Motor-KRITIK ist für Mercedes das, was auch die Luftfederung für die S-Klasse ist: überflüssig

Natürlich hat DaimlerChrysler nicht auf die Geschichte in Motor-KRITIK reagiert. Sollte man einen Journalisten aus der Eifel dadurch auszeichnen, daß man auf seine Geschichte reagiert? - Da ist Wolfgang Inhester vor. Möglichst totschweigen, die Geschichte aussitzen. Der Hintergedanke: die paar Leute die Motor-KRITIK lesen, sind doch überwiegend ohne Einfluß. Oder durch Einflußnahme unter Kontrolle zu halten. Schließlich hat man schon andere Pleiten durchgestanden. - Aber aufgrund der Geschichte sind bei Motor-KRITIK neue Informationen angekommen. Und wenn man einmal einen Blick auf andere Mercedes-Neuerscheinungen und deren innovativen Fahrwerke wirft, dann wirft das auch ein bezeichnendes Licht auf die Leuchten bei DaimlerChrysler. - Dabei kennen die durchaus das große ABC der Fahrwerktechnik:

Darf es vielleicht doch ein wenig Stahl sein?

99-09-30/02. Mercedes-Benz, steht oben auf der Presse-Information, die von DaimlerChrysler Communications, Stuttgart kommt. Sie betrifft die Premieren auf der IAA. Dort gibt es dann auch Informationen über die neue Top-Limousine, die mit dem neuen V12-Motor, den S 600. Und die wird serienmäßig mit Active Body Control (ABC) geliefert.

Dazu heißt es im Pressetext:

"An der Spitze der serienmäßigen Innovationen des S 600 steht das aktive Federungssystem Active Body Control (ABC), das die Dämpfung der Karosserie innerhalb von Sekundenbruchteilen der aktuellen Fahrsituation anpaßt. Auf diese Weise reduziert das System die Aufbaubewegungen deutlich, so daß die Zwölfzylinder-Limousine Kurven mit stark verminderter Seitenneigung umrundet und bei schnellen Ausweichmanövern ein deutlich höheres Sicherheitsniveau bietet als Automobile mit konventioneller Fahrwerkstechnik."
Auch das Luxus-Coupé der S-Klasse, das Mercedes CL-Coupé weist dieses großartige ABC auf. In diesen Spitzenmodellen von Mercedes kam eben immer schon das Beste zum Einsatz. Und so verrichten denn hier auch wieder Stahlfedern ihren Dienst als Grundfederelement.

Mercedes-O-Ton aus einer offiziellen Information:

"Der Regelbereich des Active Body Control ist auf Aufbaubewegungen bis maximal fünf Hertz
begrenzt. Das sind Schwingungen, die üblicherweise durch Fahrbahn-Unebenheiten, beim
Bremsen oder in Kurven auftreten. Für die höherfrequenten Schwingungen der Räder setzt
Mercedes-Benz nach wie vor passive Gasdruck-Stossdämpfer und Schraubenfedern ein, die
jedoch betont komfortabel abgestimmt sind."
Und wollen Sie noch einmal ausschnittsweise lesen, was ich im Oktober 1998 zur Luftfederung der neuen S-Klasse im Vergleich zum 7er BMW mit der "Stahlfederung" geschrieben habe? - Nun Sie können das natürlich auch selbst nachlesen. Aber hier ein paar Fetzen daraus.
 
"Kommen wir zum Fahrwerkvergleich: Mercedes setzt auf Luftfederung. Den Stuttgarter Ingenieuren erschien das - nach Testerfahrung mit einem luftgefederten Lexus - wohl als die beste Lösung. Schließlich hatte man auch - wie nicht nur ein einziger Testbericht in der Vergangenheit auswies - hier einen Nachholbedarf gegenüber der perfekt abgestimmten "Stahl"-Federung eines 7er BMW.

Die Münchner hatten seinerzeit auch eine "Luftlösung" geprüft, waren aber zu der Auffassung gekommen, daß die Luftfederung nicht nur einer perfekt abgestimmten konventionellen Federung im hochfrequenten Bereich um "einen Hauch" unterlegen ist, sondern auch insgesamt teurer. Und das nicht nur bei der Erstausstattung, sondern auch im Wartungs- und Reparaturfall. Außerdem wird von den BMW-Entwicklern die Betriebssicherheit der konventionellen Federung höher eingestuft.
...

