Honda Deutschland und seine etwas ausgefallene Verkaufspraxis für den Sport Roadster

Bei Honda, so hatte ich Ende des letzten Jahres den Eindruck, weiß man nicht so recht was man tut. Aber es gab einen neuen Vertriebschef, von Mercedes kommend. Zufällig ist der inzwischen schon nicht mehr da. Zunächst degradiert und dann "in die Wüste geschickt". Und bei Honda passierte das, was ich in meiner Geschichte am 12. Dez. 1998 ("Wackeln die Honda-Preissenkungspläne?") vorhersagte: "Man muß kein Prophet sein, um die 1999er Verkaufszahlen von Honda abrutschen zu sehen." - Aber nun kommt es noch schöner: Für den neuen Sport Roadster, Honda S 2000, gelten verschärfte Verkaufsbedingungen. Nicht nur für Händler. Auch für Kunden. Und nun bekommt der Irrsinn System. Ein Honda-Händler hat recht, wenn er feststellt:

"Selbst die Stasi wußte
von Trabi-Kunden weniger
als Honda von seinen S 2000-Käufern."

99-07-17/02. Honda-Händler stöhnen. Sie haben keine Kunden. Weil Kunden heute Rabatte kaufen und keine Automobile. Und Honda-Händler können keine Rabatte mehr geben.

Aber wenn sie Kunden haben, dann haben sie keine Automobile. Weil es dort Lieferzeiten gibt. Monate muß ein Honda-Kunde warten. Auf seinen Civic zum Beispiel bis Oktober, November. Dabei wollen wir noch gar nicht vom Käufer eines Honda S 2000 sprechen. Denn der bekommt sein Wunschautomobil vielleicht überhaupt nicht. Und das erfährt er - wenn er Glück hat - ungefähr drei Monate nach seiner Bestellung.

Honda hat seine Händler entsprechend (VA-VL 30/99 vom 30. April 1999) informiert. Honda erklärt das so:

"Der Honda S 2000 wird als exklusiver Sport-Roadster mit anspruchsvoller Technik ausschließlich in der NSX-Produktionssttätte in Tochigi/Japan hergestellt. Aus diesem Grund sind der Serienproduktion mengenmäßig enge Grenzen gesetzt.

Das für den deutschen Markt im laufenden Kalenderjahr 1999 zur Verfügung stehende Kontingent an Fahrzeugen wird nicht ausreichen, die bereits im Handel vorliegenden Kundenbestellungen vollständig zu bedienen. Dies hat auch unter Berücksichtigung der Planung für das Jahr 2000 zur Folge, daß die Lieferzeit für Kundenbestellungen ein Jahr und länger betragen kann."

Das hört sich noch einigermaßen verständlich an. Es handelt sich offensichtlich beim Honda S 2000 um ein seltenes Stück. Noch nicht einmal jeder Honda-Händler kann ihn seinem Kunden verkaufen. Er darf z.B. keine Schulden bei Honda in Offenbach haben. Zitat:
"Aufträge von Händlern mit offenen Zahlungsverpflichtungen aus Fahrzeug-Rückbelastungen seitens der Deutschen Bank AG bzw. der Bank of Tokyo-Mitsubishi (Deutschland) AG werden vor vollständiger Begleichung des offenen Saldos nicht bearbeitet."
Tip für einen Honda S 2000-Interessenten: Lassen Sie sich vor Auftragserteilung zunächst vom Honda-Händler in einer eidesstattlichen Versicherung bestätigen, daß die oben geschilderte Version nicht auf ihn zutrifft.

