Smart: ein kleines Auto macht Geschichte - und Geschichten

Es stand in "Auto-BILD, in "BILD", im "stern" war es sehr klar beschrieben: das unbeschreibliche Fahrverhalten des kleinen Smart auf verschneiten, glatten Straßen. Die Herstellerfirma, MCC, seit kurzem fest in Händen von DaimlerChrysler, unter der Oberaufsicht von Prof. Jürgen Hubbert. - Dieser Mann ist nicht zu beneiden, aber auch nicht zu bemitleiden, denn: er hatte als Chef sowohl bei der A-Klasse als auch beim Smart die Möglichkeit, das Ruder herumzureißen, als die Projekte "aus dem Ruder liefen". Aber er hatte wohl geglaubt, daß sich alles von alleine regelt. Doch das ist weder bei der A-Klasse, noch beim Smart der Fall. Gerade beim Smart gibt es noch mehr Probleme, als bisher bekannt wurden. Motor-KRITIK faßt noch einmal einige zusammen, berichtet aber auch über das Fahrerlebnis Smart und - was man sonst noch besonderes mit diesem kleinen Unikum erleben kann. - Sie werden staunen.

Kennen Sie die "smart-assistance" in Wiesbaden?

99-01-17/04. Motor-KRITIK war an einem Erlebnisbericht vom Fahren eines Smart interessiert. Er sollte möglichst von einem unabhängigen Fachmann kommen, jemand, der sich auch bei Kleinwagen auskennt, der möglichst Techniker ist, den aktuellen Stand der Fahrwerktechnik kennt, und, und, und. - Und wir haben diesen Mann sogar gefunden. Er hat sich einen Smart für einen Tag bei einem Smart-Center ausgeliehen, gemietet. Wir hätten gerne einmal über den smart & pure (45 PS) berichtet. Aber der war nicht zu erhalten, obwohl das niedrigste Leihangebot den Preis für den smart & pure auswies.

Wir haben übrigens noch nirgendwo einen smart & pure gefunden, noch niemals einen im Straßenverkehr gesehen. - Gibt' s den nur im Prospekt, in den Preislisten, auf dem Papier?

Aber auch mit dem smart & pulse kann man viel Spaß haben und Wundersames erleben. Lassen Sie Motor-KRITIK zunächst darüber berichten, bevor wir zu den sachlichen Eindrücken vom Fahrerleben kommen.

So ein Smart erregt schon Aufsehen. Schnell steht eine diskutierende Gruppe beisammen. Eine Gruppe neugieriger Menschen. Und wenn man denn schon mal die Gelegenheit hat, dann wollen diese Menschen auch mal einen richtig tiefen Einblick haben. "Können wir uns nicht einmal den Motor ansehen?" - Und: "Wie gut ist der eigentlich gekapselt?" - "Ist der viel lauter, wenn die Motorraumabdeckung geöffnet ist?".

Also wird die Heckklappe mittels elektronischem Schlüssel entriegelt, dann das Fahrzeug gestartet. Der Motor lief, alles lauschte. Dann wurde die Motorraumabdeckung geöffnet und der laufende Motor betrachtet und mit der Geräuschentwicklung verglichen, die vorher, bei geschlossener Abdeckung zu vernehmen war.

Inzwischen hatte jemand aus der Gruppe die Türen geschlossen. Und als nun, nachdem man den Motor lange genug betrachtet, ihm lange genug gelauscht hatte, dann die Heckklappe (zugegeben, mit etwas zuviel Schwung) geschlossen wurde... - Kinder-Überraschung! - Ab diesem Zeitpunkt konnte keine der Türen mehr geöffnet werden. Das Fahrzeug stand mit leise grummelnden Motor und ge- und verschlossenen Türen vor einer ergriffen schweigenden Gruppe von Männern. Und drinnen leuchtete die Statusanzeige "Panikschalter".

Der "Tatort" dieser Smart-Sondervorführung liegt in Mitteldeutschland., das Smart-Center in der gleichen Stadt, anderer Stadtteil. Also kein Grund nervös zu werden. Ein kurzer Anruf, man würde sich den Zweitschlüssel vorbeibringen lassen und... - Alles kein Problem.

