Eine Rückerinnerung an "die Beine Ihres Autos" - und wie es heute aussieht

Wer kannte denn den Namen Bridgestone vor 20 Jahren? - Wer würde denn heute noch einen Conti dem Bridgestone vorziehen? - Was ist eigentlich aus Pirelli geworden? - Erinnern Sie sich wenigstens noch an den bekannten Werbespruch? - Nein, eigentlich gibt es heute keine wirklich schlechten Reifen mehr. Aber es gibt Reifen mit mehr und mit weniger Image. - Und es gibt Firmen, die haben versäumt im richtigen Moment ihr Image aufzubauen. Andere haben es getan. Und wurden nicht verstanden.

Beispiel Bridgestone:
Auch heute kann man sich noch Image erarbeiten

98-04-07/03. Der Chronist erinnert sich noch gut, als er an irgendeinem Wochenanfang Ende der 70er Jahre (es könnte 1978 gewesen sein) die Versuchsfahrer des bayrischen TÜVs auf der Nordschleife des Nürburgrings traf. Ich hatte sie mit irgendeinem Testwagen überholt. Dabei steuerten die TÜV´ler einen diesem Testfahrzeug eindeutig überlegenen Wagen: den damals begeisternden Golf GTi.

An Start und Ziel mußten sich die TÜV-Herren da schon ein paar dumme Bemerkungen gefallen lassen. Deren Entschuldigung: "Wir fahren hier einen neuen Reifen. Einen Japaner. So eine Sch.... hast du hier noch nicht gefahren."

Einen Tag später brach der TÜV seine Testfahrten ab. Es war ein Auftrag von Bridgestone, der vom TÜV eine Aussage über die Qualität seiner Reifen, gefahren auf einem der sportlichsten deutschen Großserienwagen erhalten wollte. - Und Mittwochs waren die Fahrer des TÜV darum wieder abgereist.

In der Woche darauf traf ich die TÜV´ler wieder. - "Und was macht Ihr jetzt hier?" - "Bridgestone fahren!" - Ich war sprachlos. "Wieder die gleiche Sch....?" - Und sie erzählten mir - begeistert! - von den tollen Eigenschaften des Reifens. Und noch mehr von dem Wunder an Schnelligkeit.

Man hatte Bridgestone über den Versuchsabbruch in der Vorwoche informiert, die Reifen per Luftfracht nach Japan geschickt. Und fuhr nun - acht Tage nach dem Abbruch - schon eine neue Reifenmischung. "Das ist zu dem Reifen von letzter Woche ein Unterschied wie Tag und Nacht", war das Urteil der Reifenspezialisten aus Deutschlands Süden.

Und ich beschäftigte mich zum ersten Male mit dem Namen. Wie er wohl geschrieben und wie er ausgesprochen wird. So wie diese Japaner arbeiteten, war wohl noch einiges von ihnen zu erwarten. - Aber beim Reifenhandel fand man den Reifen noch nicht.

Wenn ich dann später von Bridgestone hörte, waren es immer Geschichten, die verglichen mit den Aktivitäten der deutschen Reifenindustrie wie aus Tausendundeiner Nacht klangen. Da stieg Bridgestone z.B. in die Formel 3 ein. Zunächst ging´s nicht so gut. Doch dann hörte ich, daß japanische Reifentechniker bei europäischen Rennstrecken - die von der Formel 3 befahren wurden - Fahrbahnproben nahmen. Und man baute praktisch, exakt zu jeder Rennstrecke passend, den passenden Reifen. Und als Formel 3-Fahrer mußte man praktisch Bridgestone-Reifen fahren, um zu gewinnen.

Ich denke daran, daß ich vor Jahr und Tag einmal Gelegenheit hatte, in Vallelunga die damals aktuellen Reifenmarken für einen Porsche - auf einem Porsche 911 - zu fahren. Und ich weiß noch sehr genau, daß ich mit einem Pirelli begann.

