Es gibt keine neuen Porsche!

Es gibt nur solche, die wie Sportwagen aussehen und vom Chef des (ehemaligen?) Sportwagen-Herstellers Porsche so genannt werden. - Motor-KRITIK kam auf diese (sicherlich überzogene) Formulierung nach Recherchen zum Thema Boxster (986) und 996, dem aktuellen, modernen 911. Und weil der Porsche-Slogan, "Es gibt keine alten Porsche. Nur neue Besitzer.", dazu anregte. Aber man könnte auch formulieren: "Ein neuer Porsche-Chef ist keine Garantie für alte Porsche-Tugenden." - Aber lesen Sie doch einfach, was Motor-KRITIK so zum Thema Porsche-Sportwagen recherchieren konnte und lassen sich dann selbst einen passenden Porsche-Slogan einfallen. Passend wäre vielleicht, "Gute Reifen sind des Porsche Tod". Aber man kann es noch kürzer fassen:

Wa(h)re Porsche

99-01-17/01. Automobile baut man nicht zum Spaß. Auch Sportwagen nicht. Sondern zum Geldverdienen. Manche vergessen dabei, daß aber denen, die solche Fahrzeuge kaufen, dabei der Spaß nicht verloren gehen darf. Gerade bei Sportwagen nicht. Und gerade dann nicht, wenn es sich bei diesen Sportwagen um Porsche handelt.

Ich habe sehr früh gelernt, daß ein Genußmittel auch dann noch wie ein Genußmittel empfunden, angeboten - oder besser - dargeboten werden muß, wenn es einem (z.B. als Hersteller oder Großhändler) massenhaft zur Verfügung steht. Der alltägliche Umgang und der Handel mit Genußmitteln darf einen Menschen nicht so unempfindlich werden lassen, in einem Genußmittel nur noch ein Handelsobjekt, ein Mittel zum Geldverdienen, eine Ware zu sehen.

Und ein Sportwagen ist ein Genußmittel. Da sollte dann nicht nur die Verpackung stimmen, sondern auch die technischen Details. Mogelpackungen lassen sich nur einmal verkaufen. Wo Sportwagen drauf steht, muß auch Sportwagen drin sein.

Ein Porsche ist ein Sportwagen. Und ein Sportwagen befriedigt besondere Ansprüche. Hat sie zu befriedigen. Das ist seine Aufgabe. So wie ein Genußmittel nicht dazu mißbraucht werden sollte, den normalen Hunger zu stillen, so ist ein Sportwagen nicht primär zur Lösung einer Transportaufgabe gedacht. - Gerade ein Porsche nicht.

Nun gibt es - bei jedem Automobil - Details, über die man sich streiten kann. Die betreffen meistens Designlösungen. Über Geschmack läßt sich eben trefflich streiten. Bei Porsche gibt es aber nach meiner Auffassung eine grundsätzliche Schwäche, die über viele, viele Jahre bei den unterschiedlichsten Modellen zu beobachten ist: die Innenraumgestaltung, das Interieur, das Armaturenbrett.

Die Entwicklung des Porsche 924 hin zum Porsche 968 ist ein schönes Beispiel. Hinter den Kulissen war zunächst aus einer Entwicklung für das Volkswagen-Werk ein Porsche geworden. Das Armaturenbrett blieb auf dem Niveau von Volkswagen. Auch als dann der 924 über Zwischenstufen zum 968 mutierte. Und der 968 war eigentlich von seinen Eigenschaften her ein guter Porsche. Aber so wurde er sogar zu einer Gefahr für den (damaligen) 911. Und da war die Marketingabteilung vor. Mit einer entsprechenden Preisgestaltung, die eigentlich mehr vom Namen Porsche, weniger vom realen Gegenwert bestimmt wurde.

Denn das Armaturenbrett des 968 verdiente z.B. die Bezeichnung (...brett) wirklich. Ich habe damals schon auf solche Schwächen immer wieder aufmerksam gemacht. Und bei Porsche wurde mir - auch immer wieder - überzeugend dargelegt, daß man sich eine Armaturenbrett-Anpassung, eine neue Gestaltung einfach nicht leisten könne. "Die Kosten dafür liegen im Millionenbereich, sind deutlich siebenstellig", erläuterte mir der damalige Pressechef, Manfred Jantke die Porsche-Hemmschwelle.

