Smart: zu klein, zu groß, fehlerhaft und schon wieder im Fahrwerk verändert, verbessert

Wer den Smart konzipierte, hat nicht weit gedacht. Und wer das Smart-Konzept absegnete, hatte auch keine Ahnung. Mit dem Smart stolpert DaimlerChrysler von einer Überraschung in die nächste. Man hüpft von Fehlerbeseitigung zu Fehlerbeseitigung. Und klopft sich immer wieder selbst auf die Schulter. - Toll, wie man das macht. Jetzt gibt es einen Rückruf, der aber keiner sein soll. Nur eine Serviceleistung. Dann gibt es Verbesserungen für die neueste, demnächst lieferbare Version, die die Fahrzeuge in Kundenhand zu Schrott entwertet. - Zu welchem Preis will jemand noch einen alten Smart kaufen, wenn es jetzt den neuen gibt? - Und mit dem sollen dann Stückzahlen gemacht werden. Unter anderem auch durch den Verkauf in Japan. Wird der Smart in unseren Landen als zu klein empfunden, ist er für Japan zu groß. - Man hat bei Smart wirklich nicht weit gedacht. Und die bisherigen Smart-Käufer auch nicht. Und Prof. Hubbert läßt sich immer überraschen.

Der Smart ist kein Ding fürs Land des Lächelns

99-11-15/04. Es ist mit einem Smart kein Problem die Farbe zu wechseln. Die der Karosserie. "In 1 Stunde verpassen wir Ihrem smart eine neue Außenfarbe", heißt es in der Werbung. Manchmal schafft es smart, die Außenfarbe der smart-Besitzer noch schneller zu verändern. Mal ins Hochrot (vor Wut), mal in Weiß ("wie die Wand", vor Entsetzen). "Da werden Ihre Nachbarn gelb vor Neid", meint man bei Smart.

Smart-Kunden empfinden es aber wohl anders, wenn sie z.B. Mitte Oktober mal wieder einen netten Brief von ihrem Smart-Center erhalten haben:

"Die Zufriedenheit mit Ihrem smart steht für uns an erster Stelle. Um Sicherheit und Komfort zu gewährleisten, untersucht die MCC smart GmbH laufend die Qualität der produzierten Fahrzeuge und Bauteile.

Der Winter steht vor der Tür. Um sicherzustellen, dass in die Traggelenke auch unter extremen Bedingungen kein Wasser eintreten kann, ist es notwendig die Manschetten an den Traggelenken zu überprüfen, möglicherweise auch auszutauschen, um eventuellen Korrosionen vorzubeugen.

Sollte in Ihrem Falle die Software von TRUST plus noch nicht aufgespielt sein, so werden wir dies bei Ihrem Werkstattaufenthalt nachholen.

Um diese Überprüfung an Ihrem Fahrzeug vornehmen zu können, bitten wir Sie unter der Telefon-Nr. xxxx.xxxx.xxx einen Werkstatt-Termin zu vereinbaren.

Aus XXXX grüßt Sie

gez. XXX XXXX
smart Center XXXX-XXXX"

Im Juni waren die gleichen Besitzer schon mal aufgefordert worden, TRUST plus aufspielen zu lassen. Aber die Erfolgsquote auf diese "Einladung" war verschwindend niedrig. Schon damals hatten die smart-Center vom Hersteller den Auftrag, sich um die Traggelenke zu kümmern. Unauffällig natürlich. Wenn die Fahrzeuge schon mal in der Werkstatt waren... -

Da aber nur wenige kamen, konnten auch nur wenige Fahrzeuge im Hinblick auf die Traggelenke überprüft werden. Doch inzwischen gibt es nun den ersten Ärger mit diesem Konstruktionsteil des Fahrwerks. Und so hat die DaimlerChrysler-Tochter nun die von Oktober letzten Jahres bis Mitte dieses Jahres produzierten Fahrzeuge, insgesamt um 45.000 (also praktisch alle), in die Werkstatt rufen müssen. Damit es nicht zu Unfällen kommt.

Dummer Zufall, dass zum Zeitpunkt des aktuellen Rückrufs - pardon: zum Zeitpunkt der aktuellen Serviceleistung - ein Testfahrer von MCC auf einer Landstraße der II. Kategorie im Schwarzwald verunfallt. "Er hat die Kontrolle über das Fahrzeug verloren", hört man vom smart-Hersteller. - Frage: Wieso das? War der Wagen nicht mit TRUST plus ausgestattet?-

Antwort: "Doch. Der hatte alle aktuellen Sicherheitssysteme an Bord." Da das Fahrzeug nach dem Unfall von einem Fernsehteam gefilmt worden war, konnte mir ein Fernsehzuschauer, der rein zufällig die Sendung (auf RTL) sah berichten, "dass bei dem Unfallwagen das rechte Vorderrad schräg im Radkasten stand".

