Bei Ford in Köln sind eigentlich einige dringenden Entscheidungen mehr als überfällig

Es war Konrad Adenauer, der im schönsten rheinischen Slang bei jeder Gelegenheit zu sagen pflegte: "Die Lage war noch nie so ernst." - Das passte eigentlich immer. Das würde aber jetzt zur Situation bei Ford in Köln besonders gut passen. Motor-KRITIK hatte eigentlich erwartet, dass sich zum 3. Februar die Nebel ein wenig lichten würden. Bei der richtigen Entscheidung - so dachte ich - würde das so wirken, als erscheine aus der Düsternis eines unschönen Tages eine Lichtgestalt. Die erscheint nicht nur, sondern gibt auch Ziele vor, trifft Entscheidungen, macht auf Ford und seine Produkte aufmerksam, begeistert und motiviert nicht nur die Händler, sondern sorgt auch dafür, dass es wieder Kontakte zur Öffentlichkeit gibt, dass Ford Signale sendet, die die Öffentlichkeit - die möglichen Kunden - wieder für Ford-Produkte interessiert. Das bedarf aber auch einer Standortbestimmung, einer Anpassung in Planung und Organisation. Eigentlich - so wurde mir beim Nachdenken klar:

Ford in Köln braucht schnellstens eine "Lichtgestalt"

00-02-11/05. Ford-Chef Jacques Nasser war in Köln. Praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wer seinen Arbeitsrythmus kennt, der wundert sich nicht, dass er wohl übersehen hatte, dass zum angesagten Besuchtermin, 29./30. Januar, gerade ein Wochenende war. Es war Samstag und Sonntag. Aber Motor-KRITIK ist keiner der von Nasser zu seinen Gesprächen geladenen Ford-Manager bekannt geworden, der die anstrengenden Gespräche mit dem Ford Big-Boss unter Hinweis auf das Wochenende ("Am Wochenende gehört der Papi mir!") abgelehnt hätte.

Natürlich wurde darüber gesprochen, wie man Kosten einsparen könne. Natürlich wurde die ausgesprochen miserable Situation der Kölner Ford-Werke diskutiert. Aber in der Hauptsache ging es darum, einen Ausweg aus dem derzeitigen Dilemma zu finden. Allen war eigentlich klar: Der neue Fiesta muss schnellstens her. Das ist auch Nasser klar.

Im Vergleich zum Fiesta ist ein Ford Focus Cabrio rein von der möglichen Stückzahl her praktisch ohne Bedeutung. Und so wurde dieses Cabrio erst mal mit einer Handbewegung vom Tisch gefegt. Wer wird sich mit einem Löffelchen Kaviar beschäftigen, der dem Verhungern nahe ist. Da sind Brot, viel Brot - und vielleicht ein wenig Butter wichtiger.

Das mit der Butter war eigentlich klar: der neue Mondeo wird auf dem Pariser Salon zu sehen sein, seine Auslieferung wird im Dezember dieses Jahres anlaufen. Und er hat - verdammt noch mal - ein Geschäft zu werden. Auch bei diesem Modell wäre man beinahe ins Stolpern gekommen. Die letzten kosmetischen Operationen am Design wurden im Februar des letzten Jahres vorgenommen. Auch wenn alle Ford-Manager - nach draußen - vom Focus so begeistert sind: seine Linie wird sich in den wirklich neuen Modellen kaum wiederfinden. Beim Mondeo gab es bis Februar aber - nach Ansicht des neuen Ford-Chefdesigner -  noch zu starke Anklänge an die Linie des Focus. Das wurde geändert.

"Jetzt ähnelt er dafür eigentlich zu stark dem VW Passat", meint ein Ford-Händler. Aber der verkauft sich jedenfalls besser als der jetzige Mondeo. Und auch der Verkauf des Focus ist inzwischen eingebrochen. Also war die Entscheidung, die "Focus-Linie" nicht weiterlaufen zu lassen, schon eine richtige Entscheidung. Die aber auch dazu führte, dass Presswerkzeuge für den neuen Mondeo erst sehr spät bestellt werden konnten.

Nasser wußte natürlich um diese ganzen Abläufe. Und er will nicht noch einmal so ein Theater erleben, wenn er jetzt versucht, den Produktionsbeginn des neuen Ford Fiesta vorzuziehen. Also verlangte er von den Verantwortlichen bei Ford an diesem letzten Januar-Wochenende feste Zusagen, feste Termine, die nicht mehr verschoben werden sollten. - Oder es rollen Köpfe.

