2000-04-01, in Virneburg/Eifel

Guten Tag!

Ich werde häufig gefragt, wie man "in so einem Kaff" wie Virneburg einen so von guten Detailinformationen strotzenden Informationsdienst machen kann. Virneburg läge doch weitab aller wichtigen Zentren und Zentralen dieser Welt.

Das ist alles richtig. Ist aber trotzdem falsch, weil man vielleicht nur in einem Ort wie Virneburg den richtigen Abstand zu dem hat, was sich anderen - viel näher an den Entscheidungen - ganz anders darstellt, weil sie nur Teilaspekte in ihren Überlegungen berücksichtigen können - ihr Horizont ist (wegen des zu geringen Abstandes zum Objekt!) ein wenig zu klein. Ich versuche, viele Dinge gesamtheitlich zu sehen.

Natürlich bleiben auch trotz intensivem Einsatz von Telefon, Fax, Internet und e-mail Fehler nicht aus. Obwohl ich mir schon immer Zeit nehme und - wie kürzlich ein Kollege "klagte" - das Internet von mir nicht optimal genutzt würde. Ich müsse schneller werden.

Aber schneller ist da schon die Tagespresse. Da wurde gerade ein europaweiter 100.000-Stück-Rückruf für den Ford Focus vermeldet. Und einer schrieb vom anderen ab. Tatsächlich werden es um 200.000 sein. (Allein in Deutschland um 65.000 Stück = 23.000 1,6 l mit Störungen im Motormanagement + 42.000 1,8 - 2,0 Liter mit fehlerhaftem Öleinfüllstutzen.) - So geht es halt, wenn man zu schnell ist. (Aber bei Ford ist man zufrieden!) - Und bei "auto motor und sport" findet dieser Rückruf erst gar nicht statt. Man hatte wohl keinen Platz für eine "kleine" 100.000er-Meldung.

Auch andere Journale und Magazine sind schnell.- Meint man. Weil man schon mal vergisst, was in Motor-KRITIK - lange vorher - stand. Denn ich bin manchmal viel zu früh, um von bestimmten Leuten begriffen zu werden. Und sie behalten's auch nicht.

Dazu ein aktuelles Beispiel: Da schlägt gerade eine Meldung im "stern" große Wellen, weil hier der baldige Abschied des aktuellen BMW-Vorstandsvorsitzenden Milberg vorhergesagt wird. - Na und?

Im "Guten Tag" des 31.12.1999 ist mir mir zu lesen (Sie können es immer noch anklicken):

"Aber nicht nur bei DC wird es im nächsten Jahr zu Schwierigkeiten kommen. Auch bei BMW. Ich glaube nicht, dass der jetzige BMW-Chef die nächsten 6 Monate in seiner jetzigen Position überlebt. Nach meinen Informationen sucht man schon einen Nachfolger. - Aber woher nehmen?"
Und gut drei Wochen später, exakt am 23. Januar des Jahres 2000 ist - ebenfalls im "Guten Tag" in Motor-KRITIK zu lesen:
"...wer so gut verdient dass er sich Rover leisten kann, der kann sich auch ein Formel 1-Team leisten. Aber vielleicht nicht mehr lange die zur Zeit dort durchgehaltene Firmenpolitik im Hinblick auf Rover. Nach dem Motto vorgetragen: Koste es, was es wolle. - Aber ich habe ja bereits geschrieben, dass ich schon bald mit Änderungen im Vorstand bei BMW rechne."
Ist so eigentlich die "stern"-Vorabmeldung von dieser Woche noch eine Überraschung? (Übrigens: die dann wirklich im "stern" erschiene Geschichte ist sehr gut. .- Darum wurde sie wohl auch mit zwei Einstweiligen Verfügungen von BMW ausgezeichnet.)

Oder nehmen wir einmal ein anderes aktuelles Beispiel: Da ist in der letzten Ausgabe von "auto motor und sport" zu lesen, dass "der Pumpe-Düse TDI (115 PS) ... VW weiter Schwierigkeiten" bereitet. "Jetzt mehren sich gerissene Zahnriemen und undichte Tandempumpen ... Der Zahnriemenproblematik will VW ab der nächsten Fünfzylinder-TDI-Generation mit der Umstellung des Nockenwellenantriebs auf Stirnräder begegnen."

