Wie die VW-Öffentlichkeitsarbeit auf eine Rickelmann/Schmitt-Geschichte im "stern" reagiert

Wenn vor der VW-Hauptversammlung eine Vorabmeldung mit kritischen Anmerkungen zu einer angeblich verfehlten Modellpolitik des Konzerns und seiner Macher erscheint, dann auch deswegen, weil die eigentliche Ausgabe des "stern" erst nach der Hauptversammlung erschienen wäre. Wenn man dann als jemand, der die elegante Art einer Themenaufbereitung eines Herrn Rickelmann schon mal "live" erlebt hat, sich mit den Details beschäftigt, dann kann man sicherlich - lebt und arbeitet man seit Jahrzehnten in der Automobilbranche - so manche Frage selbst beantworten. Aber was sagt eigentlich VW zu den Vorwürfen? - Welche Antworten gibt man dort auf konkrete Fragen? - Und so gibt es einen Brief von mir zum "stern"-Thema an Prof. Dr. Kocks. - Das der mir nicht persönlich antworten würde, wusste ich vorher. - Aber lassen Sie mich hier nicht zu viel verraten, sondern lesen einfach meine Geschichte.

Die halbierte Aktie

00-06-10/08. Nachdem ich die Geschichte im Heft vor mir liegen hatte, habe ich naütrlich zunächst einmal nach der Autorenzeile geschaut. Man kennt schließlich seine Pappenheimer. Aha, Rickelmann! - Und auch Schmitt. - Und natürlich bleibe ich gleich beim letzten Satz der Geschichte hängen, die sich auf Bernd Pischetsrieder bezieht. Er wird da als ein Mann geschildert der sich gegenüber Herrn von Kuenheim lange nicht traute, "die Möbel auszutauschen".

Solche Darstellungen sind genial, weil sie eigentlich nichts sagen, aber genug Stoff  für gedankliche Entwicklungen beim Leser bieten. Am Schluss solcher Überlegungen könnte sich dann z.B. ein Leser fragen: Und so eine Memme soll evtl. Chef von VW werden? - Müsste ich zuordnen, ganz subjektiv, würde ich diese Schlussidee zu dieser "stern"-Geschichte Herrn Rickelmann zuordnen.

Der Anfang dagegen würde von der Sachinformation her von mir Herrn Schmitt zugeordnet. - Aber lassen Sie mich jetzt nicht alle Passagen zuordnen, sondern lesen wir einmal in die Geschichte hinein:

Also: Piech ist vom Ehrgeiz zerfressen. Er will sich als einer der genialsten Autobauer verwirklichen. Und eine der bedeutenden Aussagen ist:

"Für das laufende Jahr lagen die Gewinnerwartungen um 1,9 Milliarden Mark hinter der Konzernplanung zurück."
Diese Formulierung ist insofern genial, weil sie durch das "lagen" unangreifbar wird. Wenn es das laufende Jahr betrifft, dann müsste es eigentlich heißen: Für das laufende Jahr  l i e g e n  die Gewinnerwartungen um 1,9 Milliarden Mark hinter der Konzernerwartung zurück. - Wenn VW nun nachweist, dass das nicht der Fall ist... - Aber bei "lagen" gibt es keine Probleme.

Da werden z.B. sinkende Absatzzahlen in diesem Jahr beim VW-Konzern als Beweis für eine verfehlte Modellpolitik angeführt. Aber die gibt es in diesem Jahr in Deutschland bei jedem Automobilhersteller. Und nicht nur VW-Händler gewähren hohe Rabatte. Die kann man auch beim Kauf eines - in der "stern"-Geschichte als positives Beispiel angeführten - 3er BMW (sogar eines mit Dieselmotor!) erlangen. Und wenn dann die Expertenmeinung zitiert wird, nach der "mit einem Van vom Golf ...  die Wolfsburger Stückzahlen" hätten  gutmachen können, dann kommen mir die Tränen. Es handelt sich hier um die Meinung jener "Experten", die hinterher immer alles besser wissen. Haben sie darauf hingewiesen, als es noch keine Beispiele für einen möglichen Erfolg einer solchen Kategorie gab?

Oder das Team Rickelmann/Schmitt wirft Herrn Piech vor "immer mehr Ingenieursleistungen außer Haus" zu geben und nennen als Beispiel den Achtzylinder-Turbodieselmotor und den für 2002 geplanten VW-Geländewagen.

Weiß das Autorenteam wer AVL ist? - Hat man einmal geschaut, wieviel Zweigstellen diese Firma an welchen Stellen in Deutschland hat? - Warum wohl?

Ich könnte jetzt das Beispiel ergänzen. Denn ich weiß z.B., wo der Zwölfzylinder-Rennmotor auf dem Prüfstand läuft, wo der 18-Zylinder, aber auch der Zwölfzylinder für den Bentley entwickelt wird. Aber zum Teil handelt es sich hier um "Kontrollaufträge", wo man überprüft, ob in der eigenen Entwicklungsabteilung etwas übersehen wurde.

Aber nehmen wir doch einmal das Beispiel Opel, dass vom "stern"-Autoren-Team als mit dem Zafira so vorbildlich agierend geschildert wurde.

Die Entwicklung des Zafira erfolgte komplett bei Porsche, einschl. der Vorserie. Die geniale Sitz-Versteckkonstruktion stammt von einem Zulieferer. Der neue Spider kommt von Lotus. Der neue Agila von Suzuki. Der Frontera ist ein Isuzu. Der neue Transporter ein Renault. - Damit verglichen ist ein VW doch noch ein VW - oder, Herr Rickelmann?

