Kennen Sie die "VES"? - Es geht dort um den alternativen Treibstoff der Zukunft.

Bevor es so einen Treibstoff gibt, muss man ihn gefunden haben. Darum gibt es die "VES". Das ist eine Initiative der Bundesregierung, bei der nun neben den Vertretern aus dem Verkehrsministerium auch die Herren einiger großer Automobilunternehmen (BMW, DaimlerChrysler, MAN und VW), sowie die einiger Energieunterhmen (ARAL, RWE und Shell) an einem Tisch sitzen. Und die Acht haben beraten. Und nun auf einer Pressekonferenz verlauten lassen, was  der alternative Kraftstoff der Zukunft ist.

Acht achteten zunächst auf ihre persönlichen Interessen

00-01-23/04. Dem  Vorstandsmitglied der ARAL AG, Gorenflos, war es eigentlich egal, was bei der Beratung herauskam. Er hoffte, "möglichst bald ein kompetente und weitreichende verbindliche Antwort auf die Fragen der zukünftigen Energieversorgung des Straßenverkehrs zu erhalten. "Für uns stellt sich permanent die Frage, welche Alternativen zu heutigen Fahrzeug-/Kraftstoff-Systemen wann dem Verbraucher angeboten werden müssen", klagte er.

Wie hier herauszuhören, hatten die bisherigen Beratungen der VES wohl nichts gebracht. Dabei sollte bei der Pressekonferenz bereits ein Ergebnis verkündet werden, das vom Verkehrsminister Klimmt dann als "Zwischenstand" angekündigt wurde. Danach wird sich die VES "in der nächsten Phase" mit den Kraftstoffen

befassen und ihre Beratungen fortsetzen.

Auf dieser Pressekonferenz (am 19. Januar 2000 in Berlin) taten sich die Mitglieder der "gemeinsamen Initiative" schwer, Gemeinsamkeiten deutlich werden zu lassen. Man redete zwar von "gemeinsamer Strategie", nannte die VES "eine der wichtigsten Initiativen dieser Legislaturperiode im Verkehrssektor", aber von einer Einigkeit bei der Einschätzung des richtigen Weges war wenig zu verspüren.

Es war viel Bla-bla zu hören. Wenn man das aber weglässt, trat das zutage, was in den -zig Seiten der Sitzungsprotokolle viel deutlicher nachzulesen wäre, so sie denn veröffentlicht würden. So versuchte man zumindest nach außen eine gemeinsam angestrebte Richtung zu demonstrieren. - Aber schauen wir uns doch einmal die Kernaussagen der einzeln Mitglieder der VES im Detail an:

Da sagte VW:

"Für die Übergangsphase mache es keinen Sinn, kurzfristig spezielle Fahrzeugkonzepte und Infrastrukturen auszubauen. Solange für die Zukunft noch nicht klar sei, ob und mit welchem Kraftstoff die Brennstoffzelle den Durchbruch zu einem wettbewerbsfähigen Produkt schaffen könne, sollten bei den strategischen Überlegungen im Rahmen der VES sowohl ein spezielles Benzin (Fuel Cell Gasoline) als auch der Wasserstoff gleichermaßen geprüft werden."
Bei BMW sah man das klarer:
"Im Rahmen der bisherigen Arbeiten im Projekt wurde deutlich, dass außer Erdgas kein Kraftstoff die Hauptkriterien Resssourcenverfügbarkeit bei gleichzeitiger CO²-Reduzierung zu ökonomisch annähernd akzeptablen Kosten erfüllt"; und empfindet das Ergebnis der VES-Beratungen "für unser Haus nicht überraschend,
DaimlerChrysler betonte dagegen:
"...die Bedeutung von Methanol und Wasserstoff als zukünftige Energieträger". Und stellte deutlich fest: "Erdgas z.B. sei im Vergleich für Brennstoffzellenfahrzeuge weniger geeignet und entspreche als fossiler Kraftstoff weniger dem umweltpolitischen Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftens."
Die Deutsche Shell sagte zwar nicht, wie sie den Wasserstoff gewinnen wollen, aber machte deutlich:
"Wasserstoff wird der wichtigste Energieträger des 21. Jahrhunderts."
Von der Aral AG gab es keine Festlegung auf irgendeine Treibstoffart, sondern meinte:
"Wir hoffen, dass alle Beteiligten auf dem nun beginnenden und sicher noch mühsamen Weg der Strategiefindung mit einem guten Wirkungsgrad arbeiten und bald zu Ergebnissen kommen, die von Deutschland nach Europa und in die Welt getragen werden können."
Ein wenig hoffnungsvoller Satz, wenn man nun den schon bekannten Äußerungen die des RWE-DEA Konzerns gegenüberstellt:
"RWE AG und ihre im Mineralölgeschäft tätige Tochtergesellschaft DEA Mineraloel AG begrüßen die Einschätzung der VES-Experten,. daß konventionelle Kraftstoffe auf der Basis von Erdöl noch auf absehbare Zeit die Stütze des Verkehrssektors sein werden."
Da atmet man dann doch tief durch, um sich ein paar Sätze weiter vom Vortragenden, Dr. Dieter Dräger, Vorsitzender des Vorstandes der RWE-DEA AG, wieder beruhigen zu lassen:
"Der Zwischenbericht der von uns mitgestalteten VES-Initiative hält als wichtigstes Ergebnis fest, daß sich das weite Feld diskutierter Kraftstoff-Alternativen auf die drei aussichtsreichen Kraftstoffe Erdgas, Methanol und Wasserstoff konzentriert hat."
Aber das liest sich so, als stünde man nicht gerade hinter diesem "Ergebnis". (s.o.)

