Wie man als Herr und Frau Jedermann die deutsche Automobilindustrie auch beurteilen kann

Eigentlich ist das Image wichtig. Einer Firma. Und das Image, dass das Image des Fahrzeugs auf den Fahrer überträgt. Aber bevor jemand zum Fahrer (oder Fahrerin) wird, wird er zunächst zum Käufer. Aber wo kauft man günstig? - Nach welchen Kriterien soll man beurteilen, ob man mit einem Produkt gut bedient ist? -. Das weiß man immer erst hinterher. Motor-KRITIK unternimmt nachstehend den Versuch, einmal auf ein paar Zahlen hinzuweisen, nach denen man auch beurteilen kann, ob man bei bestimmten Automobilherstellern mehr Geld als eigentlich notwendig beim Kauf aus der Tasche gezogen bekommt. - Oder kann man das nicht? - Das alles fiel mir so als "Spiegel"-Leser ein und auf.

Manchmal sind die Nachlaßprozente schon vorher aufgeschlagen

99-09-14/01. Motor-KRITIK versuchte vor wenigen Wochen, den ungefähren Preis eines Fahrzeuges zu erfahren, das erstmals auf der diesjährigen IAA erstmals zu besichtigen ist. Mit einem Fachmann des Herstellers diskutierten wir, welchen Preis der Markt wohl hergeben würde. Wir waren uns schnell einig. Das Fahrzeug würde etwas unter 40.000 Mark kosten dürfen, vielleicht 39.000 DM. - Man war einverstanden. "Also", so hörten wir zu unserem Erstauen, "wird der Listenpreis bei 43.000 Mark liegen müssen".

Wir wurden aufgeklärt: "Niemand kauft doch heute ein Fahrzeug unseres Fabrikats, wenn er nicht wenigstens einen Nachlass von 10 Prozent erhält. Wenn das Fahrzeug also unter 40.000 Mark bringen soll, müssen wir es mit um 43.000 DM auszeichnen."

Nun hat es dieser Automobilhersteller sehr schwer. Weil er geschlafen hat, weil falsche Entscheidungen getroffen wurden, weil... - (Aber das würde schon wieder zu einem Prozeß führen. Aber stimmen.)

Andere haben es auch schwer, aber nehmen alles ein wenig leichter. Man greift dem Autokäufer mit leichter Hand in die Tasche. Zum Beispiel tut sich Porsche nicht schwer dabei. Man erhebt sozusagen einen "Traditionszuschlag". Bei Porsche ist man nämlich gerade dabei, die Vergangenheit aufzuleben. Wie sagte doch ein leitender Mitarbeiter vor Monaten: "Wir haben keine Zukunft, dafür aber eine Vergangenheit."

Es kann natürlich sein, dass das ein Freudscher Versprecher war. Aber gut getroffen.

Lassen wir einmal die ausländisch beherrschten Firmen außen vor, dann verbleiben vier deutsche Automobilhersteller. Betrachten wir hier einmal einen besonders interessanten Zusammenhang:

Im Geschäftsjahr 1998 produzierte jeder Beschäftigte der deutschen Automobilhersteller:
 
 
BMW
DaimlerChrysler
VW
Porsche
pro Beschäftigten:
9,3
10,2
15,9
4,7
Automobile

Nun sollte man sagen, daß die Rendite der einzelnen Firmen entsprechend dieser Zahl ausfallen würde. Wer mehr Fahrzeuge pro Beschäftigten herstellt, muß auch eine bessere Rendite (vor Steuern) erreichen.

Da aber offensichtlich die Kalkulationen unterschiedlich sind, gibt es hier tatsächlich "unabhängige" Ergebnisse. Und die sehen so aus:
 
BMW
DaimlerChrysler
VW
Porsche
Umsatzrendite vor Steuern:
3,3
6,2
4,7
10,2
Prozent

Wenn Sie nun Ihre Augen zwischen diesen beiden Tabellen hin und her wandern lassen, werden Sie darauf stoßen... - Ja, Donnerwetter aber auch! - Dass sich Mercedes seine Automobile immer besonders gut bezahlen ließ, war sicherlich vielen klar. Aber so kann man es an den Zahlen ablesen.