Bei einer Neuentwicklung, wie dem derzeitigen Porsche 911 Carrera, dem 996, hätte man aber eine geschmackvolle - und dem Verkaufspreis entsprechende! - Innenraumgestaltung erwarten können. Nicht nur in meinen Augen wirkt ein 996 da "billig". In der FAZ war vor Wochen (Autor: Wolfgang Peters) z.B. zu lesen: "Porsche startete den neuen Carrera ... mit einem Innenraumdesign wie in einem Sportwagen aus Korea." - Und ich weiß aus vielen Gesprächen mit Porsche-Fans, daß das von denen auch so empfunden, wenn auch nicht so schön artikuliert wird.

Man merkt dem 996 (aber auch dem Boxster, dem 986) so schon optisch deutlich an, daß hier Sparmaßnahmen gegriffen haben. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking versucht eben die möglichen Gewinne zu maximieren. Wogegen solange nichts spricht, als er sich dessen bewußt ist, daß es sich beim Porsche um ein Genußmittel handelt, das man nicht nur entsprechend ausstatten, sondern auch "verpacken" muß.

Wendelin Wiedeking ist offensichtlich ein guter Fertigungsmann, aber in Sachen Automobil wohl nicht gerade ein Feinschmecker. Wie so manche Entscheidung beweist, die den Charakter z.B.des Porsche 911 als Sportwagen gefährdet. So habe ich der (inzwischen schon alten) technischen Werkstatt-Information zum Porsche Boxster damals nach Erscheinen des Fahrzeugs wenig Bedeutung beigemessen, der zu entnehmen war, daß man einen Porsche-Boxster nicht mit Slicks fahren solle. Ich habe (damals) nicht begriffen, was sich dahinter verbarg. Erst durch die Entwicklung des Porsche 996 hin zum Super-Cup-Einsatzfahrzeug, nun hin zum Porsche GT 3 (der im März vorgestellt wird) bin ich zu gründlicheren Eigenrecherchen angeregt worden.

Über die Probleme des 996 als Super-Cup-Fahrzeug habe ich damals geschrieben. Und die Erfahrungen mit diesem Fahrzeug haben z.B. auch Auswirkungen auf die Entwicklung des neuen GT 3 gehabt und wird auch Auswirkungen auf die normale Serien-Version des 996 haben, der - wenn ich mich nicht täusche - im Herbst dieses Jahres ein erstes Facelift erfährt. Aber auch motorisch wird sich etwas ändern. Es wird - wie aus "eingeweihten Kreisen" verlautet - mehr Leistung (bei höherer Drehzahl) geben.

Aber zurück zum aktuellen Modell. Auch dieser 996 sollte (darf) nach Anweisungen der Zuffenhausener Kundendienstzentrale nicht mit Slicks gefahren werden. Und das liegt nicht am Fahrwerk, wie meine Recherchen ergaben, sondern am Motor. Doch dieser Motor ist eine moderne Neukonstruktion. Wo liegt der Haken?

Zunächst gab es diese Motorkonstruktion im Porsche Boxster. Und sie sollte - wie das ganze Fahrzeug - etwas deutlich machen: "den Vorsprung an Erfahrung im Sportwagenbau", wie es bei Porsche formuliert wurde. Der Boxster sollte ein Fahrzeug werden, "der von der ersten Minute an ein Porsche war", wie es Horst Marchart, Technik-Vorstand der Stuttgarter in Erinnerung an den 924 formulierte.

Klar war von Anfang an, daß der Motor in seiner Basis auch im 996 Verwendung finden sollte. Es wurde sehr auf das Gleichteile-Prinzip geachtet, so daß später Wendelin Wiedeking stolz verkünden konnte: "So ist es uns nun möglich, mit relativ viel identischen Komponenten zwei völlig unterschiedliche Fahrzeuge zu bauen, mit denen wir immer an der oberen Produktionsgrenze fahren können." - Der Porsche-Chef sagte auch: "Wir sind die Sportwagen-Spezialisten. Nur wir bauen seit rund 50 Jahren Sportwagen - und diesen Vorsprung an Erfahrung kann uns niemand nehmen."