Und der Mitarbeiter des örtlichen Smart-Center sagt dann auch zu, schnellstens vorbei zu kommen. - Und der Smart blubberte still vor sich hin. Und die Gruppe Männer wartete.

Aber dann kam ein Anruf vom Smart-Center: Nein, man würde nicht kommen, man würde nicht den Zweitschlüssel vorbeibringen, man möge sich doch direkt an die Telefon-Nummer wenden, die auf der Heckscheibe angebracht sei. Das machte zwar keinen Sinn. Aber es paßte vielleicht zum Smart und seine Reaktion auf das Heckklappezuklatschen.

Verwunderung machte sich breit, als auf der Heckscheibe keine Telefon-Nummer zu entdecken war. Also wieder im Smart-Center angerufen. Dort gibt es dann die Telefon-Nummer, die schnell gewählt und - man hatte die Verbindung zur "smart assistance" in Wiesbaden. Das liegt viele hundert Kilometer vom "Tatort" entfernt.

Jetzt wird dem Smart-Mitarbeiter in Wiesbaden der Fall erklärt. Dort wundert man sich, weil doch das Smart-Center in Mitteldeutschland... - Wir wundern uns alle. - Wiesbaden will sich jetzt mit dem zuständigen Smart-Center in Verbindung setzen. Und nach einiger Zeit erfährt unsere Smart-Beobachtergruppe nun durch einen Anruf aus Wiesbaden, daß sich die Smart-Spezialisten untereinander geeinigt haben: Die "smart assistance" in Wiesbaden wird nun in Mitteldeutschland einen Pannendienst beauftragen. Wie man aus Wiesbaden erfährt, wird der dann das Fahrzeug "auf unkonventionelle Weise" (O-Ton Wiesbaden) öffnen.

Die Spannung erreicht langsam ihren Höhepunkt. Nur der Smart tuckert gleichmäßig und unberührt von allen Telefonaktionen vor sich hin. Und die Smart-Beobachtergruppe wartet und wartet. - Doch dann meldet sich der Pannendienst telefonisch, läßt sich den Weg zum "Tatort" erklären. Und schon zwei Stunden nachdem der Vorfall dem Smart-Center gemeldet war, ist der Pannendienst vor Ort.

Alle Augen sind nun auf den "Entfesselungskünstler" des Pannendienstes gerichtet. Wie würde der das Fahrzeug öffnen? - Hatte das örtliche Smart-Center ihm vielleicht den Zweitschlüssel...? - Nein. - Für den Pannendienstmann war es das erste Mal, daß er an einem Smart tätig wurde. Und er öffnete schließlich - und ohne große Probleme - das Fahrzeug mit einem Draht. - Einfach mit einem Draht.- So wie wir damals in den 50ern jeden VW Käfer geöffnet haben.

Und nach etwas mehr als zwei Stunden konnte nun der Motor endlich abgestellt werden. Es wurde natürlich sofort versucht, das Phänomen des unbeabsichtigten Verriegelns der Türen zu reproduzieren. Ohne Erfolg. Alles war so, als hätte es den Vorgang nie gegeben. Und gäbe es nicht mehr als eine Handvoll Zeugen... -

Aber kommen wir jetzt endlich zum Erlebnisbericht - oder besser -  zum "Testergebnis". Beurteilt wird das Fahrzeug einfach nach dem Schwarz/Weiß-Prinzip. Es wurden an diesem Tag insgesamt 175 Kilometer vornehmlich im Stadtgebiet, aber auch auf einem Stück Autobahn, zurückgelegt. Unser Fachmann notierte:

Positiv:

Negativ: Resümee: Soweit unser unvoreingenommener Tester, übrigens Techniker von Beruf.

Am Tag nach diesem "Test", rollte das Fahrzeug also wieder zum Händler zurück. Natürlich wurde da noch einmal über das unbeabsichtigte - und überraschende - Verriegeln der Türen diskutiert. Und es wurde versucht, dieses Phänomen noch einmal zu reproduzieren. Unter Anteilnahme eines Teil der Smart-Mitarbeiter. - Nichts zu machen.