Und ein Porsche 911 muß einem Käufer (bisher!) wohl schon der Betrag wert gewesen sein, den Firmenlenker Wiedeking dafür verlangt. Solange das noch möglich ist. - Während bei VW eigentlich die Relation stimmt.

Natürlich gibt es überall Besonderheiten, die die genannten Zahlen beeinflussen. Aber Motor-KRITIK möchte das einmal exakt so begreifen, wie auch Analysten zu ihren Erkenntnissen kommen.

Und mit Zahlen läßt sich bekanntlich alles beweisen. Und auch nichts. Wie man an obigem Beispiel auch wieder beweisen kann. Denn wie ist es mit dem "Roverfaktor" bei BMW? - Was ist mit dem "Smart-", dem "Chrysler"-Faktor bei DaimlerChrysler? - Wie wirkt sich der Haustarif bei VW gegenüber dem von DaimlerChrysler aus? - Wie hoch ist der "Weissach"-Anteil bei Porsche?

Und wie wirkt sich eigentlich der Anstellungsvertrag des Herrn Wiedeking auf einige Entscheidungen zum Ende des Bilanzjahres 98/99 aus? - Ach, Sie kennen den Vertrag des Herrn Wiedeking nicht in den wichtigen Details? - Dann verstehen Sie auch nicht, warum es in Amerika zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Fahrzeuge mehr gab. - Dann verstehen Sie auch nicht, warum Herr Wiedeking so an einem Geländefahrzeug (zusätzlich zu den Sportwagen) interessiert ist.

Aber verstehen Sie nun, warum man mit Zahlen alles und nichts beweisen kann?

Die oben genannten Zahlen stimmen. (Die Basis ist dem "Spiegel" Nr. 37 entnommen.) Aber man kann nicht die Schlüsse daraus ziehen, die ich angedeutet habe. Aber trotzdem ist etwas Wahres daran.

Und so sind denn auch diese Zeilen (hoffentlich!) nicht umsonst geschrieben.- Wenn Sie, lieber Leser, dadurch etwas aufmerksamer geworden sind.

Damit meine ich z.B. auch Herrn Hawranek vom "Spiegel" und seine aktuelle Geschichte in Heft 37.  Denn Mercedes attackiert z.B. nicht "ihren kleinen Nachbarn Porsche mit dem Supersportwagen SLR". Das ist eine andere Kategorie. Und mit dem Z 8 drängen auch die Münchener nicht ins Porsche-Segment. Sportwagen sind genauso wenig gleich Sportwagen, wie Nachrichten-Magazine gleich Nachrichten-Magazine sind. Ich werde doch auch nicht den "Spiegel" mit "Focus" vergleichen. Obwohl beide auf Papier gedruckt sind. - Oder sind ein Porsche 996 und ein Ferrari 360 Modena schon deshalb Konkurrenten, weil sie pauschal unter die Gruppierung Sportwagen fallen?

Und keine Sorge, Herr Hawranek: die neue - noch zu errichtende VW-Fabrik in Dresden wird niemals zu einer Investionsruine werden. Und die Umsatzrendite von Honda ist anders zu beurteilen als die von Porsche. - Und die A-Klasse ist kein Erfolg. Und der Smart eine Katastrophe. Ein Tipp von mir: Statt über die Luxuspläne von Volkswagen zu lästern, sollte "Mercedes-Chef Jürgen Hubbert" besser über seine Sünden nachdenken. (Das ist natürlich produktbezogen gemeint. Denn Hubbert ist kein Schrempp.)

Vielleicht hätte es der "Spiegel" einmal mit Eidesstattlichen Erklärungen versuchen sollen. - Da hat er doch Erfahrung. Und man ist als Journalist immer auf der sicheren Seite. Auch wenn sich hinterher herausstellen sollte, dass... - Ich denke dabei an das Saab-Papier oder jenes von Rainer Nistl, der seine "mentalen Empfindungen" einbrachte. Dass die aber weit entfernt von realen Geschehnissen und Abläufen waren... -

Aber diese Vorwürfe gelten nicht für Herrn Hawranek. Und Herrn Rickelmann gibt es nun nicht mehr in der "Spiegel"-Redaktion. - Er wurde zur "Sternschnuppe". Ob der jetzt wohl wieder auf der IAA mit Herrn Borghs sprechen darf?

MK/Wilhelm Hahne