Opel Astra OPC: die Rüsselsheimer stellten auf der IAA das Basismodell für den Motorsport vor

OPC nennt sich das Keimzelle des Opel-Motorsport, das Opel Performance Center. Und von dort kommt nun - als sogenanntes Homologationsmodell geplant - das neue Sportmodell der Rüsselsheimer. - Was der Öffentlichkeit so neu erscheinen muß, geht auf meine Vorschläge - ich glaube - aus den Jahren 1992/93 zurück. Horst P. Borghs , Opel-Vorstandsmitglied, wird sich sicherlich erinnern können. Volker Strycek auch. Beide wissen aber nicht, dass ich exakt weiß, wie damals mit meinem Vorschlag umgegangen wurde. Was man mir erzählte und was man wirklich tat. Ich werde es nachstehend einmal erzählen. Und auch deutlich zu machen versuchen, dass die jetzt in der 47. Woche anlaufende Kleinserie aufgrund der Änderungen im Sportgesetz (die man seit einem Jahr kennen müßte!) eigentlich nicht mehr gebaut werden müßte. Aber woher sollte man das bei Opel wissen?

Opel-Entscheidungen brauchen lange

99-09-30/09. Nachdem es den neuen Astra Anfang der Neunziger gab, das sogenannte F-Modell, habe ich mich nicht nur mit den technischen Details des Fahrzeugs im Hinblick auf seinen Einsatz im Motorsport beschäftigt, sondern auch um die Entwicklung hin zu einem konkurrenzfähigen Gr. N-Fahrzeug in der Zweiliter-Klasse bemüht. Schon darum kannte ich das F-Modell durch und durch, mit allen Stärken und Schwächen.

Mir war aber auch klar, daß im Hinblick auf die sich entwickelnde Konkurrenz Opel dringend ein besseres Ausgangsmodell für den erfolgreichen Sporteinsatz im Breitenmotorsport (Gr. N) benötigen würde. Ich habe dann nicht nur dazu die Idee entwickelt, sondern auch im Detail so geplant, dass es Opel eigentlich leicht fallen mußte, die Astra-Modellreihe insgesamt durch ein solches Top-Modell aufzuwerten.

In meinem Sport-Astra waren so z.B. das Sechsganggetriebe und auch die Bremsanlage des damaligen Turbo-Calibra vorgesehen. Als Motor schwebte mir die bekannte Zweiliterversion mit Einzeldrosselkappensteuerung vor. Natürlich sollte auf das Homologationsgewicht geachtet werden, und, und, und.

Meine Idee, die natürlich von anderen Leuten - nachdem ich sie vorgetragen hatte - unterstützt wurde, trug ich dann anläßlich eines Nürburgringbesuchs Horst P. Borghs vor. (York Buchholz ist u.a. mein Zeuge). Wer sich auch von der Idee begeistert zeigte und sie voll unterstützte, war Volker Strycek, der damals noch - soweit ich mich erinnere - als freier Mitarbeiter für Opel (aber wohl als "fester Freier") tätig war.

Volker Strycek war immer schon ein begeisterungsfähiger Techniker, der in dieser Phase mehr für die Entwicklung des Opel Astra zu einem konkurrenzfähigen Sportgerät getan hat, als man Opel-intern jemals erfahren wird. Ich denke da nur an die hinteren Radlager, das Renn-ABS (das es dann aber schlußendlich nur als Einzelstück für Kissling zur Verfügung stand), die Bemühungen um die Differentialsperre (elektronisch) usw., usw. - Den Getriebeärger hat man allerdings über die Produktionsjahre des F-Modells nie beseitigen können. Ich habe nicht mitgezählt, bin aber selbst einige Male mit Getriebeschaden ausgefallen. Zulieferer für das Getriebe war übrigens Isuzu.

Zurück zu meiner Idee: Horst P. Borghs teilte mir mit, dass es zwar eine Menge Leute geben würde, die meine Idee gut fänden und sie unterstütztem, aber ausgerechnet im Marketing, wo die eigentliche Entscheidung - Bauen oder nicht Bauen - fallen würde, da wäre man der Auffassung, dass sich Opel die Zeit und Kosten für die Entwicklung eines solchen Fahrzeuges sparen könne. Schließlich beweise ein Blick in die Programmhefte und Siegerlisten, dass die Zweiliterklasse fest in Opel-Händen liegen würde.

Ich habe verzweifelt darauf hingewiesen, daß es nicht darauf ankäme, wie sich heute eine Situation darstellen würde, sondern dass man in die Zukunft blicken müsse. - Aber: NEIN, abgeschmettert.

Aber hinter den Opel-Kulissen glühte meine Idee weiter. Mir gegenüber wurde sie von Opel-Seite nicht mehr erwähnt. Aber es gab ein paar Aufrechte, die sich um das Projekt intern immer noch bemühten. Dazu gehörte York Buchholz, der Fahrwerk-Spezialist, Volker Strycek, der Sport-Freak und andere.

