Etwas über Börsenkurse und Aktien: Analysten sind auch nur Menschen

Analysten werden heute bei jeder Gelegenheit zitiert.Es genügt, heute so genannt zu werden, um mit einer eigenen Meinung zitiert zu werden. Zu allem und alles. Auch zu Automobilen, Automobilfirmen, deren Verkaufschancen. Natürlich erst recht zu der Kursentwicklung von Automobil-Aktien an der Börse. Als uns vor Wochen eine besonders interessante Meldung in die Hand fiel - dazu noch aus der FAZ - da haben wir sie zunächst einmal an die Seite gelegt. Denn wenn schon die FAZ-Leser zu den "klugen Köpfen" zählen, wie klug muß dann erst ein FAZ-Redakteur sein, der seiner Meldung am 10. August 1998 folgenden Titel gab:

"BMW-Aktie verkaufen"

98-09-11/02. Da die zu diesem Titel gehörende Meldung in der FAZ nicht lang ist, soll sie hier ganz zitiert werden. Schon um jedwede Verfälschung zu vermeiden. So war also am 10. August in der FAZ zu lesen:

"Die Aktie von BMW zu verkaufen, rät das Bankhaus B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA. Der angemessene Kurs der Aktie liege bei 1 400 DM. Die im Vergleich zu den Wettbewerbern angeblich konservative Bilanzierungspolitik sei eine Legende, heißt es unter anderem in der Begründung. Das bayerische Unternehmen sei gegenwärtig, gemessen am Aktienkurs, der teuerste Automobilhersteller der Welt. Nach Ansicht der Analysten werde BMW in den kommenden Jahren mit keiner attraktiven Neuentwicklung mehr aufwarten können, die Motorradsparte sei zu klein, und auch die Produktion von Flugzeugmotoren werde noch über Jahre unprofitabel bleiben."

Da schluckt man denn ganz kurz, legt sich zurück und denkt nach. Am 14. August, vier Tage nach dieser Meldung, schaltet man dann einmal den Videotext ein, um - abends um 18 Uhr - folgende Aktienkurse interessanter deutscher Automobilherteller zu notieren und zu vergleichen:
 

 

Wieso ist BMW so teuer, wenn der Aktienpreis bei Porsche rund dreimal so hoch ist? - Und warum ist die VW-Aktie so billig? - Wer nichts mit der Börse zu tun hat, muß verwirrt sein. Und die erste Lektion die man lernen muß ist: Nicht alle Aktien haben den gleichen Nennwert.

So haben die BMW- und Porsche-Aktien einen Nennwert von DM 50; die von Daimler und VW jedoch nur von DM 5,00. - Man müßte also zunächst einmal aufgrund dieser Voraussetzungen die Börsenkurse ein wenig relativieren. Und ordnet man die vier ausgesuchten Werte dann nach 5 Mark-Preis, so ergibt sich folgende Reihenfolge:
 

Was ist also an der BMW-Aktie so außergewöhnlich teuer? - Müßte sie billiger sein als die Aktie von VW? - Und ist die Porsche-Aktie zu ihrem jetzigen Wert ein wohlfeiler Kauf? - Man sollte die Analysten vom Bankhaus B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA fragen: Wieso ist BMW, "gemessen am Aktienkurs" gegenwärtig "der teuerste Automobilhersteller der Welt"?

Motor-KRITIK hat nach diesen unbeantworteten Fragen (Was sagt eigentlich die FAZ dazu?) mal wieder am 7. September, also gut drei Wochen nach der oben zitierten Notierung (abends um 18 Uhr) in den Videotext geschaut. Nicht zuletzt durch die politische Entwicklung in Rußland (und was sonst alles bei Aktienkursen eine Rolle spielt) hatten sich die Kurse der oben genannten Firmen um folgenden Prozentsatz nach unten entwickelt:
 

Geht man einmal von der Voraussetzung aus, daß ein Mann (oder eine Frau), die an der Börse spekuliert je 10 dieser Aktien in seinem Besitz hatte, so verlor er in diesen drei Wochen:
  Nicht umsonst spricht man beim Geschäft mit Aktien von Spekulation. Und man hat sich schnell verspekuliert. An der Börse sollte nur "spielen", wer "Spielgeld" hat, also Geld, das er eigentlich für überflüssig hält. Und dann kann er sich auch ruhig auf solche "Wahrsagungen" wie die der Analysten eines doch hoffentlich renommierten Bankhauses (die Redakteure der FAZ werden es wohl kennen) verlassen.

Woher wissen diese Herren eigentlich, daß "BMW in den nächsten Jahren mit keiner attraktiven Neuentwicklung mehr aufwarten" kann? - Was ist aus der Sicht solcher "Bankbeamten" denn eigentlich eine "attraktive Neuentwicklung"? - Offensichtlich sind es High-Tech-Dieselmotoren, die derzeit anderen Dieselmotorenherstellern nur als Vorlage dienen können, die sind es nicht. Und auch ein neuer Rolls Royce, der derzeit in München (!) entsteht, ist es auch nicht. Und ein neuer Ottomotor ohne obenliegenden Nockenwellen (weil er keine mehr braucht!) ist es auch nicht. Und... -

Glaubt man den Herren jenes Bankhauses mit ihrer Behauptung vom "Wert" einer BMW-Aktie, dann müßte doch eine Porsche-Aktie ein wohlfeiler Kauf sein. Weil dort ein Geländewagen zu erwarten ist, irgendwann? - Weil es dort Produktionsschwierigkeiten gibt? - Weil...-

Nun eigentlich, weil der Aktienkäufer, soweit es die Masse der Aktienkäufer betrifft, eigentlich gar nichts von den Märkten versteht, die ihm erst durch seinen Aktienbesitz nahe gebracht werden. Und dann von Analysten erläutert. Die zum Kauf oder Verkauf raten. Weil das Umsätze bringt. Und an denen verdient dann ein Bankhaus.

Übrigens: Wenn Sie auch wenig von Aktien verstehen (wie der Chronist), dann werden Sie sich über den unterschiedlichen Nennwert von Aktien (die eine DM 5,--, die andere DM 50,--) gewundert haben. - Wie der Chronist. - In Amerika gibt es so etwas auch z.B. nicht. Dort ist die Aktie nennwertlos. Ihr Wert ergibt sich aus der Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien einer Firma.(Man muß das Kapital der jeweiligen Firma durch die Anzahl der Aktien teilen.) - Auch für Deutschland ist irgendwann eine ähnliche Lösung zu erwarten.

Aber auch dann werden Analysten Entwicklungen auf Gebieten prognostizieren, von denen sie nichts verstehen und nur das wissen, was in den Medien verbreitet wird. - Darum ist z.B. eine Porsche-Aktie auch so erfolgreich. Das Ergebnis einer geschickten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Eine Daimler-Aktie dagegen (deren Wert in der Vergangenheit weitgehend durch die Erfolge von Mercedes-Benz bestimmt wurde) lebt dagegen von der Tradition. Natürlich auch von guter Selbstdarstellung.- Und weil ein Hang zum Gigantismus derzeit wohl gut ankommt.

Wenn Sie mich fragen sollten, dann ist z.B. die VW-Aktie noch entwicklungsfähig. - Aber verlangen Sie jetzt nicht von mir, daß ich das mit Herrn Prof. Dr. Kocks argumentiere. - Obwohl man das - überlegen Sie mal! - sehr wohl könnte.

MK/Wilhelm Hahne