Motor-KRITIK war mit einem neuen VW Bora Variant Pumpe-Düse TDI unterwegs

Der Fortschritt ist nicht immer Fortschritt. Welcher Diesel ist nun der richtige, der ideale Diesel? Der mit der Hochdruck-Einspritzpumpe? Der mit Comon-Rail-Einspritzung? Der mit Pumpe-Düse? - Ich habe mich mit allen Systemen beschäftigt, hatte bisher aber noch keinen Pumpe-Düse-Diesel gefahren. Nun war es der Bora. Nachstehend schildere ich nicht nur meine subjektiven Eindrücke, sondern schreibe auch nieder, was ich sonst so weiß. Und das ist (wie immer?) mehr, als anderswo zu lesen. Und weil ich die gemessenen Verbrauchswerte relativieren wollte, bin ich auf der gleichen Strecke mit (fast) dem gleichen Durchschnitt, einen hubraumkleinen (das ist relativ) Benziner, einen 1,6 l Peugeot 106 S 16 gefahren.

Pumpe-Düse ist subjektiv toll - objektiv eine Einbahnstraße?

99-07-29/03. Das Ganze hört sich gut an: 115 PS, Sechsganggetriebe, ein Spitzendrehmoment von 285 Nm. Toll! Und das in einem Automobil eines Herstellers, der sich eigentlich auf die Fahrwerkabstimmung eines Fronttrieblers verstehen sollte.

Eingestiegen, sich wohlgefühlt. Gas gegeben. Und dann über eine der typischen Eifellandstraßen. Wellig, kurvenreich, immer wieder durch kleine Ortschaften führend.

Nein, es ist nichts mit dem - dank großem Drehmoment, wie ich dachte - im großen Gang fahren. Mit 50 km/h im großen Gang geht nichts. Im 5. Gang ist es besser, geht aber auch nicht gut. Der 4. Gang muß es sein. Der dritte ist der richtige, wenn man ausgangs kraftvoll beschleunigen will.

Der Motor hört sich nach dem Starten ein wenig rauh an, so, als wäre es eine Dame, die aber regelmäßig Whisky trinkt. Das gibt so eine rauchige Stimme. Aber nicht unangenehm. Es wirkt fast ein wenig sexy.

Die Sitze sind gut, die Lenkung ist OK, die Fahrwerkabstimmung - wie gedacht - sehr gut. Das Fahrzeug hat gerade die Härte, die man braucht um sich dynamisch vorwärtsbewegen zu können, ist aber so weich, daß man sich nicht über eine unnötige Härte beklagen könnte.

Das mit den blau beleuchteten Instrumenten wäre für mich ein Grund, das Fahrzeug nicht zu kaufen. Als ich Ahrtal durch einen Tunnel fahre muß ich das Licht einschalten. Mir wäre fast schlecht geworden. - Vielleicht löst das bei anderen einen Freudenschrei aus.

Die Strecke die ich fahre, besteht aus rund 60 Prozent Landstraße und dem Rest Autobahn. Nach rund 90 Minuten habe ich meine Runde beendet und tanke wieder voll.

Durchschnittsverbrauch bei einem Durchschnitt von rund 100 km/h = 7,8 l/100 km. - Nicht schlecht.

Nun hole ich den Benziner, meinen kleinen flinken Peugeot 106 S 16, fahre die gleiche Strecke, benötige 3 min länger als mit dem Diesel und verbrauche: 6,8 l/100 km. - Superbenzin.

Bei den heutigen Benzin- und Dieselpreisen bin ich damit immer noch mit dem Diesel kostengünstiger, soweit sich das auf die reinen Verbrauchskosten bezieht. Und ich war mit mehr Automobil, mehr Gewicht, mehr Komfort unterwegs. Der war in der Anschaffung aber auch rund 50 Prozent teurer.

Auffallend: ich habe mit dem kleinen Benziner und seinem 5-Ganggetriebe deutlich weniger schalten müssen als mit dem kräftigen VW-Diesel. Das liegt zum einen am unterschiedlichen Gewicht der Fahrzeuge, aber auch an der Getriebeabstufung. Die ist eben beim Peugeot "rennmäßiger", was das Durchfahren der Ortschaften im 5. Gang (mehr hat er nicht) ermöglicht. Das ist praxisgerechter als beim Bora Pumpe-Düse TDI. Hier ist die Getriebeabstufung auch schwieriger, weil das Drehzahlband  schmaler ist. (Peugeot bis 6.500, Bora bis 4.000 Umdrehungen.)

Würde ich mir nun so einen Pumpe-Düse-Motor (und dem entsprechenden Automobil) kaufen? - Ich bin zwar von den Fahrleistungen beeindruckt, aber mir gefallen so Kleinigkeiten nicht.

So hat der VW-Pumpe-Düse-Motor als Nockenwellenantrieb einen Zahnriemen. Leute die sich auskennen  behaupten, der hier verwendete Zahnriemen wäre breiter als andere bei VW verwendeten. Aber ich weiß aus anderen Versuchsabteilungen, daß der Zahnriemen gerade beim Pumpe-Düse-Motor einer hohen Belastung unterliegt. Denn die Nockenwellen müssen hier auch die kleinen Pumpen betätigen. Das erfordert Kraft, die - nach meinem Wissen - einen Zahnriemen dazu bringen kann, die Einspritzzeiten bis um zu 6 Grad zu verändern, weil sich ein Zahnriemen unter großer Belastung ein wenig längt.- Der Spruch, "Je länger, je lieber", stimmt eben nicht immer.