Und genau so sieht das aus, wenn beim Smart ein Traggelenk ausklinkt, weil eine nicht präzis sitzende Gummimanschette Wasser und Schmutz in die Lagerstelle eindringen ließ. Wenn dadurch schließlich das Kugelkopfgelenk ausrastet, dann steht plötzlich das Rad schräg im Radkasten und das Fahrzeug ist nicht mehr lenkbar.

Ob der Testfahrer aus dem gleichen Grund verunfallte? - Es ist nicht auszuschließen. Der smart-Tester war mit einem neuen Cabrio (das aber auf einem alten Fahrwerk aufgebaut war) auf einer ABS-Prüffahrt. Er hatte dazu diese wellige, mit Buckeln übersäte Landstraße gewählt. Wer die schwachen Seiten des ABS-Systems kennt, weiß warum.

So ein Testfahrer rechnet bei seinem Versuchsfahrten immer mit allem, soweit es die von ihm geprüften Systeme betrifft. Er hat also sicher mit einem Verreissen, einem Aussetzen des ABS und allem möglichen gerechnet, aber wohl kaum damit, dass die Lenkung blockierte.

Der Staatsanwalt hatte nach dem Unfall das Fahrzeug sofort beschlagnahmt, da der Testfahrer bei den Überschlägen schwere Kopfverletzungen erlitten hatte. Immerhin hatte sich der smart 4 - 5mal überschlagen. Die genauen Untersuchungen ergaben aber, dass die Verletzungen nicht vom Automobil herrühren konnten. Die im Testfahrzeug mitgeführten elektronischen Aufzeichnungsgeräte waren aber wohl nicht gesichert gewesen, waren darum bei den Überschlägen durchs Fahrzeug gewirbelt und hatten dem Fahrer die Kopfverletzungen zugefügt.

Der smart-Hersteller erreichte dann auch die kurzfristige Freigabe des Fahrzeugs, so dass heute nicht mehr gesagt werden kann, der Unfall wäre auf ein technisches Versagen zurückzuführen gewesen. Außerdem erreichte die MCC smart GmbH wohl, dass RTL den Film mit dem Unfallwagen nach der ersten Ausstrahlung nicht noch ein zweites Mal sendete. Was sonst bei diesem Sender eigentlich normal ist.

Aber noch einmal gefragt: Warum fliegt ein Testfahrer mit seinem Testfahrzeug an einem Freitagmorgen um 8.50 Uhr ohne jede Fremdeinwirkung bei der Überprüfung eines ABS-Systems ab?

Für mich entsteht da der Verdacht, dass hier sehr wohl das Traggelenk eine Rolle gespielt haben könnte. Der Fahrer wird dazu wohl kaum mehr (nachdem er schwere Kopfverletzungen erlitten hat) exakte Angaben machen können.

Also: um 45.000 Fahrzeuge müssen überprüft werden. Die Kosten für die Aktion werden auf 9,8 Mio. Mark geschätzt, die aber nach Aussagen von MCC von den Zulieferern im Rahmen ihrer Produkthaftung übernommen werden müssen. Erinnern wir uns: bei der Smart-Produktion spielen Systemlieferanten eine große Rolle. - Wer kontrolliert eigentlich diese Systemlieferanten? - Welche Verantwortung übernimmt eigentlich noch die MCC smart GmbH selbst? Es ist im wahrsten Sinne eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Aber während wir uns noch mit diesen Dingen "von gestern" beschäftigen, ist man bei smart schon wieder weiter. Das Fahrwerk des Fahrzeugs wurde kräftig überarbeitet, verbessert. Der Preis blieb unverändert.

Die neueste Version des smart City-Coupé weist größere Federwege an Vorder- und Hinterachse auf; es wird ein geänderter vorderer Stabilisator verbaut, es gibt nun serienmäßig breite Reifen auf der Vorderachse (145/65R15). Außerdem arbeitet das Bremssystem nun mit einer elektronischen Bremskraftverteilung, es gibt eine Restmengen-Tankanzeige, die Heckklappe hat eine Fernentriegelung, die Lehnenentriegelung des Beifahrersitzes wurde praxisgerechter verändert, und, und, und.

Da kommen dem Besitzer eines wenige Wochen alten Fahrzeugs dann die Tränen. Denn natürlich kann nicht umgerüstet werden. Die smart-Center werden sicherlich empfehlen, sich ein neues Fahrzeug zu kaufen. Aber was erhält man noch für ein Altfahrzeug?

