Warum es keine "Arbeitsgruppe Zwangsarbeit" beim BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) gibt

Sind die Ford-Werke AG, Köln und die Adam Opel AG in Rüsselsheim nun deutsche Firmen, oder sind sie den amerikanischen zuzurechnen? - Beide nehmen praktisch - je nach Bedarf - die doppelte Staatsbürgerschaft für sich in Anspruch. Mal gehören Sie zu den Siegern (im 2. Weltkrieg), mal zu den Verlierern (im Markt). Sie gehören dem Verband der Deutsche Automobilindustrie an und damit auch dem BDI. Aber als die deutsche Industrie mit einem entsprechenden Fond von der deutschen Wirtschaft Sammelklagen der ehemaligen Zwangsarbeiter abwenden will, da fehlen u.a. im Register der beteiligten Firmen zwei Namen: Ford und Opel. - Wollen sie nicht der deutschen Industrie zugerechnet werden? - Die großen Amerikaner (kleinen Deutschen?) verhalten sich nach dem Motto:

Wenn es peinlich wird: Augen, Ohren und Mund schließen

99-02-23/02. Die neue Einrichtung nennt sich "Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen: Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Zwölf deutsche Konzerne verständigten sich auf die Einrichtung dieses Fonds, über den nun um 300.000 der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter ab September dieses Jahres mit Entschädigungszahlungen der deutschen Wirtschaft rechnen können.

Der jüdische Weltkongreß sprach von "einem historischen Schritt", Bundeskanzler Schröder betonte, daß es hier nicht um Wiedergutmachung ginge, "sondern es geht um die Befriedung berechtigter Ansprüche der NS-Zwangsarbeiter". Damit möchte dann die deutsche Wirtschaft auch von weiteren Ansprüchen freigestellt sein.

Da in der Liste der beteiligten Konzerne die Namen Ford und Opel nicht auftauchen (wohl u.a. BMW, DaimlerChrysler und Volkswagen), entschloß sich Motor-KRITIK, die zwei deutschen (oder doch amerikanischen?) Automobilhersteller Ford und Opel zu befragen. Und so gingen in den frühen Morgenstunden des 18. Februar zwei Faxe nach Köln und Rüsselsheim. Beide waren gleichen Inhalts, der da lautete:

"Es gibt 16,5 Mio registrierte NS-Verfolgte, davon sind viele sogenannte Zwangsarbeiter, meist aus Osteuropa.

Und es dauerte nun fast 54 Jahre, bis rund 300.000 dieser Zwangsarbeiter von den Unternehmen der deutschen Wirtschaft, die damals deren Arbeitskraft (aus-) nutzten, eine Entschädigungszahlung erwarten können.

Zur "deutschen Wirtschaft" scheinen Unternehmen wie Ford und Opel nicht dazu zu gehören. Diese Namen fehlen in der Liste der Firmen, die nun einen Entschädigungs-Fonds bereitstellen wollen.

Sie können sicherlich nicht für Opel (Ford) sprechen, aber:

1)    Warum gehört Ford (Opel) nicht dazu, schließt sich nicht an?
2)    Gab es keine Zwangsarbeiter bei Ford (Opel)?
3)    Wenn JA: Wie werden die entschädigt?
4)    Wie sieht man bei Ford (Opel) dieses Problem überhaupt?

Nachdem ich so lange nichts von Ihnen gehört habe, würde ich mich über eine baldige Antwort natürlich besonders freuen.

Herzliche Grüße aus der Eifel,

gez. W. Hahne"
 

Heute ist der 23. Februar 1999, früher Abend, aber es hat weder bei Ford noch bei Opel bisher zu einer Antwort gereicht. Dabei müßte man eigentlich bei beiden Firmen "im Thema" sein.

So gab es z.B. durch den BDI im Herbst letzten Jahres die Anregung, innerhalb dieses Verbandes eine "Arbeitsgruppe Zwangsarbeit" zu bilden. Zu dem Treffen im September 1998 hatten dann 20 deutsche Firmen (darunter war z.B. nach unseren Recherchen auch Ford) erschienen. Nun sind im BDI keine Firmen, sondern nur Verbände Mitglied, so daß die an diesem Thema interessierten Firmen einem der im BDI zusammengeschlossenen Verband (deutscher) Firmen angehören mußten. Ford wie auch Opel gehören dem VDA (dem Verband der Deutschen Automobilindustrie) an.

