Standardfrage: "Was willst Du hier in der Eifel im Winter mit einem BMW?" - Vorurteil: Ein BMW ist nicht wintertauglich, man kann mit ihm keine Steigungen meistern. Ergänzung zur Standardfrage: "Wieviel Sandsäcke willst Du denn in den Kofferraum tun?"
Daß ein 3er BMW heute um eine Gewichtsverteilung von 50 : 50 verfügt, daß es ein ASR, eine Antischlupfreglung serienmäßig gibt, ist an Wirtshaustheken (und Stammtischen) weitgehend unbekannt. Und so wirkte dann in diesen Wochen ein Bekannter stark verunsichert, der nun im ersten Winter mit einem 3er BMW unterwegs ist. Jeden Tag muß er auf kleinen Nebenstraßen zur Arbeit.
Ich hatte ihn beruhigt. "Das geht wunderbar. Auch bei tiefem Schnee. Nur mußt Du dann die Anti-Schlupfregelung ausschalten." Und ich bot mich an, ihm den Umgang mit dem Hecktriebler BMW in der Praxis vorzuführen.
Und so klingelte dann morgens kurz nach 7 Uhr jemand an meiner Tür. Unser BMW-Fahrer war an der ersten Steigung bei 20 Zentimeter Neuschnee vor einer Kehre hängengeblieben, weil ihm auf seiner Seite (!) ein Fahrzeug entgegenkam. Er mußte stehen bleiben. Auch mit ASR wäre er nicht mehr weitergekommen, klagt er. Ob ich ihn fahren könne und ihm bei dieser Gelegenheit zeigen, wie das ginge.
Es ging toll. Zunächst - ganz wichtig! - das ASR ausschalten.Und dann ging es mit guten Winterreifen (Dunlop) mit gefühlvollem Gaseinsatz überall bergauf. Aus einem kleinen Dorf heraus war kein Schwungnehmen möglich und so baute sich dann auf der folgenden starken Steigung mehr Schlupf auf, als eigentlich dem normalen Vorwärtsbewegen zuträglich war. Die Kuppe erreicht ich aber - weich gegensteuernd - in einem Winkel von um 45° zur eigentlichen Fahrtrichtung - Kein Problem.
Unser Mann war begeistert. - Trotzdem: am nächsten Tag klingelte es wieder an der Tür. Unser BMW-Fahrer war an der ersten Steigung hängengeblieben. Wieder in tiefem Neuschnee, bei ungeräumter Straße.
Dieses Mal habe ich ihn in meinem kleinen Peugeot zur Arbeit gefahren. Und im Gespräch unterwegs wurde dann klar, welchen Fehler unser BMW-Fahrer gemacht hatte: er hatte vergessen das ASR auszuschalten. Und der Motor wurde so lange heruntergeregelt, bis daß das Fahrzeug stand.
So wird es im nächsten Winter den Smartfahrern gehen. Weil dort das ASR (das PLUS zum TRUST) nicht abzuschalten geht. Aber ohne TRUST PLUS wird man den Smart auch nicht fahren können. Im Gegensatz zu einem BMW. - So macht man aus einem Fahrzeug ein Stehzeug.
Unser BMW-Mann fährt inzwischen seinen BMW grundsätzlich mit abgeschalteten ASR. Weil so auch das Fahren viel mehr Spaß macht, wie er inzwischen feststellt. Was diese großartige Innovation denn eigentlich für einen Sinn macht? - Nun, sie erhöht den Kaufpreis.
Ein anderer Bekannter, aus einem anderen Teil der Eifel, erzählt dazu passend eine andere Geschichte zum Thema ASR: hier ist die Antischlupfregelung in einem Mercedes-Transporter eingebaut. Der ist mit kraftvollem Dieselmotor unterwegs. Und jetzt, als es auf unseren Straßen wirklich glatt war, mußte mit dem Transporter dringend ein paar Teile transportiert werden. Zur Sicherheit ließ unser Mann das ASR eingeschaltet. Und da es viel Schlupf gab, regelt das ASR-System praktisch unablässig. Nur regelt es in diesem Falle über den Bremseneinsatz. Während der ganzen Fahrt kämpfte also der Motor gegen die Bremse, was unserem Fahrer aber nicht bewußt war. - Und wer blieb Sieger?
Ich tippte auf die Bremse als Verlierer. Danebengetippt. Das Drehmoment des Dieselmotors hatte als schwächsten Teil des Antriebsstrangs die Kupplung ausgemacht. Und die mußte nun dran glauben. Kostenpunkt: DM 1000,-- für die Kupplungsreparatur.
