Hans Wilhelm Gäb, Opel-Aufsichtsratsvorsitzender, hatte in diesen Wochen gleich zweimal Geburtstag

Man kann so alt werden wie man will. Es gibt immer wieder Überraschungen. Erfreuliche und unerfreuliche. Aber selbst aus den unerfreulichen kann man erfreuliche Dinge lernen. Zum Beispiel: sich des Lebens zu freuen. Oder darüber nachzudenken, ob es nicht auch ein Leben nach dem Berufsleben gibt. Hans Wilhelm Gäb hat im Moment dazu allen Anlaß.

"Retrofit 3000" für Hans Wilhelm Gäb

98-04-28/02. Es gibt keine perfekten Menschen. Da ist eher ein Opel perfekt. Jeder, der ein gewisses Alter erreicht hat, weiß das. Und Hans Wilhelm Gäb, in den Medien oft erwähnter Opel-Aufsichtsratsvorsitzender, hat ein gewisses Alter erreicht. Am 31. März 1998 wurde er 63 Jahre alt. - Nachträglich herzlichen Glückwunsch!

Wir, die wir der Automobilbranche eng verbunden sind wissen natürlich, daß Hans Wilhelm Gäb nicht gerade mehr vor Gesundheit strotzt. Man muß ihn bewundern. Auch nach einer Lebertransplantation - darüber wurde sogar in der BILD-Zeitung berichtet - schonte sich Hans Wilhelm Gäb nicht . Und er klagte und jammerte auch nicht. (Höchstens vor Gericht.)

Der Chronist kennt Hans Wilhelm Gäb lange. Zu lange, wird Hans Wilhelm Gäb finden. Denn ich kenne ihn gut. Zu gut, wird Hans Wilhelm Gäb finden. Nicht nur im Tischtennis-Sport war Hans Wilhelm Gäb ein Kämpfer. Er war es auch im Beruf. Und er hat die wenigen Gelegenheiten zu einem einschneidenden Berufswechsel immer optimal genutzt. Hans Wilhelm Gäb fühlt sich zwar in der Rolle eines Chefs sehr wohl, ist aber eigentlich in der Rolle eines (Geschäfts-) Partners oder Mitarbeiters effektiver, weil sein Talent für Innovationen so der Teamarbeit direkt zugute kommen kann.

Hans Wilhelm Gäb ist ein warmherziger Mensch, aber einer, der sich fast davor fürchtet, seine Sympathie und Zuneigung zu zeigen. Er folgte in seinem Leben oft mehr seinem Kopf als seinem Herzen. Er schätzt zwar ein offenes Wort - aber bitte nicht zu offen. Er war immer damit beschäftigt "ein Schiff" (egal welches) auf Kurs zu halten, war immer Kompromißsucher und Vermittler. Was ihn dabei oft ein wenig behinderte, diese Funktion optimal zu erfüllen, war seine Streitlust. Aber auch, sehr schnell frustriert zu sein.

War sich eigentlich Steffi Graf darüber im Klaren, daß sie ihn mit ihrer Absage der von ihm geplanten Pressekonferenz in New York mehr gekränkt hat (und sich geschadet), weil seine Psyche da besonders empfindlich ist, wenn es um Zurückweisungen geht?

Hans Wilhelm Gäb ist ein interessanter Mensch, der leider durch sein berufliches Umfeld von den Realitäten des normalen Lebens ein wenig entfremdet wurde. Auf seinem beruflichen Level ist das normal. (Nachzulesen im Buch von Daniel Goeudevert.)

Dieser Hans Wilhelm Gäb hat, nachdem er am 31. März 63 Jahre alt wurde, nun am 21. April seinen zweiten Geburtstag in diesem Jahr gefeiert: Er mußte sich in der Frankfurter Universitätsklinik einer umfangreichen Bypass-Operation unterziehen. Es kam - wie Motor-KRITIK erfuhr - alles ganz schnell. Am Wochenende hatte er zum ersten Male echte Herzschmerzen verspürt. Bei einer Wanderung in der Schweiz. Er flog nach Frankfurt. Hier traten sie wieder auf. Eine Untersuchung brachte Klarheit. Und es gab keine Alternative. Hans Wilhelm Gäb mußte unters Messer.

Nun erholt er sich gerade. Eigentlich hätte er jetzt am Dienstag in Paris sein wollen, wo sich alle leitenden Angestellten seiner Firma mal wieder zu einem motivierenden Kongreß (bis einschl. Donnerstag) versammeln. Hans Wilhelm Gäb braucht diese Motivation nicht. Er war immer motiviert.

Ein kleiner, wirklich gut gemeinter Hinweis von einem (Journalisten-) Kollegen: Aufzuhören ist nicht unbedingt die schlechteste Idee. Versprochen: Ich passe weiter bei Opel auf. Auf mich können Sie sich verlassen, lieber Herr Gäb. - Wie Sie wissen.

Und: Gute Besserung!

MK/Wilhelm Hahne