Song für den Opel-Kindergarten: Ein Loch ist im Eimer, lieber Hendry, lieber Hendry

Irgendwo müssen doch die Zahlen durchgesickert sein. Da lt. Herrn Borghs und seiner Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in der Vergangenheit in Rüsselsheim immer alles perfekt ablief, herbe Kritik nicht nur unberechtigt, sondern auch gerichtlich verfolgungswürdig schien, kann der Verlust an Marktanteilen der Weltfirma Opel nur an einem Loch im Eimerchen der Opel-Kinderschar gelegen haben. - Oder war doch etwas anderes im Eimer? - Aber der neue Opel-Chef, Robert W. Hendry, will's nun richten. - "Hendry ist ein Purist", sagt ein Vorstandskollege. Und der Journalistenkollege Rolf Obertreis ergänzt: "Der Amerikaner will exakte Zahlen sehen, Tabellen, Grafiken und Analysen. - Motor-KRITIK stellt dazu fest:

Genau wie die Manager bei Aldi

99-02-23/03. Das Automobilgeschäft ist schon etwas besonderes. So kann man z.B. hier nicht mit den Zahlen von gestern den Erfolg von morgen bestimmen. Emotionen, das Image der Marke und alle möglichen Dinge, die sich nicht mit dem Computer berechnen lassen, bestimmen den Erfolg von morgen.

Das ist in anderen Branchen anders. Aber inzwischen auch dort immer schwieriger geworden. Früher konnte man den Gesamtumsatz eines Buchladens exakt bestimmen, wenn man die Verkaufszahlen des Duden kannte. Und der Hersteller von Aspirin konnte schon aufgrund der Entwicklung der Bevölkerungszahlen seinen Umsatz in ein paar Jahren exakt berechnen.

Aber was sagen dem neuen Opel-Chef, Mr. Hendry,  exakte Zahlen, Tabellen und Grafiken mit den Ergebnissen "von gestern"? - Inzwischen weiß jeder, daß Opel in den letzten Jahren Fehler um Fehler gemacht hat. Das einzige worum leitende Opel-Manager bemüht waren war, die Publikation dieser Fehler und die Zuordnung auf Personen zu vermeiden. - Was nicht das Ergebnis der Marke verbesserte.

Und so ist die Marke immer weiter heruntergekommen. In Sachen Zuverlässigkeit, im Preis-Leistungsverhältnis, im Image, im Ansehen in der Öffentlichkeit. Ein normaler Prozeß, den man auch nicht durch Prozesse aufhalten konnte.

Und nun zieht ein Mann Bilanz. Aber wird er auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse in richtige Entscheidungen umsetzen? - Auch in personelle?

Wie es aussieht, ist Opel mit seiner Modellpolitik nicht auf dem richtigen Weg. Vieles erinnert ein wenig an den von Aldi eingeschlagenen Weg, sich von Markenartikeln zu trennen, nur Eigenmarken zu vertreiben, damit "unvergleichlich" zu werden.

Da kommt jetzt der Opel Zafira. Er kommt spät, da mit dem Crash-Verhalten nicht alles auf Anhieb stimmte. Das ist Opel nicht anzulasten. Denn die Entwicklung des Opel Zafira erfolgte komplett bei Porsche. Bis hin zum Vorserien-Bau. Der Opel Zafira ist eigentlich ein Porsche aus Opel-Teilen. - Nicht schlecht. Ein Porsche mit Opel-Emblem.

Diese Art der Nischenbesetzung wird mit einem neuen Opel-Speedster fortgesetzt werden. Es ist eigentlich ein Lotus. Wenn man weiß, was Lotus aus der vorhandenen Basis machte (und macht), nämlich "Elise" und den "Lotus 340R", dann muß einen das Opel-Design entsetzen. Man stelle doch nur einmal die drei Modelle - alle mit gleichem Unterbau - nebeneinander und frage dann: Wer ist der biederste im ganzen Land? - Nun, der ist Opel gelungen.

Aber ohne die Lotus-Entwicklungshilfe wäre Opel noch lange ohne ein solches Nischenprodukt. Grund: keiner hat sich in der Vergangenheit getraut so etwas zu entwickeln. Ein Management-Problem, keines der Kapazitäten.

Und es wird dann ein Kleinwagen kommen, der eigentlich ein Suzuki ist. Aber er wird von einem Opel-Emblem geschmückt werden. Und auch von einem Opel-Motor befeuert. - Aber sind dann das alles Opel der Art, die ein Image aufbauen, die Marke festigen helfen?

Ein Opel Zafira von Porsche, ein Opel Speedster von Lotus, ein Opel-Kleinwagen von Suzuki.

Wenn sich jetzt noch die Preise von den Originalen so unterscheiden, wie die von Aldi-Produkten gegenüber den Marken-Originalen, könnte das durchaus ein Erfolg werden. Aber es wird keiner sein, der die Marke Opel langfristig stützt oder gar aufbaut.. Ein Opel Manta war ein echter Opel, ein Opel GT war ein echter Opel, ein Opel Diplomat war ein echter Opel. Das waren Fahrzeuge, die das Bild von der Marke mit geprägt haben.

Das was jetzt bei Opel abgeht zeigt lediglich, daß man die Fehler der Vergangenheit erkannt hat und nun schnell ausgleichen möchte. Aber es ist ein Ausgleich mit falschen Mitteln. - Wenn schon eine (dumme) Blondine, dann bitte eine echte!

Wenn man derzeit schon bei Lotus erzählt, daß im Jahre 2000 rund 10 Prozent aller in Europa verkauften Personenwagen-Motoren von Lotus be- und überarbeitet wurden, welchen Anteil haben dann wohl Opel-Motoren daran?

Und ein Sintra ist kein Opel, ein Frontera eigentlich auch nicht. Von Opel kommt das Emblem, der Schriftzug. - Und die Rückrufaktionen. - Mr. Hendry hat noch viel zu tun. Und er hat recht, wenn er in "mot" sagt: "Was bislang zu kurz kam, war die strategische Ausrichtung, welche Produkte zu Opel passen und was wir deswegen schnell in Serie bringen müssen."

Was Mr. Hendry aber jetzt ausführen läßt, ist eigentlich eine Augenwischerei. Er stellt Fahrzeuge als Opel vor, die keine Opel sind, füllt damit Marktlücken. Aber nur auf dem Papier, nicht aus der Sicht des Kunden. Auch wenn die nicht immer kritisch den Markt beobachten, so ist doch in (fast) allen Käufern ein instinkthaftes Gefühl für das Echte vorhanden.

Eine echte Seiko wird sicherlich als besser empfunden als eine falsche Rolex. Vor allen Dingen dann, wenn die gleich als Fälschung zu erkennen ist. Und ein echter Opel wäre sicherlich auch sympathischer als ein falscher Lotus, ein falscher Suzuki.

Aber Robert Hendry muß wohl zunächst einmal die Löcher im Eimer stopfen. Auch das, durch das die Qualität von Opel versickerte. Robert Hendry weiß: "Qualität ist Grundvoraussetzung für jeden Hersteller. Erst wenn sie stimmt und die Menschen das wissen, interessieren sie sich für Produkte."

"...und die Menschen das wissen..." - Mr. Hendry sollte sich also nicht nur um die Produkte, sondern auch um die Verbesserung der Kommunikation bemühen. Auch hier braucht man neue Modelle.

MK/Wilhelm Hahne