Aber wen interessiert das bei smart. Dort schaut man in die Zukunft. Und in der wird es bald den Diesel-smart geben und ein smart-Cabrio. Und man wird den smart nach Japan exportieren. Prof. Jürgen Hubbert hat das in Tokyo angekündigt. Das war eine Überraschung. Vielleicht hat sich Prof. Hubbert damit auch selbst überrascht, denn es stand noch nicht einmal in seinem Redemanuskript. Er hat es eben - fast spontan - entschieden.

Schaut man sich einmal den Automobilmarkt in Japan an, so ist das (scheinbar) eine richtige Entscheidung. Denn gerade die Sparte der Micro-Cars zeigt die größten Zuwachsraten. Klein ist "in" in Japan. Da müßte auch der Smart zu einem Geschäft werden. - Denkt man. Weil man denkt, bei der Konzeption des smart seien schon die besonderen Anforderungen des japanischen Marktes berücksichtigt worden. Das wäre für einen "globalen Player" schließlich normal.

Aber das ist nicht so. Tatsächlich paßt der smart nicht in die japanische Gesetzgebung, die die Voraussetzungen für die Micro-Cars ganz klar definiert. Bei smart schien man die bisher nicht zu kennen, obwohl sie seit gut 40 Jahren existieren.

Der smart paßt vom Hubraum des Motors, von seiner Leistung, von seiner Höhe, von seiner Länge, aber nicht von seiner Breite hinein. Ein Micro-Car darf nämlich nicht breiter als 1480 mm sein. Und beim smart misst man 1515 mm. Zu breit für Japan. Und damit entfallen steuerliche Vorteile und der Halter eines smart muss nun auch bei der Zulassung den üblichen Parkplatznachweis erbringen. - So kann also dem smart in Japan gar kein Verkaufserfolg beschieden sein.

Der smart ist also zu klein, zu wenig praxisgerecht, um in unseren Landen als vernünftig empfunden zu werden. Für Japan ist das gleiche Fahrzeug nun unvernünftig breit. Um 3,5 Zentimeter!

Lieber Herr Prof. Hubbert, hat bei Ihnen denn eigentlich überhaupt niemand bei der Konstruktion und Entwicklung des Fahrzeuges mitgedacht?

Aber, so hört man vom Hersteller, man möchte den smart auch gar nicht als Micro-Car nach Japan einführen. Und zunächst wird man es auch nur mit dem Linkslenker versuchen. (Trotz Linksverkehr in Japan!). Und die Einführung dieser Rechtslenkerversion wird auch erst ab September/Oktober des Jahres 2000, also in rund einem Jahr erfolgen. - Was hat Prof. Hubbert eigentlich dazu gebracht, schon jetzt davon in Tokyo zu sprechen?

Außerdem denkt man zunächst nur "an kleine Stückzahlen". Außerdem soll der smart zunächst nur im Großraum Tokyo vertrieben werden. Und einen Verkaufspreis für Japan kennt man noch nicht, da der Import und auch die Preisfestsetzung über DaimlerChrysler Japan läuft. Und dort ist man ganz stolz (man tut jedenfalls so), dass der smart kein Micro-Car ist, denn so meint man, "die K-cars (wie man die Micro-Cars auch bezeichnet) haben in Japan kein Image". Und so wird man auch nur die hochwertige Ausführung des smart in Japan anbieten. Sicherlich - wegen dem guten Image (?) - zu gesalzenen Preisen.

Aber dann sicherlich in Stückzahlen, die vernachlässigbar sein werden. In Japan wird der smart so kein Geschäft werden über das sich zu reden lohnt.

Zur Jahreswende 2001/2002 hofft man dann soweit zu sein, dass man auch eine Rechtslenker-Version anbieten kann. Die soll dann gleich mit einer leistungsstärkeren Klimaanlage zur Auslieferung kommen.

Damit der smart, wie er jetzt und heute hier ausgeliefert wird, den japanischen Vorschriften entspricht, müssen folgende Änderungen vorgenommen werden:

Und weil das alles dauert, kam eigentlich die Ankündigung des smart-Export nach Japan durch Prof. Jürgen Hubbert viel zu früh, hatte wohl ausschließlich PR-Charakter. Und da - außer Motor-KRITIK - niemand nachfragt... -

Herrn Prof. Hubbert sei aber an dieser Stelle gesagt, dass es durchaus schon kleine japanische "Grau-Importeure" gibt, die den smart in Japan anbieten. Die rüsten übrigens das Fahrzeug entsprechend den Micro-Car-Vorschriften um. Der smart wird also in diesem Falle schmaler. Das macht den smart zwar nicht billiger, aber für Japan besser geeignet. Diese Japaner lächeln nur freundlich, wenn sie von den Import-Plänen von DaimlerChrysler hören.

Wohin man also bei smart auch schaut: Es gibt nichts zu Lachen, noch nicht einmal zu lächeln. Noch nicht einmal im Land des Lächelns.

MK/Wilhelm Hahne


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