"Die Beine Ihres Autos". - Erinnern Sie sich dieser Pirelli-Werbung. Und erinnern Sie sich der Zeit, als auf einen Porsche ein Pirelli gehörte. Ein richtiger Porsche-Fahrer fuhr Pirelli. Nur Pirelli-Reifen hatten das Image, das zu Porsche paßte.

Doch zurück nach Vallelunga: Der Pirelli fuhr sich wunderbar. Der Grenzbereich war sehr weit. Der Reifen kündigte weit vorher, bevor es irgendwie kritisch werden konnte an, daß gleich wohl etwas passieren würde. Man hatte Zeit zu reagieren, selbst der "dümmste" Autofahrer mußte mit diesem Pirelli (auf dem damals schon "giftigen" 911) zurechtkommen.

Ich weiß, daß ich den 911 beim Einbiegen ins Infield durch kräftige Lastwechsel im 2. Gang provozierte. Natürlich kam der 911 dann auf der Hinterhand. Aber kein Problem ihn einzufangen. - Und ich verstand, warum Porschefahrer den Pirelli als "die Beine ihres Autos" bevorzugten.

Und dann fuhr ich den Bridgestone. Und aus exakt dem gleichen 911 war plötzlich ein anderes Auto geworden. Lenkpräziser, agiler. Und man umrundete damit deutlich schneller den Rundkurs von Vallelunga, als mit dem Pirelli. Aber Achtung! - Man mußte schon sehr exakt fahren. Der Grenzbereich war weiter nach oben verschoben, aber auch klar schmaler. Keine Zeit für einen Fahrer, sich für eine Reaktion lange Zeit zu nehmen. Aber so war der Porsche so, wie ich mir einen Porsche (als Sportwagen) vorstellte.

Ich war danach nicht überrascht, daß sich Bridgestone als Reifen auch bei anderen Fabrikaten immer mehr durchsetzte. Gerade bei sportlichen Automobilen. Und bei sportlich eingestellten Fahrern. Ein Bridgestone ist noch ein Reifen der Art, wie man sich eigentlich einen Reifen vorstellt. Wenn schon die Automobile nicht mehr sind, was sie mal waren. Warum gibt es denn heute den Motorradboom? - Weil Autofahren doch nicht mehr (in den meisten Fällen) eine begeisternde und fordernde Tätigkeit ist.

Bridgestone baut die Reifen, die gute Automobile verdienen. Und ich bin nicht überrascht, wenn Bridgestone nun auch für die Formel 1 die Reifen fertigt, die sie der Konkurrenz auf Goodyear überlegen machen. Und für den nächsten Lauf muß Goodyear nun sogar die Reifenbreite der Bridgestone-Reifen (vorne) abkupfern. Was aber nicht alles sein kann.

Und was fährt man heute als Porschefahrer, wenn man "in" sein will? - Bridgestone natürlich! Und als ich in diesen Tagen Mercedes-S-Klasse-Limousinen, "Werkswagen" aus dem Hause Daimler-Benz, nach den verwendeten Reifen untersuchte: Bridgestone.

Japanische Reifen! - Vor 10 Jahren wäre das noch bei Mercedes und z.B. Audi fast unmöglich gewesen. Audi ließ z.B. Bridgestone-Reifen mit der Bezeichnung Firestone versehen (Firestone gehört auch zu Bridgestone) um urdeutsche Kunden nicht zu verprellen.

Inzwischen ist Bridgestone zu einen Begriff geworden. Alle Arbeiten bei Bridgestone werden bestimmt vom Streben nach höchster Qualität. Koste es was es wolle. Der japanische Hersteller verhält sich da so, wie das früher einmal bei Mercedes gehalten wurde. - Doch da ist dieses Ringen um Perfektion beendet, findet sich bestenfalls noch in der Formel 1.

Doch Bridgestone geht diesen Weg weiter. Hat inzwischen ein Image aufgebaut, daß z.B. Conti in -zig Jahren nicht erreichte. Während Bridgestone wie Porsche ist, ist Conti wie Opel.

Und wenn man dann einmal die Stellung der einzelnen Marken im Weltmarkt beobachtet... - Leistung lohnt sich eben doch.

MK/Wilhelm Hahne