Dass die Aktie sich seit Januar 1998 halbiert hat ist eine Tatsache. Aber man schaue sich doch einmal andere renomierte Auto-.Aktien an. Solange eine Aktie ein Spielball selbsternannter Autoanalysten ist, solange der größte Teil der Aktienkäufer eigentlich noch in einen "Börsen-Kindergarten" gehört, wird sich daran wenig ändern. - Aus meiner Sicht (aber ich bein kein Experte) gehört die VW-Aktie zu den unterbewerteten Aktien.

Aber noch einmal ein paar Worte zu den Vorwürfen des "stern"-Autoren-Teams: "Ferdinand Piech hat sich bei seinem Versuch, in die automobile Luxusklasse vorzustoßen, übernommen." - Und man zählt die "Prestigeobjekte" Rolls Royce, Bentley und Bugatti auf. Solche Automobile sind imageträchtig. Deren hohe Kaufpreise resultieren nicht unbedingt aus den realen reinen Baukosten, sondern auch aus der Umlage der Entwicklungskosten auf kleine Stückzahlen. Und was sind denn Roadster und Coupés? - Das Autorenteam wirft Piech vor: "Imageträchige Roadster und Coupés fehlen ganz". Macht man als VW damit Stückzahlen?

Eigentlich glaube ich, dass man Herrn Piech ruhig die Führung der Marke VW überlassen kann. Er sieht viele Dinge besser und richtiger, als das durch die "stern"-Autoren möglich ist. Er sieht sicherlich seine VW-Modellpalette im Zusammenhang mit Audi, Seat, Skoda und Lamborghini, dessen Namen in der "stern"-Geschichte ganz fehlt. Dabei hätte man dazu noch ein paar Negativsätze anbringen können.

Da in der Presse nach dieser "stern"-Geschichte schon das Gerücht die Runde machte, dass nun der "stern" Anzeigenaufträge von VW verlieren könnte - und mich auch so eine offizielle VW-Meinung interessierte - habe ich am 23. Mai (dem Tag der VW-HV), Herrn Prof. Dr. Kocks ein Fax mit folgendem Text geschickt:
 

"Betr: 'stern' Nr. 21, Seiten 226-227, 'Vom Ehrgeiz zerfressen'
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Kocks,

die o.g. Rickelmann-Geschichte wirkt auf mich ein wenig konstruiert. An einigen Stellen wäre der Firmenname austauschbar. Wie ist das mit den Fakten?

A)    Liegen die Gewinnerwartungen bei VW um 1,9 Milliarden DM hinter der Konzernplanung zurück?
B)    Wenn VW mit der Kernmarke im Inland einen Schwund um 7,3% hinnehmen mußte, wie sieht das bei
        der direkten 'deutschen' Konkurrenz aus?
C)    Empfinden Sie mental bei der 'stern'-Geschichte einen Zusammenhang mit der Prozeßeröffnung gegen Lopez
        in Detroit?
D)    GM nutzte zur Zeit der Lopez-Affäre die Rickelmann/SPIEGEL-Schiene, Sie die des 'stern'. Ist jetzt - nach
        dem Rickelmann-Frontenwechsel - mit einer Umkehrung zu rechnen?
E)    In der Branche geht das Gerücht um, VW habe Anzeigenaufträge für den 'stern' in Höhe von 12 Mio DM
        gesperrt. Stimmt das?
F)    Um Zahlen in der Rickelmann-Geschichte relativieren zu können: Welchen Umsatz registrierte man 1999 in
        der Portokasse des VW-Konzerns?

Einfache Fragen, bei denen ich sicherlich auf eine schnelle Antwort hoffen darf. Meine Fax-Nr.: 02656-8282.

Herzliche Grüße aus der Eifel,

gez. Wilhelm Hahne"

Die Antworten ließen schon ein paar Tage auf sich warten und reduzierten sich - sicherlich nach reiflicher Überlegung - auf einen einzigen, langen Satz. Der erreichte mich per Fax am 29. Mai; Absender war Volkswagen Kommunikation, Team Konzernkommunikation, und ich konnte dann lesen:
"Sehr geehrter Herr Hahne,

im Auftrag von Herrn Dr. Kocks darf ich Ihnen versichern, daß Zweifel an der prinzpiellen publizistischen Integrität von Richard Rickelmann und Jörg Schmitt bei uns nicht betehen - einen Zusammenhang zu General Motors erkennen wir auch nicht: Trotzdem war die Gewinnwarnung der Stern-Vorabmeldung sachlich falsch und gezielt vor unsere Hauptversammlung gesetzt.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Volkswagen Kommunikation
Team Konzernkommunikation

gez. Matthias Stenzel"

Um die Gedanken der Leser von Motor-KRITIK ein wenig zu befeuern, möchte ich jetzt nur noch daran erinnern, dass sich Prof. Dr. Kocks und Richard Rickelmann gut kennen. Aus der Zeit, wo Herr Rickelmann im SPIEGEL-Büro Düsseldorf Dienst tat und Dr. Kocks bei der "Ruhrgas" in Essen anzutreffen war. Und der Chef der "Ruhrgas" war Aufsichtsratschef bei VW und - jetzt müssten Sie sich eigentlich noch einmal die 'stern'-Geschichte durchlesen.

Klar, dass Prof. Dr. Klaus Kocks da nicht meine Fragen Stück für Stück beantworten wollte. - Man muss auch an die Zukunft denken.

Nun bin ich auf die nächste Rickelmann-Geschichte im 'stern' gespannt. - So spannend kann Lesen sein.

MK/Wilhelm Hahne

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