Cooles Ergebnis beim "Mega-Test des Jahres" ("BamS"): Rover 75 schlägt Jaguar S

Es ging nur um "Das Goldene Lenkrad 1999". Ich kam vor Wochen darauf, mich um das Ergebnis der Testfahrten von 27 Juroren zu bemühen, als ich einen Teil davon im Fernsehen bei "n-tv" in einer Sendung über feines Essen und feine Restaurants entdeckte. So entsteht Zusatznutzen. Die "Bild am Sonntag" hatte - wie seit Jahren - ins Hohenloher Land eingeladen. Dort kocht Herr Eiermann. Sehr gut. Dort testeten die 27 "BamS"-Juroren. Autos. Nicht so gut, wie Herr Eiermann kocht. Darum war der Film in "n-tv" - neben den Geschichten in "BamS" - -sicherlich das Beste was dort passierte. Aber es wurde immerhin ein "Mega-Test des Jahres". - Wirklich. Da fuhr z.B. in der einen Klasse ein Rover 75 gegen einen Jaguar S, also ein 50.000 Marks- gegen ein 100.000 Marks-Auto. Und ein Lancia Lybra siegte in der anderen Kategorie. Ein bedeutendes Auto. In einem Bilderbuch. Leider nicht im Verkaufsleben. Dass ein Skoda und ein Opel siegten, geht in Ordnung. Aber vielleicht sollte man das auch alles nicht so ernst nehmen. - Wenn nun der Rover 75 wenigstens noch ein Verkaufsrenner wäre. - Aber wie heißt es in der Rover-Werbung:

"Relax"

99-11-15/03. So hat sich auch der Verkauf des Rover 75 (sprich: Seventy five) angelassen. Ruhig. Nicht so hektisch wie die Produktion. Gegen Ende Oktober wurde mir von Rover Deutschland die tägliche Produktionszahl des Rover mit "ca. 460" Stück genannt. Und es wurde betont: "Der Rover 75 wurde vom englischen Markt mit Begeisterung aufgenommen".

Das mit den 460 Stück habe ich ja zunächst noch geglaubt. Aber das mit "dem englischen Markt"... - Die "Sunday Times" schrieb über den Gewinner von "Das Goldene Lenkrad 1999": 75 sollte das Mindestalter sein, wenn man so ein Auto kaufen will". Das bezog sich auf das Styling des Fahrzeugs. Und die "Daily Mail" fragte: "Was sind die einzigen von Menschen geschaffenen Objekte, die man aus der Atmosphäre sehen kann?" - Und gab selbst die Antwort: "Die Chinesische Mauer und Felder voller unverkaufter Rover 75 S".Aber sie schrieb das nicht nur, sondern bot auch (halbseitig) ein Foto dar. Darauf sind so um 5.000 eng bei eng abgestellte neue Rover 75 zu sehen. Der Platz auf der Zeitungsseite war zu klein, alle nur allein auf diesem Platz (bei Oxford, in der Nähe der Produktionsstätte liegend) abgestellten Fahrzeuge abzubilden.

Kein Wunder, dass man nun die Produktion gedrosselt hat. Sonst dominieren demnächst die abgestellten Rover 75 noch die Chinesische Mauer. Um politische Verwicklungen zu vermeiden, hat man darum wohl die Notbremse gezogen. Wenn der "stern" in seiner neuesten Ausgabe schreibt, dass die Produktion "erst kürzlich um die Hälfte reduziert" wurde, so übertreibt man natürlich kräftig. Sie wurde um höchstens 45,98 Prozent gesenkt. Und Joachim Milberg, der Chef der BMW Group, hat schon recht, wenn er davon ausgeht, dass er in den nächsten fünf Jahren noch so um 10 Milliarden Mark in das Group-Stück Rover pumpen muß.

Rechnen sie allein mal die Lagerkosten für die unverkauften Fahrzeuge aus. Und den Zinsverlust für die längerfristig geparkten Rover-Automobile. Denn es wird ja nicht bei den Rover 75 bleiben. Da warten noch andere neue Rover-Modelle auf Parkflächen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres konnte Rover ein neues Rekord-Ergebnis verzeichnen: einen Verkaufsrückgang von um gut 30 Prozent gegenüber 1998. Die fachgerechte Arbeit der BMW-Mannen hinterläßt also deutliche Spuren.

Aber die Familie Quandt, Anteilseigner der BMW Group mit gut 46 Prozent, rückt kein "Quändtchen" von ihrer Aussage ab, dass man nicht verkaufen will. Was nicht bedeutet, dass man im Hause Quandt zufrieden wäre. Aber man unterstreicht noch einmal: "Es gibt keinerlei Gespräche, mit niemandem". - Recht so. Keiner spricht mit niemandem, aber alle wissen Bescheid.

Nicht Bescheid wußten die 27 Juroren der "BamS". Sie verglichen den Rover 75 mit dem Jaguar S. Und der fiel dagegen deutlich ab. Denn auch der Rover 75 hatte vier Räder wie der Jaguar. Und beide hatten einen Motor. Nur kostet der Rover fast nur die Hälfte des Jaguar. Das mußte man doch deutlich bewerten.