Und so kam es an diesem Wochenende noch nicht zu einem Abschluss der Diskussion über einen vorgezogenen Produktionsbeginn des neuen Fiesta. Der betrifft die Entwicklungsabteilung, die Produktionsvorbereitung, da müssen Aus- und Umbauten vorgenommen werden, da kostet ein Nichtfunktionieren Millionen, Millionen, und abermals Millionen.

Keiner der Kölner Ford-Manager hat an diesem Wochenende Herrn Nasser darauf aufmerksam gemacht, dass eigentlich er es war, der ("damals") als Europachef die Einstellung der Entwicklung eines neuen Fiesta verfügte, damit auch vielstellige Millionesummen einsparte, was seinen Ruf als Kostensenker mit untermauerte, seinen Aufstieg an die Firmenspitze beschleunigte.

Selbst als oberster Firmenchef in Detroit profitierte er noch 1999 von seinen damaligen Entscheidungen, weil er - durch die gewaltigen Einsparungen in Köln - nun in Detroit einen gewaltigen Gewinn ausweisen konnte. Aber der ging zu Lasten von Marktanteilen in Deutschland und Europa und zu Lasten der Ford-Werke Köln AG.

Niemand hat das Jacques Nasser gesagt. Schließlich soll man nach vorne blicken und nicht nach Begründungen für Versagen suchen. Ein Chef versagt nie. - Also, vorwärts Kameraden!

Aber die Kölner Manager mochten den Terminvorschlägen für den Produktionsbeginn von Jacques Nasser nicht zustimmen, ohne noch einmal alles exakt überprüft, auch mit Zulieferern abgestimmt zu haben. Und so wurde die Entscheidung über den Produktionsbeginn auf März/April verschoben. - Was Nasser nicht recht war.

Denn eigentlich war vorgesehen, dass - wäre die Fiesta-Etnscheidung am letzten Januar-Wochenende gefallen - dann in einer Aufsichtsratssitzung am 3. Februar eine Reihe von weiteren wichtigen Entscheidungen zu treffen. - Und die fielen jetzt nicht, sondern vielleicht jetzt erst gegen Mitte des Jahres, dann nämlich, wenn die Sache mit dem Fiesta in trockenen Tüchern ist.

Die Situation ist folgende: Ford Köln hat noch niemals so schlecht ausgesehen wie im Moment. Das ist nicht unbedingt die Schuld der jetzigen Kölner Führungs-Crew (s.o.), aber natürlich werden die nachlassenden Marktanteile, die ganze marode Situation, nun diesem Führungs-Gremium angelastet werden.

Es wird tatsächlich auch in Köln hohe, sehr hohe Verluste für 1999 zu vermelden geben, die man in dieser Höhe aber dann nicht ausweisen wird. Es gibt immer noch ein paar legale Möglichkeiten, die Bilanzen ein wenig zu schönen. Und so wird man offiziell wohl einen Verlust für das Geschäftsjahr 1999 verkünden, der irgendwo zwischen 500 und 600 Millionen DM liegen wird.

Eigentlich hätte die PR-Dame des Haus, Öffentlichkeitsvorstand Frau Dr. Wegerhoff, die Öffentlichkeit auf die Katastrophe einstimmen sollen, denn allen leitenden Mitarbeitern in Köln war schon viele Monate vor dem Jahresende 1999 klar, was am als Ergebnis herauskommen würde: nicht Gutes. Aber Frau Dr. Wegerhoff tat solche Hinweise mit einer Handbewegung ab. Sie habe alles unter Kontrolle. Mit den Journalisten komme sie schon zurecht. Schließlich war sie nach meinen Notizen bisher mit Herrn Ostmann ("ams") zweimal zum Essen, mit Herrn Felske ("Auto-Bild") und Herrn Wiechmann ("Auto-Zeitung") je einmal. Die Dame ist eben der Auffassung so mancher Industrie-Bosse, dass ein nettes Essen und ein netter persönlicher Zuspruch genügen, um eine "gute Stimmung" zu erzeugen, in der sich auch Negativ-Meldungen in Positiv-Ergebnisse verwandeln lassen.- Und mit Journalisten die anders (eben wie Journalisten) reagieren, da spricht sie am liebsten erst gar nicht.