Daß die Luftfederung des Mercedes nicht alles kann, wird auch im ersten Testbericht von "auto motor und sport" deutlich, wo zu lesen ist: "Gerade weil der Fahrer derart verwöhnt wird, fallen ihm verbleibende Unzulänglichkeiten der Federung auf. Der Komfort bei geringem Tempo ist gut, aber nicht überragend wie die sonstigen Federungseigenschaften. Grobe Unebenheiten bekommen die Insassen durchaus zu spüren, wenn sie mit stadtüblicher Geschwindigkeit überrollt werden."

Beide Fahrwerklösungen haben Vor- und Nachteile. Es liegt am Käufer, sich für eine Lösung zu entscheiden. Die Stahl-Lösung ist aber "nicht von gestern" und die Luftfederung hat schon den Vorteil, daß die Niveauregelung serienmäßig ist, die man bei BMW - je nach Modell - entweder schon serienmäßig oder aber nur als Sonderausstattung erhalten kann. "

Mercedes hat sich mit dem ABC für die Spitzen-Automobile der S-Baureihe also nun wieder für die Stahlfeder entschieden. Keine schlechte Entscheidung. Aber trotzdem ein wenig überraschend. - Oder finden Sie nicht? - Vor allen Dingen dann, wenn sie nun auch - auf Wunsch - für die normalen S-Klasse-Modelle als praktisch eine Verbesserung gegenüber der serienmäßigen Luftfederung angeboten wird.

Zur Sicherheit habe ich mich bei Mercedes informiert. Nicht bei der Presseabteilung in Stuttgart. Denn die wissen das vielleicht überhaupt nicht. Sonst hätte sie doch darüber geschrieben. Ich habe mich mit einem Mercedes-Händler in Verbindung gesetzt und mich vom Verkäufer beraten lassen. Der hat mir die Stahlfedern bestätigt.

Er hat mir auch bestätigt, daß ab sofort - wie es auch in der Mercedes-Pressemitteilung zu lesen ist - die "-Klasse-Modelle S 320, S 430 und S 500 "auf Wunsch" mit dem aktiven Federungssystem ABC lieferbar sind. Leider konnte er mir nichts zum Aufpreis sagen. Das tat ihm sehr leid, aber diese Ausstattung sei nun wirklich ganz neu.

Vielleicht gibt es diese Ausstattung auch nun ohne Aufpreis. Denn jede verkaufte S-Klasse mit ABC-System erspart eventuellen Ärger mit dem Luftfedersystem. (Spätestens bei der Wartung.) Denn den hat es zumindest in der Vergangenheit gegeben. Es wird aber all den S-Klasse-Fahrern geholfen, die die bisherigen Nachteile, die ihm in der Praxis deutlich wurden, auch wirklich so empfinden.

Denn viele S-Klasse-Fahrer sind mit ihrem Automobil und der Luftfederung ja zufrieden. Bei den anderen wird dann eben die Kennlinie der AIRmatic geändert, die Ansprechempfindlichkeit erhöht; es werden die Fahrschemel-Lager an der Hinterachse verstärkt, es wird der Kennlinienverlauf der Lenkunterstüzung verändert, und, und, und.

Warum sollte man das bei allen bisher ausgelieferten S-Klasse- Modellen machen? - Wenn die Fahrer es doch nicht merken.

Doch manche merken es. So kam z.B. vor gut acht Tagen der Fahrer einer neuen S-Klasse in eine Mercedes-Werkstatt um zu erzählen, daß sich sein Fahrzeug bei böigem Seitenwind auf der A 3 so eigenartig verhalten hätte, dass er auf einen Defekt des Federungssystems schließen würde.

Er war mit seiner S-Klasse im Geschwindigkeitsbereich oberhalb 150 km/h unterwegs gewesen, als das Fahrzeug - ausgehend von hinten - "immer stärker ins Pendeln kam", wie es der Fahrer formulierte. Er war dann vom Gas gegangen, hatte sich unterhalb von 150 km/h bewegt und das Fahrzeug blieb ruhig.

Er hat es dann - versuchsweise - noch einmal deutlich oberhalb 150 km/h versucht und die "Pendelei" ging wieder ("...und das furchterregend!") los. Dieser S-Klasse-Besitzer führte die "Anregung" auf den zu dieser Zeit herrschenden Seitenwind zurück.