Werfen wir nach diesen Sprüchen einmal einen Blick auf die Motorkonstruktion des Boxsters und 996. "Bei allem Respekt war uns klar", sagt der Projektleiter des Boxsters, Ulrich Schempp, "daß wir ein neues Triebwerk brauchten, das wieder mal für eine lange Zeit die Kompetenz von Porsche im Motorenbau bestätigt." Immerhin wurde der "Alte" (Sechszylindermotor) zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 30 Jahre gebaut. Aber um einen mit diesem Motor ausgerüsteten 911 z.B. in der Schweiz zulassen zu können, mußte man das Fahrzeug  mit einer speziellen Getriebeabstufung ausrüsten, um die Geräuschvorschriften dieses Landes erfüllen zu können. Ein neuer Motor war wirklich überfällig geworden.

Die guten Vorsätze die man hatte, aber auch gleichzeitig die sich widersprechenden Anforderungen, beschreibt der Projektleiter für die Motorkonstruktion von Boxster und 996, Jürgen Kapfer so: "Wir mußten einen sehr viel besseren Motor entwerfen, den herzustellen einen Bruchteil seines Vorläufers kostet." - Einen Bruchteil! - Und so sparte man z.B. an Teilen. Was man nicht braucht, kostet kein Geld und keine Montagezeiten. So kommt die neue Motorkonstruktion (obwohl nun ein Vierventiler!) mit 408 Einzelteilen, statt bisher 480 Teilen aus.

Über die Probleme, die später beim Guß der modernen (aber billiger herzustellenden und leichter zu bearbeitenden) Motorgehäuse auftraten, hat Motor-KRITIK schon berichtet und dabei auch die Vorzüge der neuen Motorkonstruktion geschildert, die unter anderem auch darin bestehen, daß sich dieser Motor leichter und schneller einbauen läßt. Das ist u.a. darin begründet, daß der "Neue" (auch) über ein Ölversorgungssystem verfügt, das von Porsche  ganz grob als Trockensumpfschmierrung bezeichnet wird, aber exakter als "integriertes Trockensumpf-System". Da benötigt man keinen seperaten Ölbehälter, braucht nicht eine Reihe von zusätzlichen Leitungen und Anschlüsse. Es wurde wirklich sehr auf die Kosten geachtet.

Man konnte durch die Art des Motors (Boxer, mit liegenden Zylindern) aber nicht auf zusätzliche Ölpumpen in den Zylinderköpfen verzichten, die das Öl wieder in den "Trockensumpf" zurückpumpt. Eigentlich ist die Bezeichnung "Trockensumpf" im Falles des Boxster- und 996-Motors ein wenig irreführend; selbst der Zusatz "integrierter" macht die Angaben nicht präziser, denn bei genauer Betrachtung haben sowohl Boxster wie 996 einen ganz normalen Ölsumpf, der nach oben hin durch ein Schwallblech abgedeckt ist.

Von dort aus pumpt nun eine Pumpe das Öl an die Versorgungsstellen und die Pumpen im Zylinderkopf pumpen es wieder zurück. Damit durch die auftretende Fliehkraft in den Kurven das Öl nicht der Pumpe in der Ölwanne entkommen kann, ist die Umgebung mit Blechen abgeschottet, die ein Ausweichen des Öls verhindern sollen. - Aber trotzdem verträgt der Motor keine hohen Kurvenbeschleunigungen. Weil dann das Öl wegbleibt, der Öldruck praktisch zusammenbricht. Dann gibt es keine Ölversorgung und dann... -

Und darum ist bei Fahrzeugen, die mit den neuen, modernen Porsche-Motoren ausgestattet sind (986 und 996) das Fahren mit Slicks verboten! - Mit Slicks bereift können die Porsche-Fahrzeuge eine so hohe Querbeschleunigung aufbauen, daß der Ölkreislauf zusammenbricht. Selbst mit ganz normalen - aber guten - Serienreifen kann es in schnellen Kurven vorkommen, daß die Öldruckanzeige unter 2 bar vermeldet.

Ich meine, daß die Pumpenleistung nicht ausreicht. Porsche hat auch hier wohl gespart. Man liefert also inzwischen zwei Sportwagenmodelle aus, mit denen man nicht mehr wirklich sportlich fahren kann, weil man sonst evtl. teure Motorschäden hinnehmen muß. Porsche liefert Sportwagen, bei denen das Fahren mit Slicks auf Rennstrecken nicht zulässig ist.