Erwarten Sie als Kaufinteressent bitte nicht, daß Sie aufgrund der Vorführ- oder Ausstellungswagensituation schnell erkennen können, welcher Händler wohl eher einen Honda S 2000-Roadster liefern kann. Denn Honda hat allen Händlern mitgeteilt:

"Eine Lieferung des Honda S 2000 zum Zwecke der Zulassung auf den Händlerbetrieb (insbesondere Vorführ- oder Werkstattleihwagen) oder zur Vorhaltung als Lagerfahrzeug ist aus den vorher genannten Gründen ausgeschlossen."
Weil die Autos knapp sind, darf kein Händler sie haben. Nicht zum Zeigen, nicht zum Vorführen. Nicht zum Verkaufen. - Das hat doch etwas. Und wenn der Kunde recht, recht brav ist... -  Sie glauben das nicht? - Was nun folgt sind die Honda-Vorgaben für die Bestellabwicklung:
"Der Honda S 2000 kann nicht über HONDACOM/Btx, sondern ausschließlich schriftlich per Fax bestellt werden. Einzureichen sind dabei:
Ja, ja - der Kunde muß zunächst einmal der Firma Honda klar machen, daß er über das Format verfügt, einen solch hervorragenden Wagen für um 65.000 Mark kaufen zu können. Honda möchte sich schließlich nicht für seine Kunden schämen müssen.

Und dann geht es im Kundenfragebogen (den gibt es wirklich, er ist zu jedem Kaufvertrag Pflicht!) los:

"Wieviele Fahrzeuge haben Sie neben dem Honda S 2000 in Ihrem Haushalt?"
Eigentlich ist diese Frage falsch gestellt, denn der Kunde hat ja noch gar keinen Honda S 2000. Und ob er jemals einen bekommen wird, darüber hat Honda zum Zeitpunkt der Ausstellung des Fragebogens noch nicht entschieden. Aber auf dem Fragebogen sind dann drei Felder vorgesehen. Für 1. Wagen, 2. Wagen, 3. Wagen. - Also: drei Fahrzeuge kann man ja wohl neben einem Honda S 2000 von einem Käufer schon erwarten.

Und dann heißt es im Honda-Fragebogen:

"Nun zu Ihrem vorherigen Fahrzeug:
Welche Marke und Modell hatte Ihr vorheriges Fahrzeug?"
Man geht wohl bei Honda davon aus, daß hier das Fahrzeug genannt wird, das neben den drei anderen bisher gefahren wurde. Aber man möchte das schon ganz genau wissen:
"Ist Ihr neuer Honda S 2000....
...ein Ersatz für Ihr altes Fahrzeug
...ein zusätzliches Fahrzeug in Ihrem Haushalt
...tendenziell eher das Erstfahrzeug in Ihrem Haushalt
...eher das Zweitfahrzeug in Ihrem Haushalt"
Dann wird nach Geschlecht und Alter des Käufers gefragt, wieviele Personen im Haushalt leben, nach dem Familienstand, nach dem Beruf, aber auch:
"Wie hoch ist das monatliche Nettoeinkommen Ihres Haushalts nach Abzug aller Steuern und Sozialbeiträge?"
Und dann fragt man noch, ob der Käufer eines Honda S 2000 nicht auch Bedarf für andere Honda-Produkte, wie Motorräder, Mofas, Motorroller, Leichtkrafträder, Enduros, Sportmotorräder, Chopper, Rasenmäher und Bootsmotoren hätte. - Man kann doch mal fragen?

Und wie ich oben schon (ab-) schrieb: "der vollständig ausgefüllte Kundenfragebogen" muß jedem Bestellformular beigefügt sein.

Aber das allein wäre ja zu einfach. Und darum heißt es in den Verkaufsrichtlinien der Honda-Händler:

"Bitte richten Sie sich darauf ein, daß wir in jedem Sonderfall für die interne Prüfung sowie die Abstimmung mit dem Herstellerwerk und damit auch für die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des einzelnen Händlerauftrages bis zu drei Monate benötigen werden.

Deshalb empfehlen wir Ihnen, mit dem jeweiligen Endkunden eine schriftliche Vereinbarung dahingehend zu treffen, daß dieser sich an seine Bestellung mindestens für eine Dauer von drei Monaten gebunden hält."