In Motor-KRITIK war bereits am 29. Juli 1999 unter dem Titel "Pumpe-Düse ist subjektiv toll - objektiv eine Einbahnstraße?" (s. u. Automobile, 1999) zu lesen:

So hat der VW-Pumpe-Düse-Motor als Nockenwellenantrieb einen Zahnriemen. Leute die sich auskennen  behaupten, der hier verwendete Zahnriemen wäre breiter als andere bei VW verwendeten. Aber ich weiß aus anderen Versuchsabteilungen, daß der Zahnriemen gerade beim Pumpe-Düse-Motor einer hohen Belastung unterliegt. Denn die Nockenwellen müssen hier auch die kleinen Pumpen betätigen. Das erfordert Kraft, die - nach meinem Wissen - einen Zahnriemen dazu bringen kann, die Einspritzzeiten bis um zu 6 Grad zu verändern, weil sich ein Zahnriemen unter großer Belastung ein wenig längt.- Der Spruch, "Je länger, je lieber", stimmt eben nicht immer. ...

Man muß sich also bei einem Kauf zwischen Kopf und Bauch entscheiden. Während ich sonst immer Bauch-Entscheidungen bevorzuge, würde ich beim Dieselmotor (vielleicht weil das auch schon eine Kopfentscheidung ist) mich immer für eine Comon-Rail-Lösung dann entscheiden, wenn die Zylinderzahl über vier Zylinder liegt. Ich bin nun mal in die Vierzylinder-Hochdruckpumpen-Lösung beim BMW 320d ein wenig verliebt. Und die Nockenwelle wird beim BMW-Diesel über eine Kette angetrieben. (Wenn es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: bei BMW gibt es keine Motoren mit Zahnriemen.  Man weiß in München warum!)
....
Also kaufen Sie sich ruhig - wenn Sie nach einem Probefahrterleben dazu neigen, den Pumpe-Düse-TDI. Aber klagen Sie bitte später nicht, wenn es Ärger mit dem Zahnriemen, der Nockenwelle (Öl) usw. gibt. - Ich habe Ihnen hier alles aufgeschrieben.

Es ist schon so, dass Virneburg der richtige Ort zum Nachdenken ist. Und ich habe gerade vor wenigen Tagen noch ein wenig stolz lächeln müssen, als mir ein Navigationsgerät mit sympathischer weiblicher Stimme beim Abbiegen von der B 258 in "meinen" Ort verkündete: "Achtung, Sie verlassen jetzt das digitalisierte Gebiet".

Zum Glück wohne ich im "nicht digitalisierten Gebiet". Hier denkt man noch einfach und klar, löst gedankliche Dinge noch analog. Und ein wenig hat mein Verhältnis zu den Menschen in diesem kleinen Dorf von unter 500 Einwohnern auch mit meinem Verhältnis zu den Menschen unserer Branche gemeinsam. Denn so groß ist die Branche nicht. Die wichtigen Leute kennt man seit vielen Jahren, kennt ihre Gewohn- und Eigenheiten. Sie sind kalkulierbar geworden. Man weiss, wem man glauben kann und wem nicht. Und ich weiß darum, wen ich in bestimmten Dingen erst gar nicht zu fragen brauche.

Das hat nichts mit einer Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflicht zu tun, sondern mit meiner Erfahrung innerhalb der Branche. Ich kenne die Borghs, die Gauls, die Nistls der Motorszene. Ich nutze auch deren Instrumente. Aber ich nutze sie auf meine Art. - (Im Falle Nistl wurde ich übrigens gerade aus St. Tropez - von der A2-Präsentation - informiert, dass ich mit meiner Vorhersage auch in diesem Falle richtig liegen würde.)

Wenn ich dieses Mal z.B. wieder eine Pressemitteilung im Detail "auseinandernehme", so wird das ein Hans Wilhelm Gäb (wenn er es lesen würde) nicht verstehen, weil der schon 1994 fragte, warum ich so etwas machen würde.- "Was soll das?" - Ich hatte damals an Textänderungen in einer Opel-Pressemitteilungen Differenzen zwischen Opel und BMW im Hinblick auf den Einsatz des BMW-Dieselmotors im Opel-Omega aufgezeigt.