Und dann hatte Jaguar einfach nur zwei Fahrzeuge und einen Techniker dazu gestellt. Während BMW eine ganze Reihe von wichtigen "Groupies" den Testwagen zur Seite gestellt hatten. Und die erzählten nun den Juroren von morgens beim Kaffee bis nachts beim Bar-Gespräch etwas von den Vorzügen des Armaturenbretts, der Haptik, der Ergonomie, der Elektronik, dem Wurzelholz, dem "British Style" und dem "German Engineering". - Prost!

Der Rover 75 wurde so hochgejubelt, dass die unbedarften Juroren gar nicht begriffen, dass Rover 75 und Jaguar S in unterschiedlichen Segmenten angesiedelt sind. Von Jaguar hat denen das niemand gesagt, weil niemand da war. Eine der Jaguar-Pressedamen ist in Mutterschaftsurlaub, die andere war (wirklich zufällig) auch in Urlaub. Und so hat man bei Jaguar Deutschland zwei Testwagen gewaschen, die Aschenbecher geleert und hat sie ins Hohenloher Land gestellt. Und gedacht, es wären Kenner am Werk.

Natürlich gab es die. Da war zum Beispiel Christian Danner, der sogar einen Fernsehpreis für seine Formel 1-Berichterstattung gewonnen hat. Und Johannes B. Kerner ging mit seiner Frau (ein Hockeystar) kernig zur Sache. Und Rosi Mittermaier. Aber auch ein Walter Röhrl röhrlte durchs Hohenloher Land. Holger Speckhahn fuhr auf deren Landstraße über durchgezogene weiße Linien, was für die Dynamik spricht, mit der man unterwegs war. - Also man hat wirklich alles getan. Was aber nichts am Ergebnis änderte.

Und warum erhält ein Lancia Lybra "Das Goldene Lenkrad 1999"? - Dazu ein etwas verlegener Juror: "Ich hatte das Gefühl, dass das schon vorher feststand. Und ich weiß auch nicht, ob ich im nächsten Jahr unter diesen Umständen bei dieser Sache mit dabei bin."

Frage an einen anderen "Kenner" dieses "Mega-Tests": "Warum war eigentlich der neue Fiat Punto nicht weiter vorne?" - Antwort: "Aber es können doch von einem Konzern nicht zwei Fahrzeuge siegen. Da war doch schon der Lancia..." - Entschuldigen Sie bitte meine dumme Frage

Und das mit dem Rover 75 ist doch wohl richtig. Wenn doch der Rover 75 "World Car 1999" geworden ist, wenn "eine weltweite Jury aus Top-Automobiljournalisten in Europa, Amerika, Asien und Australien" (O-Ton Rover) den Rover 75 (sprich: Seventy five, also ßewenti feiw) zum "World Car 1999" wählten, wie soll dann so ein lächerlicher Jaguar S den Rover 75 schlagen?

Übrigens: in Deutschland wurden (einschl. Vorführwagen des Handels) bis Ende Oktober um 2.000 Rover 75 zugelassen. Bis Ende des Jahres sollen es 5.000 werden. Sagt Rover Deutschland. Ein Traumziel. Denn dazu braucht man auch eine funktionierende Händlerorganisation. Aber in der Händlerorganisation der BMW Group ist man verwirrt. War früher den an Rover interessierten BMW-Händlern zwingend eine Markenseparierung vorgeschrieben, was durch die dann notwendigen Baumaßnahmen richtig Geld kostete, so wird die Organisation heute aufgefordert, die beiden Marken BMW und Rover unter einem Dach zu vereinen. Schließlich gibt man sich nun als Group.

Übrigens: ich habe aktuell einmal mit einem Händler telefoniert, der sowohl Rover 75 als auch Jaguar S verkauft. Verglichen mit dem Rover 75 verkaufte der vom Jaguar S bis jetzt ungefähr die vierfache Menge. Oder anders formuliert: wenn der einen Rover 75 verkauft, hat er vier Jaguar S an den Mann/die Frau gebracht.

Da BMW unter diesen Umständen die Rover-Produkte mit allen Mitteln unters Volk bringen muß (damit die Halden in England überschaubar bleiben), übt man nun auf jene BMW-Händler Druck aus, die eigentlich nur BMW verkaufen wollen. Aber deren Händlervertrag ist dann gefährdet. Schließlich brauchen sie doch auch nun nicht mehr extra zu bauen. BMW ist doch so entgegenkomend geworden. - Wie sich Herr Milberg das Autoverkaufen vorstellt.

Aber was wissen die "Tester" von "BamS" davon. Nichts. Aber mit dem "Testergebnis" werden nun wieder die BMW- und Rover-Händler unter Druck gesetzt. Weil doch die Ergebnisse, nicht nur bei "BamS", sondern auch der Gewinn des Titels "World Car 1999" eindeutig beweisen, dass der Rover 75 ein ganz großer Wurf ist. Und wenn man sich das immer wieder einredet - und anderen auch - dann muß das Auto doch zu verkaufen sein. Schließlich haben die "Groupies" von BMW doch im Hohenloher Land bewiesen, dass man auch denkenden Menschen eine bestimmte Meinung aufpropfen kann.