Unser Tester ging daraufhin mit dem Service-Manager des Smart-Centers noch einmal ins Büro, um noch über Dieses und Jenes zu sprechen. Der Schlüssel war im Wagen geblieben.

Und dann passierte es wieder. Ein Monteur kam ins Büro um zu fragen, wo denn der Zweitschlüssel sei. Denn der Smart hatte sich wieder selbsttätig verschlossen. Einfach so. Dabei steht ein unbeabsichtigtes, selbsttätiges Schließen der Türen bei steckendem Zündschlüssel gar nicht im Prospekt. Das kostet auch keinen Aufpreis. (Übrigens: die Zubehörpreisliste ist auch eine der Überraschungen bei Smart!) Aber das Wunder des automatischen Türverschließens ist auch ein Beweis dafür, daß der Smart in seiner jetzigen Version noch nicht ganz fertig ist.

Sieht man einmal vom stimmenden Grundkonzept ab, stimmt eigentlich eigentlich beim Smart wenig. Überall gute Ansätze, aber wenig ist richtig zu Ende gebracht.

Da fielen uns z.B. jede Menge Smart auf, die bei einem Smart-Center unter einer Schneedecke auf Käufer warteten. Lagerbestände? - Wir haben verschiedene Leute ins Smart-Center geschickt, und durch verschiedene Mitarbeiter verschiedene Antworten auf unsere Frage nach den "parkenden" (unzugelassenen) Fahrzeugen erhalten. Mal waren es Leihwagen, mal waren die Fahrzeuge für eine große Firma vorgesehen, mal... - Also was nun?

Es gibt eine Antwort, die wir zunächst nicht glauben wollten - und die wir auch nicht als offizielle - aber als ehrliche Antwort werten müssen: es gab für diese Fahrzeuge keine Kraftfahrzeugbriefe. Und das war nicht nur bei diesem Smart-Center so. Der Grund liegt in der Organisation, die so organisiert ist, daß man mit ihr nicht organisieren kann. Da weiß die Rechte nicht, was die Linke tut. Weil zwar Computer miteinander vernetzt sind... - Aber glauben Sie Motor-KRITIK: jede Würstchenbude am Nürburgring verfügt über ein besser funktionierendes Vertriebs- und Organisations-System.als Smart.

Sie können es übrigens auch im aktuellen "Manager Magazin" nachlesen:

Prof. Jürgen Hubbert hatte entschieden, daß nicht die DaimlerChrysler-Tochter "debis", sondern die "Spezialisten", die EDV-Berater von Andersen Consulting den Auftrag für die Vernetzung von Händler, Werk und Zulieferer erhalten sollte. Und es funktioniert nichts. Die Zulieferer liefern falsch zu, die Ersatzteile verschwinden im Irgendwo, Rechnungen werden nicht erstellt - es gibt auch (evtl.) keine Kraftfahrzeugbriefe. Die "Vernetzung" besteht praktisch nur aus Löchern.

Nun hat Andersen Consulting nur noch wenig Zeit, seine Fehler zu korrigieren. Prof. Jürgen Hubbert hat alle Zahlungen an die EDV-Spezialisten einstellen lassen. Insgesamt geht es um eine dreistellige Millionensumme. Wenn es bald nicht klappt, hat die Rechtsabteilung das Wort.

Es ist schon eine Katastrophe, die da rings um den Smart deutlich wird. Federung, Fahrwerkabstimmung (Untersteuern), die Lenkübersetzung, die Probleme im Motorenwerk (Kurbelwellen), Ärger mit der Elektronik, Ärger mit der Organisation (Center bleiben leer), Ärger mit der Vernetzung, keine Kfz.-Briefe, und, und, und.

Hauptsache: Jürgen Schrempp hat keine Personalprobleme. -

DaimlerChrysler ist schon eine smarte Gesellschaft. Und so schön bunt gemischt.

MK/Wilhelm Hahne