einbaut, dafür kann ich eine Erklärung finden. 1) Man könnte so einen Flügel niemals so weit hinten und mit einem Gewicht, die nun die gewählte Abrisskante auf die Wage bringt, konstruieren. 2) Ein richtiger Flügel würde den cw-Wert evtl. so weit verschlechtern, dass auch die im Prospekt angegebene Höchstgeschwindigkeit deutlich verfehlt wird. Damit hätten dann alle Kunden einen Grund zur Wandlung.

Also wählt man diesen "Spoiler", der eigentlich kein richtiger ist, aber genügt, um die Strömung so zu beeinflussen, dass der Auftrieb gemindert wird.

Wie entsteht eigentlich dieser Auftrieb? - Der Audi TT ist geradezu ein klassisches Beispiel. Überall runde Formen, wo die Strömung gut anliegt. Dann eine - im Verhältnis zur Grundfläche - wesentlich größere Karosserieoberfläche. Die Strömung muß hier deutlich "schneller" sein als am Unterboden. Und warum fliegt ein Flugzeug? - Das liegt am Flügelprofil, das dafür sorgt, dass oben die Strömungsgeschwindigkeit deutlich höher ist als unter dem Flügel, schon weil die zurückgelegte Entfernung klar unterschiedlich ist.

Nun betrachten Sie sich einmal unter diesem Aspekt den Audi TT. Verstehen Sie jetzt, dass die Hinterachse des TT bei über 200 km/h praktisch fliegt. Der Audi TT ist wirklich ein Automobil, das unter diesen Umständen "mit dem Heck tanzt", wie in einer Anmoderation zu einem Fernsehbericht gesagt wurde.

Wie es sich auf die Fahrleistungen auswirkt, wenn man einen "richtigen Flügel" montieren würde, möchte ich an einem Porsche-Beispiel erklären: der neue Porsche GT 3 hat am Heck einen richtigen Flügel. Aber das gleiche Fahrzeug hatte beim Rennen in Le Mans 1999 einen deutlich größeren Flügel (praktisch den des GT 2) der, würde man ihn auf einen Serien-GT 3 montieren, dessen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h absenken. Aber Porsche verbaute diesen Flügel, weil es in der Rennpraxis nicht unbedingt auf die "Spitze" eines Rennfahrzeugs ankommt, sondern darauf, wie sich seine Motor- und Bremsleistung in Fahrleistung umsetzen lassen. Und so, wie für Le Mans entschieden, in bessere.

Da aber Straßensportwagen - wie auch der Audi TT einer sein soll - eigentlich mehr nach den Prospektangaben Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung von Null auf 100 km/h gekauft werden, hatte man beim TT auf ein nicht unbedingt schmückendes Spoiler- und Flügelwerk verzichtet. So wie er war, war der TT einfach schön, wirkte wie eine starke Persönlichkeit. Entweder war man von im begeistert oder man mochte ihn nicht. Aber es gab mehr Begeisterte.

Umso größer ist nun die Enttäuschung, weil das Fahrverhalten nicht hält, was die Optik, dieser Ausdruck einer starken Persönlichkeit versprachen. Der Audi TT ist ein Blender. Er ist nicht ein funktionaler Sportwagen geworden, sondern nur einer, der so aussieht. Man kann mit ihm gut vor einem Café parken, aber nicht so gut, sehr schnell und sicher eine Rennstrecke umrunden. Eigentlich kann der nun überarbeitete TT nun gar nichts mehr. Er ist nicht mehr schön und sportwagenmäßig fahren läßt er sich immer noch nicht. Wie sollte er das auch? - Mit ESP?

Was könnte man eigentlich noch machen, wollte man den TT am Leben erhalten? - Man könnte den Radstand in der Art verlängern, dass man praktisch die Vorderachse weiter (noch weiter?) nach vorne verschiebt, um den Motor weiter hin zur Mitte zu bekommen. Und man müsste... - Aber, verdammt noch mal, warum merken  die Audi-Leute erst jetzt, dass das Konzept nicht stimmte?

Und man hat nicht gemerkt, dass die Art des gewählten Allradantriebs erst recht nicht zu dieser falschen konstruktiven Anlage des TT passt.

Die Audi TT-Karre ist verfahren und Ferdinand Piech als Konzernchef täte gut daran, nun die Notbremse zu ziehen. Denn der Audi TT ist tot. So oder so. Und wer das nicht begriffen hat, der wird weitere Tote in Kauf nehmen (müssen!). Und jeder Tote ist einer zuviel.

Audi wollte auf dem Sportwagensektor eine Rolle spielen. Und tut das jetzt auch. Mit einem Sportwagenbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

MK/Wilhelm Hahne

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