Dabei ist dieses "Goldene Lenkrad" der "Bams" - wie ich das sehe - nicht mehr als eine kleine Verneigung vor den großen Anzeigenkunden der Automobilindustrie. Und da müssen alle mal dran kommen. Und man spricht miteinander bei der Siegerehrung, stellt persönliche Kontakte her. Und (fast) alle der wichtigen Manager dieser Industrie kommen. In deren leuchtenden Umfeld können sich dann auch die Manager des Springer Verlages sonnen.

Und man gibt sich auch bei der Siegerehrung Mühe. Wenn die Vorbereitung ein "Mega-Test" ist, soll die Ehrung schon zu einem Mega-Event werden. Wenigstens.

So hatte man auch in diesem Jahr weder Mühe noch Kosten gescheut. Laserstrahlen, Feuerwerk, Bums und Faldera. Toll! - Nur kam Moderatorin Nina Ruge im Falle des Zafira im falschen Moment auf die Bühne. Das Bühnenfeuerwerk sengte sie ein wenig an. Die Haare, das Gesicht, die Hand. Aber Nina Ruge steckte das profihaft weg. Machte nach pudern und kaschieren weiter. - Aber die Stimmung war weg.

Sie kühlte noch deutlicher ab, als sich Opel-Vorstand Hans Demant für die Ehrung des Zafira bedankte. Mit einer wohlgesetzten Rede, die, so einer der Gäste, "in ihrer Art an die Formulierkunst eines Norbert Giesen erinnerte". Demant las sie Wort für Wort vom Blatt ab. Und da stand nichts von Bedauern für den gerade erfolgten Feuerangriff auf Nina Ruge bei der Präsentation des Zafira. Menschliches scheint in den großen Konzernen verloren gegangen. Vielleicht hätte Herr Demand ja auch etwas Falsches sagen können, hätte er versucht ein paar Sätze ohne Manuskript zu sprechen. Vielleicht wären ihm zum aktuellen "Feuerunfall" nur die "Verpuffungen" beim Astra eingefallen. - Man weiß ja um die Gefährlichkeit Freud'scher Fehlleistungen. - Also läßt man das doch besser. - No risk! - In so einem Konzern lebt man gefährlich genug.

So entsprach die Stimmung nach diesem Zwischenfall praktisch dem Ergebnis des Mega-Tests: Alle glaubten das richtige getan zu haben, aber alle spürten, dass etwas im Ergebnis ihrer Bemühungen nicht stimmte. Und es hatte per Saldo noch nicht einmal Spaß gemacht. "Was zurück blieb", sagte mir ein Teilnehmer, "war ein schaler Geschmack im Mund."

Ach wäre man nur im Hohenloher Land geblieben. Da ist zumindest die Küche erstklassig.

Aber lassen Sie mich trotzdem hier noch einmal die Sieger und Unterlegenen bei der Verleihung von "Das Goldene Lenkrad 1999" nennen und aufführen:
 

Klasse 1:       Skoda Fabia  der Gewinner
                   Toyota Yaris auf Platz zwei
                   Fiat Punto auf Platz drei

Klasse 2:        Lancia Lybra der Gewinner
                   Seat Lèon auf Platz zwei
                   Chrysler Neon auf Platz drei

Klasse 3:        Rover 75 der Gewinner
                  Jaguar S auf Platz zwei
                      Hyundai XG auf Platz drei

Mini-Van:       Opel Zafira der Gewinner


Und Automanager des Jahres wurde Renault-Präsident Louis Schweitzer.

Der Vorsitzende der Axel Springer Verlag AG, August Fischer, sagte (natürlich vom Blatt lesend):

"Das Automobil ist das Konzentrat aus Fortschritt, Asthetik, Vernunft, Status und Kultur. Es ist Spiegel seiner Zeit und Symbol der Epoche ebenso, wie Kunst und Kultur."
Wenn da (s.o.) die "Sunday Times" dem Rover 75 praktisch ein barockes Styling bescheinigte, heißt das, dass er "Spiegel seiner Zeit und Symbol einer Epoche" ist? - Oder ist er nur ein Beispiel für die aktuelle "Kunst und Kultur"?

Er war jedenfalls der Mega-Star auf einem Mega-Hit, das cool, mit heißem Feuerzauber auf einem tollen Event präsentierte Objekt einer sich noch nicht einstellenden Begierde, ein Konzentrat aus Symbol und Status, ein Signal für Unverständnis und Nichtverstehen, für Ignoranz und Selbstüberschätzung.

Der Rover 75 hat "Das Goldene Lenkrad 1999" verdient. - Aber was geschieht nun mit ihm im Jahre 2000?

MK/Wilhelm Hahne
PS: Weil das zur Zeit noch geheim ist, aber in diesem Zusammenhang interessiert:
"Auto des Jahres" wird der Toyota Yaris.


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