Warum der smart nur bei DaimlerChrysler überleben kann

Der "stern" vermeldet einen einzigen smart-Unfall und löst damit eine neue Debatte um die Fahrsicherheit des Konzepts aus. Daß dieses Konzept nicht stimmt, hat man inzwischen sogar in der Konzernspitze begriffen. Die dieses Konzept mit entwickelt haben, sind lange abgelöst. Bis auf die an der Konzernspitze. Dabei war in Sachen smart vieles vorhersehbar. Aber auch jetzt noch handelt man nach dem Motto: Augen zu und durch. Das geht nur mit der Finanzkraft des DaimlerChrysler-Konzerns. Und weil die Verluste bei smart im Rahmen der übermächtigen Mercedes-Benz-Überschüsse der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Und so konnte dann auch Jürgen E. Schrempp auf der Bilanz-Pressekonferenz am 31. März in Stuttgart vermelden: "Das Geschäftsfeld Mercedes-Benz Personenwagen und smart war 1998 außerordentlich erfolgreich und stellte neue Absatz- und Umsatzrekorde auf." - Motor-KRITIK würde - wenn man einmal smart von Mercedes-Benz abkoppelt - die bisher bei smart (also MCC) angelaufenen Verluste so einschätzen:

Eine Milliarde D-Mark reicht nicht

99-03-31/04. Nein, der vom "stern" geschilderte Unfall kam nicht durch eine Windboe zustande. Sagt man bei MCC. Und das stimmt in diesem Falle sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit. Was aber nichts an der Tatsache ändert, daß ein smart extrem seitenwindempfindlich ist. Das liegt zum einen am Heckmotorkonzept, aber auch an der Angriffsfläche, die dieser Kleinwagen dem evtl. vorhandenen Seitenwind bietet.

Da man bei DaimlerChrysler in Stuttgart über entsprechende Prüfanlagen verfügt, müßte es doch ein leichtes sein, der Öffentlichkeit bei Vergleichsfahrten mit anderen Kleinfahrzeugen (anderer Konzeption) zu verdeutlichen, daß das smart-Konzept das überlegene ist. Aber es wird diesen Vergleich nicht geben, weil der smart - auch hier -Schwächen hat.

Wer wüßte das besser als der neue MCC-Entwicklungschef Helmut Wawra, der nun für die Sünden seiner Vorgänger Erklärungen (und Lösungen) finden muß? Erklärungen sind schnell gefunden. Was ließe sich nicht argumentieren? Aber wie läßt sich der smart im Verkauf verbessern?

Im Januar 1999 wurden in Deutschland noch 1503 smart zugelassen, im Februar waren es nur noch 1.047, was einem Rückgang von rund 30 Prozent entspricht. Und was wird nun im März vermeldet werden können?

Auf einer Händlertagung vor Wochen zeigten sich die smart-Händler (wenn sie unter sich waren) nicht sehr zuversichtlich. Sie machen Druck auf DaimlerChrysler, wo man ihnen "Milch und Honig" durch das smart-Geschäft versprochen, sie zu gewaltigen Investitionen animiert hatte. "Und nun haben wir den Salat", beschreibt ein smart-Händler etwas salopp die Situation.

Um die smart-Händler ruhig zu stellen, muß derzeit DaimlerChrysler kräftig in die Tasche greifen. Bei den kleinen, zu kleinen Umsätzen, sind die smart-Händler nicht mehr in der Lage die Zinslasten für die vorgenommenen Investitionen zu tragen. Von Rückzahlung der aufgenommenen Kredite ganz zu schweigen.

Aber da springt jetzt DaimlerChrysler in die Bresche, um die Banken zu beruhigen. Man übernimmt für die Investitionskredite Bürgschaften. Und es laufen weitere Aktionen an, die man intern als Stützungsmaßnahmen bezeichnet, die aber der MCC-Mutter, DaimlerChrysler, richtig Geld kosten.

So müssen z.B. die smart-Händler (man unterscheidet übrigens in A-, B- und C-Händler) die vorliegenden Rechnungen für Werkstattausstattungen mit Spezialwerkzeug, Software, und, und, und, derzeit nicht bezahlen. Das Zahlungsziel wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Und MCC übernimmt auch 75 Prozent der Kosten für die lokale Werbung. Wenn also derzeit in den Regionalausgaben der Zeitungen verstärkt Anzeigen der örtlichen smart-Händler zu finden sind, so ist das dieser Hilfe von MCC (DaimlerChrysler) zu verdanken.

