Mit BMW statt Mercedes mehr Freude am Fahren?

Können Sie sich vorstellen, daß Mercedes seinen Kunden die Möglichkeit gibt, auf Mercedes-Kosten einen BMW, ein Fahrzeug der Konkurrenz ausgiebig zu testen? - Können Sie sich vorstellen, daß man als Käufer einer A-Klasse zur Zeit durchaus die Möglichkeit hat auf Mercedes-Kosten einen 5er BMW, einen Sechszylinder, ausgiebig zu fahren? - Das funktioniert! - Lesen Sie die folgende Geschichte.

Frohes Fest für A-Klasse-Käufer

97-12-21/01. Daimler-Benz hat scheinbar das schon lange angekündigte neue Mobilitätskonzept ungewollt im Rahmen der Aktionen um das A-Klasse-Desaster umgesetzt. Aber anders, als es von Mercedes angedacht war.

Mercedes-Chef Jürgen Hubbert hatte den A-Klasse-Käufern die es wollten, die leihweise Überlassung eines Mercedes-Leihwagens der C-Klasse bis zur Lieferung der neuen Version der A-Klasse (mit Fahrwerkänderungen und ESP) Ende Februar 1998 zugesagt. Auch diese Zusage kam wohl etwas vorschnell, wie überhaupt das Krisenmanagement des Jürgen Hubbert - rückwirkend betrachtet - nicht den Eindruck macht, als wären seinen Worten und Versprechungen analytische Überlegungen vorhergegangen.

Er versprach Ende Oktober den A-Klasse-Kunden die kostenlose Nachrüstung von ESP und verneinte die Frage, ob nicht auch eine Fahrwerknachbesserung erforderlich wäre. Aber die wurde dann doch gemacht. Es wurden sogar deutlicheVeränderungen vorgenommen. Und Hubbert sagte dann den A-Klasse-Frühkäufern einen C-Klasse-Ersatzwagen zu, ohne offensichtlich alle Für und Wider geprüft zu haben. - Wie unser Beispiel beweist:

Alexander Z. (Name der Redaktion bekannt) hatte am 11. November 1997 seinen Mercedes A-Klasse 1,4 übernommen. Aber er und seine Frau waren bald der vielen Witze überdrüssig, die alle Welt bei ihrem Auftauchen mit dem "Seitenkipper" machten. Und so baten sie Mercedes darum, auch ihnen gegenüber die Zusage des Herrn Hubbert zu erfüllen. Zunächst war das leider nicht möglich, weil so nicht von Herrn Hubber gedacht, wie man beim Mercedes-Händler argumentierte. Doch unter Einschaltung der Firmenzentrale wurde dann das Versprechen des Mercedes-Chefs eingehalten.

Und Alexander war zunächst eine Reihe von Tagen mit dem Sixt-Leihwagen der Mercedes C-Klasse, einem C 180, unterwegs. Radio, Klimaanlage, D-Netz-Telefon. Da gab es keine Reklamationen. Bis Herr Z.gGeschäftlich nach Italien mußte. Gegenüber einem Freund: "Mensch, ich muß morgen dringen nach Italien. Und da sehe ich gerade in dem Leihvertrag, den Mercedes mit Sixt hat..." -

Um es kurz zu machen: mit einem Sixt-Mercedes darf man nicht nach Italien einreisen. In einer Sixt - "Information zur Diebstahlverhütung" ist klar ausgewiesen, daß Italien das Land ist, von dem Sixt sagt: "Einreise verboten für Mercedes-Fahrzeuge".

Und Herr Z. ruft bei Sixt an. Als Besitzer einer Mercedes A-Klasse, praktisch als Mercedes-Geschädigter, wird er doch sicher von einer solchen Beschränkung nicht betroffen sein. Mercedes wird diesen Punkt doch sicherlich mit Sixt vor der offiziellen Ankündigung der Leihwagen-Aktion abgeklärt haben. Da gibt es dann sicher einen kurzen handschriftlichen Vermerk, einen Stempel, eine Unterschrift - und alle Aufregung war umsonst. Und Herr Z. telefoniert: Nein, die Einreisebeschränkung für Italien gilt auch für A-Klasse-Besitzer. Nein, es gibt hier mit Mercedes keine Sondervereinbarung. Nein, Herr Z. darf mit dem C- Klasse-Mercedes nicht nach Italien. - Basta!