Bei MAN lobt man zunächst einmal die eigene Leistung auf dem Gebiet des Dieselmotors wenn man feststellt:

"Die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs war und ist im Nutzfahrzeugbereich Entwicklungsthema Nr. 1 und wird vom Betreiber als kaufentscheidend eingestuft. Schon heute benötigt ein schweres Nutzfahrzeug pro Tonne Gesamtgewicht lediglich ein Viertel der Kraftstoffmenge eines 3-Liter-Pkws." - Nachdem man vorher festgestellt hatte: "Die Versorgung mit fossilen Energieträgern (Erdöl, Erdgas, Kohle) kann vom Mengenangebot her bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts als gesichert betrachtet werden."
Und fast ein wenig losgelöst meint man bei MAN später:
"Mit der jetzt getroffenen Auswahl der Zukunftskraftstoffe Erdgas, Methanol und Wasserstoff können Einführungsstrategien entwickelt und auf Marktfähigkeit geprüft werden." Und das Schluß-Statement ist geradezu ein Stück Satire: "Wir wünschen der VES weiterhin einen guten Wirkungsgrad und hoffen auf ein international beachtetes Ergebnis."
Lässt man noch einmal alle Statements Revue passieren, dann klingt es schon ein wenig komisch, wenn Minister Klimmt meinte:
"Die VES ist von grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Energieversorgung im Straßenverkehr. ... Sie ist aus technischer Sicht ein zukunftsweidendes innovatives Vorhaben und eine Herausforderung für die Partnerunternehmen."
Das kann man wohl sagen, Herr Minister. Wobei es Motor-KRITIK auch angeraten scheint, den Herrn Minister darauf hinzuweisen, dass er nicht nur verantwortlich für Verkehr, sondern auch für "Bau und Wohnungswesen" ist. Und da sollte er doch schon wissen, wie denn eine Vielzahl von deutschen Häusern und Haushalten beheizt wird: mit Heizöl.

Und solange hier ein riesengroßer Verbrauch herrscht, solange wird man das Benzin praktisch als Abfallprodukt erhalten. Um es einer Gegenfrage vorwegzunehmen: unsere europäischen Verfahren der Produktgewinnung (Heizöl, Diesel, Benzin, usw.) unterscheiden sich von denen z.B. in den USA, wo praktisch kein Heizölbedarf besteht und darum auch die Diesel-Automobile keine Bedeutung haben.

Und was die Methanol-Favorisierung von DaimlerChrysler betrifft, die Motor-KRITIK auch schon in einem Beitrag ("Prof. Unrat und der Biomüll") gewürdigt hat, sei hier die Information angefügt, dass das Unternehmen am 26. Januar dieses Jahres einen Reihe von ausgesuchten Kollegen in den Genuss des Fahrens eines Brennstoffzellen-Automobil kommen lassen will. Das wird aber nicht mit Methanol betankt, sondern wurde so ausgerüstet, dass es jeweils an der Aral-Tankstelle am Münchner Flughafen (wo auch BMW seine Fahrzeuge betankt) direkt mit flüssigem Wasserstoff aufgefüllt werden kann. Von Methanol ist dann (in diesem Falle) keine Rede mehr.

Motor-KRITIK möchte darum festhalten. Jeder ist auf dem richtigen Weg in die Zukunft. Jeder auf seine Weise. Hoffen wir, dass auch jeder in der Zukunft ankommt. - Aber wie sollen dann die ersten Serien-Brennstoffzellenautomobile im Jahre 2004 lieferbar sein?

Aber Minister Klimmt weiß den Bedeutung der Initiative VES zu schätzen:

"Damit wird die VES über die Verbesserung der herkömmlichen Kraftstoffe hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Minderung der Emissionen einschließlich von CO² im Straßenverkehr und in der gesamten Energiebereitstellungskette für Verkehr leisten und so langfristig zum Erreichen der Klimaschutz-Ziele beitragen."


Ja, ja - langfristig.

MK/Wilhelm Hahne

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