Wobei übrigens die smart-Händler mit der bisher von MCC betriebenen Werbung nicht zufrieden sind. "Diese Werbung vermittelt doch den Eindruck", faucht ein smart-Händler, "daß smart eine Firma ist, die Automobile zum Parken baut, nicht zum Fahren."

Die smart-Händler wurden auf der Tagung getröstet. Alles soll besser werden. "Wir werden die Glaubwürdigkeit der Werbung verbessern, nicht mehr auf der Lifestyle-Welle reiten", wurde von MCC-Verantwortlichen versichert. Und um die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu unterstreichen, hat man dann gleich den bisherigen Marketingmann ("Das war noch ein Hajek-Gefolgsmann.") abgeschossen. Einen Schuldigen findet man immer.

smart wird auf der IAA mit einem eigenen Stand vertreten sein. Natürlich direkt neben DaimlerChrysler plaziert, so daß die Kompetenz der Konzernmutter abstrahlen kann. Und man will "Preisrechtfertigung" betreiben, wie aus Händlerkreisen zu hören. Schon Mitte April soll eine neue Werbekampagne anlaufen, die sich deutlich von der bisherigen unterscheiden soll. - Man tut also etwas. - Aber was wird aus dem Produkt, das eigentlich die Basis für den Verkauf darstellt?

Der neue Entwicklungschef, Helmut Wawra, kann für das derzeit produzierte Produkt wenig tun. Er hat eine Reihe von bewährten Mitarbeitern von Mercedes-Benz zu MCC nachkommen lassen, versucht nun den Dingen, d.h. dem smart, eine gesunde konstruktive Basis zu geben. Das geht aber nur, wenn man das bisherige Konzept verläßt. Natürlich kümmert man sich noch um das jetzige Modell. Da laufen im hohen Norden gerade die abschließenden Versuchsfahrten für das Cabrio, da wird die Diesel-Produktion vorbereitet. Das alles soll die Verkaufszahlen nach vorne bringen. Aber eigentlich ist nun in Renningen, dem MCC-Standort klar: Man muß einen Strich ziehen und neu beginnen.

Und so arbeitet Helmut Wawra mit seinem Team schon intensiv am Nachfolger des jetzigen smart, der konstruktiv nichts mehr mit der jetzigen Version zu tun haben wird. MCC-intern wird von der "Baureihe 2" gesprochen, wenn man von jenen Versionen spricht, die man frühestens im Jahre 2002 erwarten darf.

Bis dahin muß die zeitliche Lücke mit der jetzigen - eigentlich unvollkommenen Version - überbrückt werden. Cabrio und Diesel müssen neue Anreize bieten. Und die smart-Center müssen besser auf die mögliche Kundschaft ausgerichtet werden. Da gibt es bei den Verkaufsergebnissen sehr große Unterschiede, die MCC-intern nur dadurch erklärt werden, daß in dem einen Center Autofachleute arbeiten, im anderen aber Inhaber das Sagen haben, die vorher ihr nun (sehr schlecht) angelegtes Geld in anderen Berufen verdient haben. Die merken nun: das Automobilgeschäft hat seine eigenen Gesetze.

Das hätte aber eigentlich auch das Top-Management bei Mercedes und Daimler wissen müssen, als es sich damals zum Abenteuer smart entschloß. Da man aber in der Vergangenheit gewohnt war, nur Erfolge zu verwalten, war man auf die neue . nun wirklich unternehmerische Situation - gar nicht vorbereitet.

Die Verluste die bei smart anfallen verringern natürlich die Gewinne bei Mercedes-Benz. Da die aber so riesig sind und da das Top-Management die Geschäftsfelder Mercedes-Benz und smart elegant miteinander verbunden hat, fallen der Öffentlichkeit die Milliardenverluste gar nicht auf, die bei MCC bis zum Jahre 2002 noch anfallen werden.

Und ob es ab da aufwärts geht, dafür gibt es keine Garantie. Tatsache ist, daß es DaimlerChrysler gelungen ist, mit dem smart einer an und für sich guten Kleinwagenidee durch eine Anhäufung von amateurhaften Fehlern einen gewaltigen Rückschlag zu versetzen.

Derzeit ist es so, daß es wohl keine Automobilfirma auf der Welt gibt, die einen Flop wie den smart über Jahre verkraften könnte. Dazu braucht es nicht nur DaimlerChrysler, sondern auch einen Mann wie Schrempp. Der glaubt, daß das Durchhalten die einzige Möglichkeit im Falle smart ist. Im anderen Falle... - Oh je, der Rattenschwanz von Problemen - bis hin zu internationalen Verwicklungen (mit Frankreich) - wäre nicht zu übersehen.

MK/Wilhelm Hahne