Kann eine Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG trauern?

Ferry Porsche ist tot. Er wurde 88 Jahre. Und es muß die o. g. AG gewesen sein, die den Nachruf verfaßte, der mich noch am 27. März, dem Todestag, erreichte. Da gibt es eine Liste ("Daten, Zahlen Fakten"), die ab 1950 - Ferry Porsche war da 41 Jahre alt - ihn praktisch nur noch als Statue beschreibt, der nur noch Orden, Ehrenzeichen und Titel entgegennahm. Dieser Mann hat wohl gar nicht richtig gelebt, nichts getan. Zumindest seit seinem 41. Lebensjahr nicht mehr. War er eigentlich überhaupt ein Mensch? - Ich habe da eine eigene Meinung.

Ferry Porsche:
Er hat das vergängliche Theatrum mundi genossen
und an dem festgehalten, was letztlich zählt. Er war ein Mensch.

98-03-30/02. Ich bin Ferry Porsche ein einziges Mal in meinem Leben persönlich begegnet. Das war irgendwann Anfang der 50er Jahre. Es war bei einem Langstreckenrennen am Nürburgring und ich traf auf ihn im Streckenabschnitt "Karussell".

Ich habe danach lange meinen Freunden vorgeschwärmt, was Ferry Porsche für eine tolle Wildlederjacke trug. Und wie selbstverständlich er sich gab. Mit welcher Distanz er das Rennen, "seine" Fahrzeuge beobachtete.

Wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht täuscht, waren damals neben Richard von Frankenberg auch Goetze, Burscheid, und ein Dr. Bernd Spiegel in einem Porsche 356 unterwegs. Natürlich nicht auf Spitzenplätzen im Gesamklassement. Ferry Porsche sprach - trotzt des Lärms - leise, wirkte ruhig ausgeglichen. Ihn hat damals wohl meine Aufgeregtheit amüsiert.

Und ich habe dann später in der Porsche-Verkaufsorganisation gearbeitet, war Porsche-Verkäufer. Und ich habe - da ich immer schon sehr neugierig und an Hintergründen interessiert war - schon mitbekommen, welche Rolle Ferry Porsche z.B. bei der Entscheidung Ende der 50er Jahre spielte, als intern diskutiert wurde, eine viertürige sportliche Limousine zu bauen, weil es exakt jene Gattung war (BMW TI, Giulia Super), die die Käuferschicht der damaligen Porschefahrer tangierte.

Ferry Porsche spielte die Rolle des souveränen Moderators. Mit einer eigenen Meinung. Aber ließ andere auch ihre Meinung äußern. Aber schließlich war - auch in diesem Fall - seine Meinung für die Entscheidung, die schließlich fiel, mit von besonderer Bedeutung: Porsche .wollte auch in nächster Zukunft nur Sportwagen bauen, nicht jedem Trend nachlaufen.

Und Ferry Porsche machte sich ein Bild. Er wußte, daß seine Firma, Porsche, nicht der Mittelpunkt der Welt war. Er sah sich auch selbst nicht so. Und so reiste er in den 50er Jahren mehrfach nach Amerika, besuchte dort alle maßgeblichen Automobilwerke und interessanten Fertigungsstätten, machte sich ein Bild.

Ab dem Zeitpunkt, wo die offizielle Pressemitteilung nichts mehr von der Arbeit und dem Wirken von Ferry Porsche vermittelt, exakt im Januar 1951, übernahm er - nach dem Tode seines Vaters - die Gesamtleitung der Sportwagenfirma. - Das stand wohl nicht im Archiv.

Tatsächlich hat Ferry Porsche Zeit seines Lebens ein wenig im Schatten seines großen Vaters gestanden. Noch heute scheint man bei der AG nicht wahrgenommen zu haben, daß ein Ferry Porsche auch einmal eine wichtige Rolle spielte. Nein, er hat sich nie in den Vordergrund gestellt, immer im Hintergrund gewirkt. Vielleicht, weil er schon durch das Vater-Erlebnis so geprägt war.

Tatsächlich hat Ferry Porsche viel vom Automobilbau gewußt. Aber er hat es intern nicht umsetzen (lassen) können. Alles war - eine viel zu lange Zeit - einfach zu familiär. Da wurden z.B. Mitarbeiter, die sich im Rennsport verdient gemacht hatten in Schlüsselpositionen gehoben, wo sie dann wie eine Sperre wirken mußten, weil sie von dem speziellen Thema, das sie nun verantworteten, viel zu wenig verstanden.

Und wenn man einmal die Produktionsabläufe beobachtet hat und wie die Produktion geplant wurde... - Das ähnlich, wie ich es vor mehr als 30 Jahren auch bei Glas in Dingolfing beobachten konnte, wo z.B. fehlende Räder und Reifen mit einer Schubkarre über den Hof der Produktion zugeführt wurden.

Es gab zwischendurch eben in Zuffenhausen immer andere Probleme zu lösen. Und dann mußte sich Ferry Porsche doch von einem Prof. Fuhrmann trennen. Und es begann eine andere Aera. Und die wechselte noch mal. Und es kam zu einer zu starken Abhängigkeit vom Amerikageschäft. Und, und, und.

Bei Porsche löste man Probleme und schlitterte in neue. Und Ferry Porsche war eine lange Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender dabei. Aber eigentlich muß er da schon begriffen haben, daß das Firmengebilde, das er beaufsichtigte, eigentlich nicht mehr das war, was er sich einmal erträumt hatte. Und es ist ihm immer weiter entglitten, hat sich - unter neuer Leitung - verselbständigt.

Wenn Ferry Porsche in den letzten Tagen seines Lebens noch einmal einen Blick auf die aktuellen Porsche-Aktienkurse geworfen hat, muß ihm klar geworden sein, daß das nicht mehr seine Welt war. Dabei ist das so einfach: die Welt ist irre, die Aktienkurse sind nicht normal.

Aber so ist Ferry Porsche sicherlich der Abschied von dieser Welt leichter gefallen. Sein Name wird sicherlich in den nächsten Jahren noch oft ausgesprochen werden. Aber die Leute werden dabei an seinen Vater denken. Das ist - und war - sein Schicksal. Er war der Träger eines großen Namens. Nur so wurde er von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dabei war er immer mehr.

Aber welcher der heutigen Porsche-Mitarbeiter weiß schon darum? - Und so ist "Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG trauert" nur die logische Schlußzeile zu einem Leben, das gemessen an aktuell gültigen PR-Maßstäben nur in der zweiten Reihe stattfand.

MK/Wilhelm Hahne