Da nichts vorbereitet ist, muss jetzt "die Verlustmeldung des Jahres 1999" praktisch aus dem Stand unters Volk gebracht werden. Das wird sicherlich zur Abschiedsvorstellung der Dame Wegerhoff werden, deren Vertrag im Oktober ausläuft. Aber inzwischen nimmt sie schon mal einen Tag frei, "weil meine Tante Geburtstag hat", was darauf schließen lässt, dass sie sich inzwischen über ihre Situation im klaren ist.

Denn eigentlich hätten schon am 3. Februar vom Aufsichtsrat wichtige Personalentscheidungen verkündet werden sollen. Wäre mit Nasser die Fiestaplanung abgeschlossen worden, hätte man sicherlich einen neuen Ford Vorstandsvorsitzenden ausrufen können. Mit der Argumentation, dass Rolf Zimmermann, bisher in Köln der Boss, durch die Konzentration auf die Produtkionsvorbereitung des neuen Fiesta... -

Vielleicht hätte man auch eine Doppelspitze installiert, indem man neben Zimmermann einen zweiten Mann installiert hätte. Aber das wäre aus meiner Sicht - mal wieder - die falsche Lösung.

Es ist schon richtig Herrn Zimmerman zu schonen, weil der wirklich nicht die jetzige Situation verantwortet; es ist auch richtig, ihn nicht zu vergraulen, weil er ein hervorragender Produktiosnmann ist, aber nur mit Rücksichten kommt man nun in Köln nicht weiter. Die Situation in Köln verlangt nach einer klaren Entscheidung. Und die kann aus meiner Sicht nur lauten:

Neuer Ford-Vorstandsvorsitzender wird Bernhard Mattes, der jetzige Vertriebsvorstand.

Kurz vor Jahresende gab es eine große Ford-Händlertagung in Düsseldorf. Nach Distrikten geordnet reisten die Ford-Händler zwischen Donnerstag und Sonntag an. Ford-Vertriebsvorstand Mattes hatte diese Tagung praktisch als Motivationsveranstaltung angelegt und machte - unter diesem Gesichtspunkt - persönlich einen hervorragenden Job.

Ich habe danach mit einer Reihe von Ford-Händlern die aktuelle Situation diskutiert und sie auch nach ihren Eindrücken zu Personen befragt. Mattes wurde mir da übereinstimmend als der einzige Mann beschrieben, "der die Karre noch aus dem Dreck ziehen kann". Mattes ist jemand, der keiner unangnehmen Diskusiion aus dem Wege geht. Mattes geht auf Leute zu, weicht Problemen nicht aus, versucht sie zu beseitigen. Mattes ist es auch der erkannt hat, dass Ford auf der Ebene zunächst wieder eine Basis schaffen muss, die man als Automobilkäufer eigentlich Ford zuordnet: die Ebene des preisgüsntigen, guten, technisch zuverlässigen Automobils, ohne viel Schnick-Schnack.

Und so wird er den Focus fast unauffällig mit seinem Einstiegsmodell auf eine andere preisliche Ebene bringen, wird wieder preislich zwischen Limousine und Kombi-Version unterscheiden, wird die Händlerorganisation nicht in der Weise aufmischen, wie das angedacht war. (Das Thema "Wirtschaftsraum" ist vom Tisch.) Man kann nicht gegen die Handelsorganisation Automobile unters Volk bringen. Das geht nur miteinander, füreinander. Man muss als Firmenchef etwas vom Vertrieb und seinen Gesetzmäßigkeiten verstehen, wenn man nun bei Ford neu durchstarten will. Mattes erfüllt alle diese Anforderungen.

Für mich ist es keine Frage: Bernhard Mattes ist die Lichtgestalt, die das Unternehmen Ford Köln sehr schnell an der Spitze braucht. Und das bitte nicht für zwei oder drei, sondern mindestens für 6 - 8 Jahre. Über mittelfristige Lösungen hinaus, muss der neue Vorstandsvorsitzende ein Langzeitprogramm, eine Langzeitpolitik entwickeln. - Entwickeln können!

Sparen wird Nasser in Köln aber kurzfristig an anderer Stelle. Es ist zu erwarten, dass die Anzahl der Vorstände um 2 - 3 abgebaut werden. Der Nachfolger von Frau Dr. Wegerhoff wird sicher nicht mehr Vorstandsrang haben, andere auch nicht. Was nicht deren Funktion beeinträchtigt, sondern nur deren Bezüge. - Ford muss sparen. - Dieses Mal an der richtigen Stelle. - Und maßvoll.

Nasser müsste nun eigentlich auch begriffen haben, dass Sparen allein Ford Köln nicht weiter bringt.

MK/Wilhelm Hahne
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