Aber allen war klar, weil ich zu der Zeit schon so manchem Opel-Vorstandsmitglied mit meinen Geschichten auf die Nerven ging, dass ich nichts davon erfahren durfte. Denn dann wurde ein Einzelstück tatsächlich zusammengestellt. Und zwei Mann (einer davon war Volker Strycek schrieben dazu fürs Marketing eine Argumentation. Die Herren bei Opel werden heute erst erfahren, dass ich diese Dokumentation gelesen habe. Ich bin fast zusammengebrochen. Sie hätten einmal lesen müssen, wie die Herren (vom Automobilgeschäft keine Ahnung) dieses Basisfahrzeug für den Motorsport plaziert hatten.- Auch preislich.-
 - Wahnsinn!

Und das Marketing lehnte dann auch prompt ab. Der Vertrieb wohl auch.- Ende! -

Aber dieses Fahrzeug war auch nicht liebevoll zusammengebaut. So war das Getriebe und die Gesamtübersetzung insgesamt - ohne jede Veränderung - vom Turbo-Calibra übernommen worden. (Aber das war alles geheim.) Dieser Astra war so - und trotz leistungsgesteigertem Motor - (natürlich keine Einzeldrosselklappen, weil das viel zu teuer geworden wäre) überhaupt nicht im sechsten Gang zu fahren. Vielleicht auf der Autobahn, wenn es bergab ging. - Schade. Und er ist dann auch irgendwo verstaubt.  (Damit mir Herr Borghs glaubt, dass ich das Fahrzeug kannte: es war anthrazitgrau.)

1994 kam es dann u.a. wegen dieses Automobils zum Eklat, weil mir Technik-Vorstand Hanenberger etwas als seine Leistung unterjubeln wollte, von dem er nicht wußte, dass die Idee dazu von mir war und ich das Fahrzeug besser kannte als er. - Da war er beleidigt. (Aber auch, weil ich die von ihm genannten Vorlaufzahlen bei der gerade angelaufenen Omega-Produktion korrigiert hatte. Mir waren die echten Zahlen bekannt. Er nannte wohl die, die man "absprachegemäß" gegenüber der Presse verwenden wollte.) Und Horst P. Borghs war beleidigt, weil Peter H. Hanenberger beleidigt war. So konnte man doch nicht mit Vorständen sprechen. Und so war u.a. der Sport-Astra der Ausgangspunkt (neben meinen Omega-"Enthüllungen") für die beispiellose Klageserie eines Automobilkonzerns gegen Journalisten.

Meine Idee ist bei Opel niemals mehr eingeschlafen. Und so brauchte man sie nach Erscheinen des G-Modells nur "abzustauben".  Hätte man sich aber vorher im Sportgesetzt umgesehen, so hätte man bemerkt, dass es seit Herbst letzten Jahres schon ein die Gr. N betreffendes neues Reglement gab, das allerdings hier in Deutschland bisher nicht zur Anwendung kam. Ich habe z.B. sofort nach Erscheinen (damals gab es nur den französischen Urtext) schon ein anderes Automobilwerk auf die Möglichkeiten hingewiesen, die sich ihm dadurch bieten würden. (BMW wird sie hoffentlich im Jahre 2000 nutzen. Wenn sie es begriffen haben.)

Volker Strycek hat nun also meine alte Idee umgesetzt, jetzt, wo man sie nicht mehr gebraucht hätte. Denn für die DTC braucht man den OPC-Astra nicht, für die neue Gr. N auch nicht mehr. Aber er kann ja als Stilübung des OPC-Center nicht schaden.

Schaut man sich einmal die Details an, so muß man - wie immer in solchen Dingen - Volker Strycek sehr loben. Wobei er immer wieder den Fehler macht, "alte Bekannte" in die Entwicklung einzubeziehen, was dann zu Verzögerungen führte. Das Fahrzeug hätte sonst schon früher auf dem Markt sein können.

Der Motor wurde einmal bei Kissling begonnen, dann aber die Entwicklung zu Lotus überstellt. Dort hat man versucht mit geringen Mitteln einen großen Effekt zu erzielen. Ich habe in der Entwicklungsphase immer wieder von Opel-Leuten gehört, dass diese Entwicklung des OPC-Fahrzeugs eigentlich unverständlich sei, da man damit dem neuen Opel Coupé eine Konkurrenz schaffe, es werde ihm zu ähnlich. - Schade, aber diese Leute haben keine Ahnung. (Offensichtlich ist dort bei Opel ein Nest.)

Der neue 2,2 Liter-Motor im Coupé ist komforbetont, läuft mit Ausgleichswellen weich und samtig. Der Zweilitermotor im OPC-Astra hat keine Ausgleichswellen mehr, seine Schwungmassen wurden verringert, er dreht spontan hoch. Und sein Schwungrad erhielt eine Acht-Lochbefestigung. (Es gab da schon mal Ärger.) Natürlich wurde speziell entwickelte Nockenwellen verwendet, ein richtiger Fächerkrümmer stellt sicher, daß hier auf der Auslaßseite keine Leistung verschwendet wird. Der aus thermischen Gründen notwendige Ölkühler stammt übrigens vom 1,7 l-Turbodiesel.