In diesem Zusammenhang bin ich natürlich den Anfang der Saison gehäuft auftretenden Motorschäden bei Super-Cup-Fahrzeugen des Typs 996 nachgegangen. Aber die hatten wohl einen anderen Grund, der leider nicht so exakt auszumachen ist, da die Teams die defekten Motoren nicht öffnen durften, sondern nur gegen Rückgabe des defekten Motors ein neues Triebwerk erhielten. Die Super-Cup-Fahrzeuge fuhren auch - was der Öffentlichkeit verborgen geblieben ist - nicht mit der "integrierten Trockensumpfschmierung", sondern verfügten über ein System der alten Art (993), das um den Wasser/Öl-Kühler ergänzt war. Außerdem - man höre und staune - waren diese Fahrzeuge mit dem alten Kurbelgehäuse des luftgekühlten 993 ausgerüstet.

An nachlassendem Öldruck dürften die Motoren darum nicht gestorben sein. Der Grund ist da in nicht ausreichend dimsnsionierten Pleueln zu suchen. Immerhin zerren beim Super-Cup-Motor größere (und schwerere) Kolben an diesem Triebwerksteil. Das Pleuel ist auch deshalb als Schwachpunkt anzunehmen, weil in der fraglichen Zeit die Firma Pankl in Österreich durch Porsche um ein Angebot für Spezial-Pleuel für diesen Motor gebeten wurde.

Wenn man nun schon mal weiß, daß beim Super-Cup-996 das alte Kurbelgehäuse des 993 verbaut wurde, um eine einwandfreie und dauerhafte Funktion des Motors sicherzustellen, dann fragt man sich natürlich, mit welchem Motorgehäuse dann wohl der neue Porsche GT 3 ausgestattet ist, der jetzt ab Mai dieses Jahres zum Preis von rund 180.000 DM als Nachfolger des Porsche 911 RS (Modell 993) zur Auslieferung kommt? - Richtig geraten: auch dieses Fahrzeug wird über das alte Kurbelgehäuse des 993 verfügen. Und eine richtige Trockensumpfschmierung.

Übrigens: das alte Kurbelgehäuse läßt sich nur deshalb beim neuen wassergekühlten Motor verwenden, weil der alte, wie auch der neue Motorblock die gleichen Zylinderabstände aufweist: 118 Millimeter.

Und wir werden demnächst noch ein weiteres 996-Modell mit dem guten alten Zylinderblock des Porsche 993 kennenlernen: der neue Porsche Turbo. Ich schließe das aus der intelligenten Antwort eines Porsche-Mitarbeiters auf meine Frage, welches Kurbelgehäuse denn beim neuen Porsche GT 3 verwendet würde. Antwort: "Der hat das gleiche Kurbelgehäuse, daß auch der neue Porsche Turbo hat." - Das war gut gemeint. Nur wußte der gute Porsche-Mann nicht, daß ich zu diesem Zeitpunkt schon wußte, daß der GT 3 das Kurbelgehäuse des alten 993 erhält. Aber so wußte ich dann auch, daß der neue Porsche Turbo... -

Wenn Sie noch irgendwelche Zweifel haben, erzähle ich Ihnen zum Abschluß noch eine kleine - natürlich wahre - Geschichte:

Es stand in der WELT. Im Anzeigenteil. Ein Porsche-Zentrum verkaufte einen der guten alten 911 RS, Baujahr 1995. Und am Ende der Anzeige stand als besonderer Kaufanreiz: "Das Fahrwerk kann mit Slickreifen gefahren werden". Grund genug, dort einmal anzurufen. Und der Verkäufer nannte nicht nur den gewünschten Preis, die in der Anzeige nicht angegebene Farbe des Fahrzeugs, sonder argumentierte auch, daß man schließlich nicht jedes Automobil mit Slickreifen fahren könne. Meine Frage darauf: "Sie meinen Porsche Boxster und 996?" - Seine Antwort: "Ja, aber es gibt auch noch andere Fahrzeuge die man nicht mit Slicks fahren darf."

Der nette Mann hat dann aber kein anderes Fabrikat oder Modell genannt. Er kannte wohl auch keines. Weil: Wendelin Wiedeking gibt´s derzeit nur bei Porsche. "Wir arbeiten einfach mit anderen Mitteln und effizienten Abläufen", hat er gerade in diesen Tagen gesagt.

Stimmt! - Nur: welche Vorteile hat der Porsche-Kunde davon, wenn ein Automobil, das einmal als der wahre Sportwagen galt, nun zur Ware Porsche verkommt?

MK/Wilhelm Hahne