Vom VW Beetle-Fieber, wie es geheilt wurde und warum auch das Audi TT-Coupé ein wenig krankt

Über den Beetle wurden Jubel-Arien geschrieben. Bevor es ihn hier in Old-Germany gab. Es setzte eine kleine Abkühlung ein, als man den deutschen Preis kannte. Aber die Presse jubelte weiter. Und der Beetle wurde auch weiter verkauft. Aber nun... - Nun leidet auch der Audi TT unter der Hysterie, die durch eine entsprechende Presseberichterstattung verbreitet wurde. Die Lieferzeiten zogen zunächst an. Und nun teilt Audi mit, daß man die Lieferzeiten durch eine Produktionserhöhung abbauen will. - Man braucht sich in Ingolstadt aber in dieser Beziehung keine Sorgen zu machen. Bald wird man in den Verkäuferzimmern bei VW und Audi wieder die Aufsteller bei den morgendlichen Verkäuferbesprechungen plazieren können, die schon mal Ende der 50er Jahre bei VW ganz aktuell waren: 

"Verkaufen ist Silber - Ausliefern ist Gold"

99-02-23/06. Motor-KRITIK ist in einer Reihe von Verkaufsorganisationen praktisch zu Hause, da dort selbst lange aktiv.
Die Beetle-Hysterie war schon überraschend. Für alle die etwas vom Autogeschäft verstehen. Die nur darüber schreiben, die Automobile nicht bezahlen müssen, sondern als Testwagen genießen können, für die war der Beetle ein Traumwagen. Vom Traumpreis sprach kaum jemand.

Und solange es den Beetle hier nicht gab, war das wie mit einer Frau die sich tage-, wochenlang ziert, mit einem Mann ins Bett zu gehen. Es verstärkt das Verlangen. - Aber dann folgt die Ernüchterung. Oft ist die nämlich auch nicht anders als die, die man schon kannte.

So ist das auch mit dem Beetle. Wobei man hier noch den Eindruck haben muß, daß sich hier das Volkswagenwerk den "intimen Kontakt" mit dem Beetle zusätzlich bezahlen läßt. Man hat in Wolfsburg die Preise angeheizt, wie ein guter Zuhälter. Aber nun merken die "Kunden", daß es auch Automobile gibt, mit denen man nicht nur "intimen Kontakt" haben kann, sondern die auch noch Gebrauchsnutzen bieten. Anders übersetzt: diese Damen können zusätzlich auch noch kochen.

Keine Frage: VW verlangt für den Beetle einen Freudenhauspreis. Das will man jetzt (evtl.) dadurch korrigieren, daß man die Ausstattung verbessert, das Automobil wertvoller macht. Aber das wird nicht helfen. Wer nur einen Hunderter in der Tasche hat wird nicht für eine Dame 150 Mark ausgeben, nur weil die ein Spitzenhöschen trägt.

Motor-KRITIK hat mal in den Auftragsbestand eines großen VW-Händlers geschaut. Der hat knapp eine dreistellige Zahl von Beetle verkauft, aber kann davon durch Auslieferungen nur knapp 20 Prozent zu Umsatzzahlen machen. Der Rest der Beetle-Besteller ziert sich zur Zeit. Man stellt zurück, schiebt familiere Probleme vor, erwägt eine Umstellung auf ein anderes Fahrzeug im VW-Programm, will evtl. einen Ersatzkäufer stellen... - also eigentlich - am liebsten - möchte man ganz raus aus dem Vertrag.

Der tatsächliche Grund: das Fahrzeug ist zu teuer, überschreitet die bei vielen der Beetle-Bestellern vorhandene Schmerzgrenze von DM 30.000. - Ohne Blumenvase zu 28.500 wäre den meisten dieser Beinahe-Besitzer das Fahrzeug schon genehm. Machen wir uns nichts vor: das Thema Beetle ist gegessen. Die vorgenommene preisliche Plazierung war eine Marketingfehlleistung. Und sie ist kaum noch zu korrigieren, ohne das Gesicht zu verlieren. Und in diesem Punkt ist man in Wolfsburg so empfindlich wie ein Japaner.

Also: abhaken. - Kommen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung. Er betrifft das Thema Audi TT.

Auch hier überschlug sich die Presse. Tatsächlich ist der TT auch ein interessantes Automobil. Aber er wird - mit der zur Zeit angebotenen Motorisierung - nun mal nicht verschenkt. Der Porsche-Boxster-Preis kann da nicht Maßstab sein. Wohl aber dessen Motorisierung. Und da ist es eben Sechszylinder-Fahrkultur und -Power. (Wobei hier Kultur vor Power rangiert!)

Da liegt die Schwachstelle beim Audi TT. - Und da wir gerade mal bei einem großen VW- und Audi-Händler sind, schauen wir uns einmal dessen Auftragsbestand Audi TT an. Fast ein halbes hundert Fahrzeuge hat er verkauft. Daraus resultierten aber leider auch nur rund 20 Prozent Auslieferungen. Der "Rest" der Besteller läßt die Auslieferung zurückstellen, wartet angeblich auf den Roadster, findet den interessanter. Zum Weiterverkauf?

Das Nischengeschäft ist nicht einfach. Es wird beim VW- und Audi-Handel auch "nur so mitgemacht". Denn eigentlich sind die vorhandenen Verkäufer mit dem Vertrieb der sogenannten Brot- und Butter-Autos voll ausgelastet. Wie sollte man da auch richtig "auf die Spinner" eingehen können, die einem nur die Zeit stehlen, und, und, und. (Ich kenne die Sprüche, da ich nicht nur vor vielen Jahren als Sonderverkäufer, sondern auch als Verkaufsleiter  meine Erfahrungen habe.)

Und wer in diesem Zusammenhang von Verkäufen per Internet träumt, der hat noch niemals in Deutschland Automobile verkauft.

Herr Büchelhofer wird sich etwas einfallen lassen müssen. Die jetzige Situation im VW-Konzern ist ja nur ein Anfang, die Spitze des Eisbergs. Da wird noch der Achtzylinder-, der Zwölfzylinder-Passat kommen (wenn Herr Piech das will), da werden noch eine Menge Nischenprodukte (die wichtig für's Image der Marke sind) das Licht der Welt erblicken. - Aber wie an den Mann, die Frau bringen?

Der Traum aller Vertriebsstellen ist, die Vertriebskosten zu senken. Aber womit sind denn Verkäufer (und Händler) am besten zu motivieren? -  Über's Geld. - Wunsch und Realität sind bei den Nischenprodukten kaum in Einklang zu bringen. Und was nutzen gute Verkaufszahlen, Verkaufsstatistiken? - Man wird sich in Wolfsburg wieder an die alten Aufsteller erinnern müssen - und damit dann auch Verkäufer und Handel erinnern:

"Verkaufen ist Silber - Ausliefern ist Gold".

 MK/Wilhelm Hahne