Auch einige Leute im Stuttgarter Raum sind mit dem energisch von VW geäußerten Wunsch nach der Pumpe-Düse-Lösung nicht so ganz glücklich. Es sind nämlich nicht die hohen Druckwerte (bis 2000 bar) die den Wert eines guten Direkteinspritzer-Dieselmotors ausmachen. Dieser Druck erhöht - über die Zeit betrachtet - die Kosten. Die Dieselzukunft liegt beim Comon-Rail-System. Natürlich weiter verfeinert durch noch kleinere, feinere Einspritzdüsen, und vielleicht einer vierstufigen Einspritzung.

Beim Pumpe-Düse-Motor ist vieles rein mechanisch, die Voreinspritzmengen sind nicht ganz exakt, können es nicht sein. Es hat hier Versuche gegeben, bei denen die einzelnen Pumpen vor dem Einbau in den Motor exakt auf gleiche Werte eingestellt wurden. Trotzdem waren dann in der Praxis die Einspritzmengen vom Volumen her unterschiedlich. Weil das Schwingungsverhalten des Diesel in der Zuführung, weil die unterschiedliche Temperaturentwicklung des Treibstoffs eine exakte Zumessung vom Volumen her einfach unmöglich macht.

Man muß bei einem Pumpe-Düse.Motor sogar auf die Torsionssteifigkeit der Nockenwellen achten. Die werden nämlich sehr beansprucht. Nicht umsonst arbeitet z.B. der Fünfzylinder-Rennmotor im VW Bora mit einer Hochdruck-Einspritzpumpe. Eigentlich ein Witz: VW propagiert den Pumpe-Düse-Motor, arbeitet aber im Rennmotor mit der Hochdruckpumpe, wie sie auch im BMW 320d zu finden ist. Für einen SechszylinderMotor ist z.B. nach Meinung von Fachleuten eine Pumpe-Düse-Lösung schon unvernünftig. Die Nockenwelle ist zu lang.

Beim Vierzylinder TDI im Bora ist sie aber noch zu vertreten. Wobei aber schon daran erinnert werden sollte, daß im Moment der Einführung nur ein einziges Motorenöl für die Verwendung in diesem Motor freigegeben war, weil an dessen Scherfestigkeit im Nockenwellenbereich besonders hohe Ansprüche gestellt werden. Aber praktisch alle wichtigen Ölfirmen arbeiten an einer Lösung für den Pumpe-Düse-Motor von VW.  - Also bitte daran denken: Nicht jedes Öl verwenden!

Das Problem besteht u.a. darin, daß die Öle von VW vor Freigabe geprüft werden müssen. Eine solche Prüfung kostet nicht nur so um 100.000 DM sondern erfordert auch einen freien Prüfstand. Und davon gibt es zu wenig.

Wenn Sie mich fragen: Ich würde mir keinen Pumpe-Düse TDI kaufen. Er ist - aus meiner Sicht - nicht die beste Lösung. Aber so ein Ding fährt sich hervorragend.

Man muß sich also bei einem Kauf zwischen Kopf und Bauch entscheiden. Während ich sonst immer Bauch-Entscheidungen bevorzuge, würde ich beim Dieselmotor (vielleicht weil das auch schon eine Kopfentscheidung ist) mich immer für eine Comon-Rail-Lösung dann entscheiden, wenn die Zylinderzahl über vier Zylinder liegt. Ich bin nun mal in die Vierzylinder-Hochdruckpumpen-Lösung beim BMW 320d ein wenig verliebt. Und die Nockenwelle wird beim BMW-Diesel über eine Kette angetrieben. (Wenn es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: bei BMW gibt es keine Motoren mit Zahnriemen.  Man weiß in München warum!)

Ich habe den BMW 320d übrigens nicht nur in seiner Serienversion, sondern auch als Rennversion - selber am Gaspedal - erlebt. Das ist der Wahnsinn! - Womit bewiesen wäre, daß auch ein Diesel den Geist verwirren kann. - Es muß nicht immer Ferrari sein.

Also kaufen Sie sich ruhig - wenn Sie nach einem Probefahrterleben dazu neigen, den Pumpe-Düse-TDI. Aber klagen Sie bitte später nicht, wenn es Ärger mit dem Zahnriemen, der Nockenwelle (Öl) usw. gibt. - Ich habe Ihnen hier alles aufgeschrieben.

Übrigens wundere ich mich, daß über diese Problematik noch nirgendwo anders etwas stand. Man muß sich doch einfach nur für Details interessieren und recherchieren. - Aber das kostet Zeit, die sich heute kaum noch einer nimmt, wenn er auf Rentabilität achtet. Und darum vielleicht Diesel fährt.

Zum Glück fahre ich noch einen Benziner. - Damit ich Dieselfreunden noch etwas erzählen kann.

MK/Wilhelm Hahne