Die Mercedes-Werkstatt hat dazu nichts sagen können, sondern ihre nächste Zentrale informiert. Von dort aus gab es die Information, daß jemand herauskommen würde, um sich mit der Sache zu beschäftigen. - Und das steht jetzt bevor. - Es ist also durchaus nicht so, daß Mercedes alle Fahrzeuge nach dem gleichen Schema umrüstet. Sondern man schließt offenscihtlich auch andere Dinge im Bereich der Luftfederung nicht aus, so daß man sich bei Beanstandungen der Besitzer wohl individuell mit jedem Einzelfall auseinandersetzt.

Übrigens: Wie jetzt - nach meiner ersten Geschichte über die Luftfederung - zu hören, war auch Testern von Zeitschriften das Hochgeschwindigkeitspendeln bei Testwagen der neuen S-Klasse aufgefallen. Aber Motor-KRITK kennt ja dann die Argumentation der jeweiligen Presseabteilung:

Entschuldigung! - Aber Sie wissen ja, dass es sich hier praktisch noch um Prototypen handelt. Sie wollten nun mal der Erste mit Ihrem Test sein. Da konnten wir Ihnen nun mal nicht die endgültige Version zur Verfügung stellen. Aber wir rüsten Ihnen natürlich das Fahrzeug auf Serienstand nach. Und dann können Sie Ihre bisherigen Eindrücke vergessen. Und brauchen nicht darüber zu schreiben.
Und so ist das denn auch geschehen. Und die lieben Kollegen haben gutgläubig  nicht beschrieben, was eigentlich Realität war und zum Teil noch ist.

Darum ärgert man sich zur Zeit in Stuttgart über die Motor-KRITIK-Geschichten zu diesem Thema besonders. Weil die nun die Dinge aufrührt, die man sicher im Griff zu haben glaubte. Aber eigentlich immer noch nicht hat. Wie auch die neuesten Forderungen an die Reifenindustrie beweisen. - Aber immerhin ist man um Optimierung bemüht.

Aber man reduziert natürlich den evtl. auftretenden Ärger mit dem Luftfedersystem, wenn man dem Kunden gleich das richtige System verkauft: ABC. Sie wissen doch: Hart ist hart. Und weich ist weich. Aber immer weich, kann auch ganz schön hart sein.

Vor allen Dingen dann, wenn man - wie Motor-KRITIK - ein wenig in die Mercedes-Zukunft blicken kann. Und dort steht geschrieben: die kommende Spitzenlimousine des Stuttgarter Konzerns, der Maybach, wird wieder mit einer Luftfederung ausgerüstet sein. Die übrigens von Conti geliefert wird. - Ist das nicht hart?

Und das sind (nach Werksangaben) die Zulieferer des bisher verbauten Luftfederungssystems in der S-Klasse: das komplette Federbein kommt von Bilstein, den darin enthaltenen Luftbalg liefert Phoenix und der Hersteller des Kompressors ist Wabco. Dieses S-Klasse-Airmatic-System wurde unter der Systemführerschaft von DaimlerChrysler entwickelt..

Für das Luftfedersystem des Maybach wird aber nach Motor-KRITIK-Informationen die Firma Conti-Tech verantwortlich sein. Vielleicht können die es ja besser. Oder haben aus den Fehlern der Kollegen bei der S-Klasse gelernt. -

Und wenn das alles nicht geht, kann man immer noch - auch beim Maybach und gegen Aufpreis, versteht sich - auf das ABC-System (mit Stahlfedern)  zurückgreifen, wie es jetzt im S-Klasse Coupé serienmäßig geliefert wird.

Übrigens: die erste Motor-KRITIK-Geschichte zu diesem Thema und die darauf aufbauende (sehr gute!) SPIEGEL-Geschichte zeigen Wirkung. Zur Zeit läuft die Vorstellung des Zwölfzylinder-S Klasse-Coupés in Südfrankreich. Dort mußte man sich jetzt entschließen, vor der Abendveranstaltung.im gepflegten "Eden Rock" (Zimmerpreise in Höhe von mehreren tausend DM) ein Abstimmungspapier an die anwesenden DaimlerChrysler-Mitarbeiter zu verteilen. Dort ist klar vorgegeben, wie eventuelle Journalistenfragen zum Thema, "Warum nun wieder Stahlfeder?", zu argumentieren sind.. Damit es nicht zu dummen Fehlern kommt, aus denen dann kluge Journalisten gute Geschichten (zu Lasten von DaimlerChrysler) basteln können. -

Ja, ja, Herr Inhester, in eine solche Situation kann man kommen, wenn man keine offensive Öffentlichkeitsarbeit betreibt und glaubt Dinge verschweigen zu können.

MK/Wilhelm Hahne