Und nun? - Sixt bietet ihm als Ersatzwagen für die Reise nach Italien einen VW-Polo an. Herr Z. ist dem Infarkt nahe. Ihm, einem Mercedes-Fan und Mercedes A-Klasse-Besitzer (inzwischen hat er übrigens auch noch einen SLK bestellt) wird ein Volkswagen angeboten... - Unglaublich!

Und Herr Z. telefoniert und telefoniert. Mit Sixt. Und dort sieht man dann auch ein, daß man hier etwas tun muß. Und gegen Abend erreicht ihn dann der erlösende Anruf: "Sie können sich einen Ersatzwagen noch heute abholen." Einen neuen 5er BMW, einen BMW 520. Allerdings ohne Telefon. - Herr Z. atmet tief durch. Immerhin ist er Mercedes-Fan. Aber in der Not... -

Und so fährt Herr Z. seit diesem Zeitpunkt nun einen BMW 520 mit Sechszylindermotor. "Eigentlich bin ich ja geradezu ein BMW-Hasser", erzählt er einem Freund nach den ersten paar hundert Kilometern im BMW, "aber dieser 5er BMW ist schon Extraklasse. Das muß ich ehrlich zugeben." Und er schwärmt vom niedrigen Geräuschniveau des BMW, vom seidig laufenden Reihen-Sechszylindermotor, von der Präzision der Schaltung, von der Spielfreiheit im Antriebsstrang. - "Aber das Radio im Mercedes war besser."

Und Herr Z. glaubt plötzlich sogar seinen Kaufentscheid zum SLK verteidigen zu müssen. "Aber sagt doch mal selber", fragt er Bekannte, "ist der Z 3, verglichen mit dem SLK, optisch nicht eine richtig alte Kiste?" - Und nach einer Pause: "Also, das hätte ich wirklich nicht von BMW gedacht. Der neue 5er ist wirklich ein tolles Auto. Und die Verarbeitung..." -

Seine Freunde lachen Tränen. Da macht Mercedes doch aus einem überzeugten Mercedes-Fan durch unüberlegte Maßnahmen einen begeisterten BMW-Fahrer. Ist das das neue Mobilitätssystem von Mercedes, von dem schon so viel gesprochen wurde? - Toll! - Mercedes A-Klasse 1,4 Liter kaufen, 5er BMW, mit Zweiliter-Sechszylindermotor fahren. Mercedes finanziert seinen A-Klasse Kunden ausgedehnte Probefahrten mit Fahrzeugen der direkten Konkurrenz:

Wenn das Italien-Beispiel von Herrn Z. Schule macht, wird Sixt in den nächsten Wochen bei BMW noch eine größere Stückzahl des 520er Modells nachkaufen müssen. Alexander Z.: "Also ich weiß wirklich nicht, ob ich den Sechszylinder-BMW noch mal gegen einen Vierzylinder-Mercedes umtausche."

Vielleicht sollte man im "bullshit-castle" (Daimler-Chef Schrempp über die Firmenzentrale in Möhringen) zunächst einmal nachdenken, bevor man redet und Versprechungen macht.

Zunächst muß man aber wohl wieder einmal nachbessern: in den Verträgen mit Sixt. Damit die Zahl der BMW-Fans unter den A-Klasse-Fahrern nicht zunimmt.

Alexander fährt derweil "seinen" 5er-BMW noch immer. Obwohl er aus Italien längst zurück ist. Denn: Vielleicht muß er demnächst mal wieder nach Italien. - Aus Freude am Fahren.

MK/Wilhelm Hahne