Und damit die Kunden auch wissen, was Ihnen Gutes getan wurde, wenn Honda den Auftrag tatsächlich einmal annehmen sollte, wird dem Honda-Händler versprochen:
"Bei den von uns bestätigten Händleraufträgen werden die betreffenden Endkunden von uns zum Kauf eines Honda S 2000 beglückwünscht."
Und Motor-KRITIK möchte die Honda-Händler zum Besitz eines Honda-Händlervertrages beglückwünschen. Wann hat man schon mal mit so netten Leuten zu tun, die aus einer Zeit zu kommen scheinen, als Deutschland noch der Verbündete von Japan (oder umgekehrt) war. Und gemeinsam werden sie den Markt besiegen. Und das wird keine tausend Jahre dauern.

Und weil die Händler bis dahin sonst nichts zum Geldverdienen haben, werden ihnen vom "Partner Honda" jetzt Automobile mit Hagelschäden ab Lager Gent angeboten. Jedes Fahrzeug individuell mit Hagelbeulen. Und jeder Händler wird gut daran tun, ihn mit diesen Beulen zu verkaufen. Natürlich deutlich unter Neupreis. Und ohne Lackgarantie. (Das ist Honda-Vorschrift.)

Bei Honda scheint zur Zeit "der Lack ab" zu sein. Man ist auf der Suche nach neuen Vertriebswegen. Eigentlich wollte man schon längst so um 200 Händlern die Kündigung schicken. Aber das wäre teuer. Zu teuer? - Darum versucht man es derzeit mit einer Verärgerung der Händler. Damit die von sich aus kündigen. Das ist billiger.

Daß das aber Kunden kostet, weil so auch mögliche Kunden verärgert werden, ist den Honda-Verantwortlichen wohl nicht klar. Und das interessiert auch wohl nicht.

Einige Honda-Elitehändler hat man - ganz geheim - im Juni zu "vertraulichen" Gesprächen nach Japan eingeladen, um mit Ihnen.... - aber das darf selbst Motor-KRITIK im Moment noch nicht erzählen. Zu dieser Reise waren nämlich nur 20 Honda-Händler eingeladen. Und einer von zwanzig ist schnell entdeckt.

Wen Honda nun als Händler verlieren wird, sind übrigens nicht die Händler die man gerne los werden möchte. Auf die billige Art. Verlieren wird Honda nun seine guten Händler, weil die jetzt natürlich von der Konkurrenz angesprochen werden. Da bemüht sich z.B. zur Zeit Nissan sehr, es kann auch ein gewachsenes Interesse an guten Honda-Händlern bei Alfa Romeo registriert werden.

Bei Honda macht man derzeit in der Händlerpolitik alles falsch. Der Konkurrenz soll's recht sein. Und der Honda-Kunde?

Nun, Honda 2000-Interessenten könnten sich z.B. einen Mercedes SLK bestellen. Das geht derzeit zügig. Wenn Sie jetzt bestellen, wird das Fahrzeug innerhalb der nächsten drei Monate geliefert. In der gleichen Zeit, die Honda für die Bestätigung oder Ablehnung eines Auftrages braucht.

Die Zeiten haben sich geändert. Mercedes hat's gemerkt - und redet nicht drüber. Audi hat's gemerkt. Denn versuchen Sie mal einen Audi TT sofort zu bekommen. - Kein Problem. Und in der neuesten Ausgabe von "auto motor und sport" werden im Anzeigenteil z.B. 45 Stück angeboten. Neu und gebraucht. Nur Honda hat's noch nicht gemerkt. Kennt aber dafür - dank einem ausführlichen Fragebogen - jeden Kunden bis ins Detail.

Noch einmal ein Zitat aus dem Formular für den Kundenfragebogen:

"Für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen innerhalb dieses Projekts ist die Honda Deutschland Marketingforschung verantwortlich."
Jugend forscht.
MK/Wilhelm Hahne