Was soll so ein praxisfremdes System? Es findet sich übrigens auch in der M-Klasse. Und in der gibt es als Reserverad (serienmäßig) ein Notrad. Und das hat einen anderen Abrollumfang als das normale Rad. Und im Falle einer Reifenpanne... - Klar, das System regelt und regelt. Motor gegen Bremse. Auch bei trockener Fahrbahn. Hier hat dann - wie zu hören - dann schon mal die Bremse den Kürzeren gezogen. - Sie ist verraucht.
Fortschritt durch Technik. Fortschritt durch Aufpreis. Aber mit welchem Sinn?
Aber alles schreit nach Innovationen. Da schreit auch ein anderer Bekannter von mir im Dorf, wenn er diesen Begriff hört. Er fährt eine Mercedes E-Klasse. Er hat jetzt innerhalb eines Jahres seinen dritten neuen elektronischen Zündschlüssel, wie er erzählt. Irgendwann tuts das Fahrzeug überraschend nicht mehr. Es läßt sich keine Tür öffnen oder schließen, die Zündung funktioniert nicht. Nichts geht mehr.
Und dann erhält er einen neuen Zündschlüssel. Unser Fahrer der E-Klasse wurde aber jetzt schon durch seine Mercedes-Werkstatt darauf aufmerksam gemacht, daß nur acht Zündschlüssel für eine E-Klasse als Ersatz vorgesehen sind. Dann müsse wohl ein teures Elektronikteil mit getauscht werden.
Also wird wohl demnächst die Antwort eines E-Klasse-Fahrers auf die Frage, "Wie lange fahren Sie schon Ihre E-Klasse?", lauten müssen: "Der ist jetzt sechs Zündschlüssel alt, ich werde ihn nun bald verkaufen müssen."
Das ist Fortschritt durch innovative Technik.
Oder ein anderes Elektronikerlebnis (nicht nur eines) eines Land-Rover-Händlers in einer westdeutschen Großstadt: In einem bestimmten Stadtteil bleiben an einer bestimmten Stelle die Land-Rover stehen, oder hupen und blinken, spielen irgendwie verrückt. Und die werden dann abgeschleppt. Es wird aber nichts daran gemacht, nichts repariert. Weil sie in anderen Stadtteilen hervorragend laufen. Das ist kein Scherz. Nur ein Scherz der Rover-Elektronik, die wohl nicht in diesem Stadtteil getestet wurde.
Und nun lesen Sie noch einmal meine Distronic-Geschichte, die ich vor Wochen schrieb. Das ist das neue Abstandsradar in der neuen S-Klasse, die lt. Kollegenauskunft schon bei der ersten Vorführung nicht funktionierte. Im Nebel aber besser sieht als der Mensch. Wenn sie funktioniert. Aber evtl. auch nicht anzeigt, daß sie nicht funktioniert. - Ein wirklich menschliches System.
Aber das System wurde inzwischen mit dem "Internen Innovationspreis" ausgezeichnet. DaimlerChrysler zeichnet sich selbst, d.h., sieben seiner Mitarbeiter aus. Für besondere Leistungen. Denn es ist wirklich eine Leistung, dem Kunden so etwas als "Komfortsystem" für viel Geld zu verkaufen, was eigentlich als "Unsicherheitssystem" bezeichnet werden müßte.
Prof. Klaus-Dieter Vöhringer, Vorstand für Forschung und Technologie bei DaimlerChrysler zu der Preisverleihung: "Wir brauchen eine Kultur, die Innovationen fördert und die innovative Leistungen für alle sichtbar hervorhebt."
Die Frage warum der Kunde solche Innovationen braucht, wurde auf der Preisverleihung nicht beantwortet. Aber durch Firmenchef Schrempp die Frage, warum DaimlerChrysler daran interessiert ist: "Innovationen sind Wegbereiter für neue Arbeitsplätze". Klar, denn sie verbesserm das, was die Automobilindustrie so nett als "qualitatives Wachstum" bezeichnet, die Erträge pro Fahrzeug erhöht und die Gewinne maximiert. - Und die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge beeinträchtigt.
Dagegen hilft als Schutz nur die menschliche Vernunft. Beim Käufer. Denn z.B. so etwas wie die Distronic muß man sich - für viel Geld - im jetzigen Entwicklungsstadium wirklich nicht antun.
So ist das mit den Innovationen. Sie machen unsere Automobile entweder unperfekt, machen unperfekte Automobile aber nicht besser. - Wie das Beispiel "smart" beweisen wird.