Der Motor leistet nun 160 PS bei 6.500 Umdrehungen pro Minute, während das Drehmoment bei 188 Nm bei 4.300 U/min gemessen wurde. In diesem Modell kommt nun auch ein Getriebe zum Einsatz, das auch im Sporteinsatz keine Schwächen zeigen dürfte. Ein Detail, über das in der Presse nicht gesprochen wird, mir aber zeigt, dass Volker Strycek mitgedacht hat: aus dem Getriebe heraus wird nach rechts zunächst eine Zwischenwelle plaziert, dann kommt erst die eigentliche Antriebswelle, wodurch das Fahrzeug nun zwei gleich lange Antriebswellen aufweist.

Das ist keine Spielerei, sondern beeinflußt das Fahverhalten deutlich zum Positiven. Das wird bei jedem Lastwechsel spürbar werden. Aber wem das nervöse Verhalten damals bei den G-Lader-Polo nicht aufgefallen ist, der wird auch nicht das jetzt vorbildliche Verhalten des OPC-Astra nicht wahrnehmen.

Die Lenkung ist einen wenig kürzer übersetzt als bei der eigentlichen Astra-Serie. Na endlich. Eigentlich ist das gegen die Opel-Philosophie, die noch aus der Zeit des Herrn Oberhaus stammt. Aber solche Firmen wie Opel haben auf manchen Gebieten ein Beharrungsvermögen, das jeden wirklichen Fortschritt verhindert. Und der steckt oft im Detail, nicht in jenen vom Marketing (geforderten) und verkauften Innovationen per plakativem High-Tech.

Die Bremsscheiben, 16 Zoll,  kommen dieses Mal nicht vom Calibra, weil es den nicht mehr gibt, sondern stammen aus dem Saab 95, der Hauptbremszylinder kommt von Teves... - ich will Sie aber nicht mit unwichtigen Details langweilen. Ein nicht unwichtiges Detail: auf den vorderen Querlenkern sitzen kleine Schaufeln, die den Bremsen gezielt Luft zuführen. Dass das Fahrzeug ABS hat, ist heute selbstverständlich, aber für den Motorsporteinsatz nicht so wichtig, weil es da ganz anders funktionieren müßte.

Leider ist das Auto um die 1200 Kilogramm schwer geworden. Aber für die DTC z.B. ist das unwichtig, da man dort ein Einheitsgewicht hat. Die Räder gefallen mir gut, weil auch hier die Relationen stimmen: es wird ein Pirelli 215/40 auf einer 17 Zoll-Felge gefahren, der sich bei einer Felgenbreite von 7,5 J auch gut abstützen kann. - Was man als Sportfahrer vermißt: eine Differentialsperre. Wahrscheinlich erschien das dem Marketing zu unkomfortabel.

Der OPC-Opel soll um 220 km/h schnell sein und von Null auf 100 km/ in 8,2 sec beschleunigen. Keine Traumwerte, aber wichtig wird sein, wie er sich insgesamt fährt. Wobei ich positiv registriert habe, daß man dem OPC Astra serienmäßig einen Heckspoiler mitgegeben hat. Er braucht ihn. Das ist nichts zum Angeben, sondern zum sicheren, schnellen Autofahren.

Eigentlich war nur der Bau von 2.500 Fahrzeugen (das ist die Mindest-Homologationsstückzahl) geplant. Aber das Interesse einzelner Länder war so groß, daß man die Stückzahl noch in der Planung auf 3.000 Stück aufstocken mußte. Allein die kleine Schweiz erhält davon 1.200 Fahrzeuge. - Es scheint, als würden die Marketingleute von solchen Ergebnissen immer wieder überrascht. Kein Wunder: hier arbeiten ja nicht Autofreaks für Autofreaks, sondern  Theoretiker für Praktiker.

Wie man so ein Automobil ohne zeitaufreibende Diskussionen hinstellen kann, zeigte gerade Renault auf der IAA: da gibt es nun (zum Jahresende lieferbar) einen 173 PS-Clio. Auch aus Zweiliter. Er ist im Detail nicht so perfekt gemacht wie der Opel, wird darum auch sicherlich zu einem Preis unter 40.000 DM angeboten werden.

Beide Fahrzeuge werden ihre Käufer finden. Und Renault wird von seinem Modell mehr als 3.000 Fahrzeuge verkaufen. Weil man sich selbst nicht beschränkt hat. Weil man - wie auch deren Design-Entscheidungen zeigen - offener, wagemutiger ist. Eben weil das bei Opel anders ist, freue ich mich über den OPC Astra.

Zwar ist die Zeit über den Grundgedanken für seine Entwicklung hinweggegangen, aber darauf kommt es nun auch schon nicht mehr an.

MK/Wilhelm Hahne