Aber auf diesem ersten und bisher einzigen Treffen der "Arbeitsgruppe Zwangsarbeit" im BDI kam es dann zu der von der Mehrheit getragenen Entscheidung: der BDI solle sich da raushalten. Es gäbe hier eben "unterschiedliche Betroffenheiten" (O-Ton BDI). Hätte eine Firma z.B. zufällig ihren Firmensitz in der Nähe eines Konzentrationslagers gehabt, wäre die - ohne es zu wollen - mit überwiegend jüdischen Zwangsarbeitern bedient worden. Und eine solche Entschädigung hätte nun einmal eine andere Dimension, wie z.B. die Entschädigung von Zwangsarbeitern aus Osteuropa. Und die amerikanischen Firmen in Deutschland würden ja offensichtlich via USA verklagt, wo die Gesetzgebung aus der Sicht der Betroffenen "vielversprechender" sei. Und warum solle sich eine amerikanische Firma in Deutschland in Deutschland freiwillig einer Entschädigungsleistung anschließen, wenn gleichzeitig in den USA Klagen zum gleichen Thema noch nicht entschieden sind? - Vielleicht würde man so dann gleich zweimal zur Kasse gebeten.

Und so gab es nichts mit der "Arbeitsgruppe Zwangsarbeit" beim BDI. Verlautbart man dort. Und auch beim VDA fühlt man sich mit dem Thema nicht angesprochen. "Es gibt zu viele Einzelinteressen, die Position der einzelnen Firmen ist unterschiedlich. Das Thema wird im VDA nicht behandelt, das macht jeder für sich", so VDA-Pressesprecher Isfried Hennen.

Nun wissen wir also auch, warum es solche Verbände gibt. Damit sie nämlich alle Problemthemen aus ihrer Arbeit ausklammern,  bei denen die Position der einzelnen Firmen zu unterschiedlich scheint.

Beim BDI wirft man ein, daß man die tatsächliche Liste der am nun gegründeten Entschädigungs-Fonds beteiligten Firmen gar nicht kennen könne. Denn eigentlich wäre diese Liste auch unbekannt. Und die bisher genannten Firmennamen würden bestimmt in nächster Zeit durch weitere ergänzt werden können, "da dieser Fonds ja offen ist", wie der BDI-Sprecher erklärt. Und er gibt zu bedenken, daß ja sonst jede der bisher beteiligten Firmen (Allianz, BASF, Bayer, BMW, DaimlerChrysler, Degussa, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Hoechst, Krupp-Hoesch, Siemens und Volkswagen) um 200 Millionen Mark einzahlen müßte um die angestrebte Größe von 2 - 3 Milliarden Mark zu erreichen.

Und der VDA betont noch einmal - bei einem Rückruf - daß sie leider der falsche Ansprechpartner wären. "Ansprechpartner sind die einzelnen Firmen, die aus ihrer Historie heraus die Thematik unterschiedlich beurteilen", erklärt  der VDA-Sprecher die Situation.

Aber diese Ansprechpartner, wie z.B. Ford und Opel, die antworten nicht. Weil es ihnen unangenehm ist? - Weil die obersten Öffentlichkeitsarbeiter dieser Firmen eigentlich auch gar nicht wissen, wovon sie da sprechen? - Wenn sie darüber sprechen würden. Dabei weiß doch z.B. Opel Vorstandsmitglied Horst P. Borghs, wie weh eine Satire tun kann. Und welches Schmerzensgeld er dafür forderte. Nun stelle er sich einmal vor, er wäre verschleppt, geschlagen, gefoltert worden, hätte Zwangsarbeit leisten müssen. - Welches Schmerzensgeld würde er dann erwarten?

Wollen Opel und Ford warten, bis alle die, die noch Forderungen stellen können aus Altersgründen gestorben sind?

Bei den am neuen Fonds beteiligten Firmen ist man sich klar darüber, daß man den betroffenen NS-Opfern "kooperativ, fair, unbürokratisch und vor allem schnell" Hilfe leisten muß.

Der Chronist erinnert sich noch deutlich an die letzten Wochen vor Kriegsende, als geflohene Zwangsarbeiter aus dem Ruhrgebiet durch die Wälder des Sauerlandes zurück gegen Osten flüchteten. Und viele wurden von SS-Kommandos gestellt und erschossen. Ich erinnere mich während dieser Niederschrift noch deutlich an süßlichen Verwesungsgeruch der aus den dann später von den Amerikanern offen gelegten Massengräbern aufstieg. Die meisten dieser Leute, Menschen wie Du und ich, waren durch Genickschuß hingerichtet worden. Und ich habe nächtelang nicht einschlafen können, weil ich mir vorzustellen versuchte, was das für Menschen sein mußten, die z.B. einem Kleinkind, das zu einer Zwangsarbeiterin gehörte, durch Herumschleudern an einem Baum den Kopf zertrümmerten.

Darum erregt mich vielleicht auch heute noch besonders die Diskussion um eine Entschädigung von Zwangsarbeitern. Und das Nichtbeantworten von Briefen durch Frau Dr. Wegerhoff von Ford und dem entsprechenden Sachbearbeiter bei Opel.- Es sagt etwas über die Qualität der dort beschäftigten Manager aus. - Wenn es peinlich wird: Augen, Ohren und Mund schließen.- Und es ist peinlich.

MK/Wilhelm Hahne