Und jetzt zeige ich einmal auf, wie toll sich das macht, wenn man glaubt Fremdsprachen zu beherrschen. Ein Engländer (oder Amerikaner) wird sich auf Deutsch zwar gut verständigen, aber niemals die Feinheiten der Sprache nutzen können, mit der wir groß geworden sind. Und ein Deutscher wird wohl kaum je so gut "Amerikanisch" denken, träumen und formulieren können, wie das erforderlich wäre, um als Gesprächspartner von einem echten Amerikaner jemals ernst genommen zu werden. - Aber lesen Sie doch einfach meine Geschichte. "Globale Player" werden darüber lächeln, weil sie es natürlich besser wissen. Und es dann später auszubaden haben, weil es nicht nur Übersetzungsfehler in Pressemitteilungen gibt.

Es gibt auch einen Beitrag zur Formel 1, zu der ich meine Grundeisntellung - nachdem die Rennen zu Events verkommen sind, schon vor langer Zeit deutlich gemacht habe. Aber gerade zu Anfang dieser Saison lohnt sich der eine oder andere Hinweis.

Wenn man etwas zu der Formel 1 schreibt, muss man natürlich etwas zu Veedol-Langstreckenpokal schreiben, dem anderen "Highlight" der Saison.- Hier kann man den möglichen Gesamtsieger nicht errechnen.

Und natürlich muss ich noch meine Gedanken zur Entwicklung bei BMW los werden. Da ist nun ein neuer Trend erkennbar, mit dem ich in dieser deutlichen Form nicht (mehr) gerechnet hatte. Es gibt also immer noch Dinge, die sogar einen Journalisten in Virneburg überraschen können.

Und es gibt dieses Mal für meine Leser noch andere Überraschungen. Weil die hier nicht angekündigt sind. Vielleicht machen Sie darum besonderen Spaß. - Gerade, weil 1. April ist.

Aber es gibt auch so bittere Überraschungen wie die, dass gerade ein guter Bekannter (und Kollege) gestorben ist. Er hatte Lungenkrebs. Als er das vor wenigen Monaten erfuhr, hatte er einem Freund das so erklärt: "Nun habe ich gerade meine letzte Kurve genommen, bin auf die Zielgerade der "Nordschleife" eingebogen. Sie ist scheinbar lang. Aber mit Vollgas hat man sie schon nach kurzer Zeit durcheilt. Dann die "Schikane". - Und du bist im Ziel."

Nachgefragt: "Und was willst du jetzt machen?" - Antwort: "Vollgas geben, wie ich das immer gemacht habe."

So hat er es dann auch gemacht - und hat in der letzten Schikane dann noch seinen Lungenkrebs ausgebremst. Mit einem Herzinfarkt. Nun ist er im Ziel. Als ein Sieger, der sich selbst besiegte. Er wußte, an welchem Teil der Strecke er sich befand.

Manchmal tut es gut sich daran zu erinnern, dass wir uns alle auf einer großen Runde befinden. Manche irren da auf der Suche nach der Ideallinie praktisch verzweifelt umher. Aber auch sie werden ins Ziel kommen. Jeder von uns wird eines Tages abgewunken. Viele werden sich dabei nicht als Sieger fühlen, weil sie auf der Strecke des Lebens so manche Kurve nicht gekriegt haben. - Hauptsache, das Durchfahren des Kurvenlaberinths des Lebens hat Ihnen Spass gemacht.

Wie mir der Journalismus. Ich muss nicht der Erste sein. Aber ich möchte schon häufig die Ideallinie treffen. Ich möchte das Internet nichts als Sportwagen nutzen, sondern als ein zuverlässiges Kombifahrzeug, mit dem man eine Vielfalt von Informations-Puzzlestücken so von Virneburg in die Welt bringt, dass sich draußen - bei Ihnen - ein Bild von der Wirklichkeit in der Branche formen kann. Alle meine Beiträge können unter diesem Gesichtspunkt nur Stückwerk sein.

Wobei so manches "Stückwerk" selbst für mich Überraschungen bringt. So gab es auf meinen "Guten Tag" vom 31.12.1999 auch ein lokales Echo. Ich hatte - auf Anregung von Johnny Cecotto - daran erinnert, wie man z.B. Kindern in Venezuela helfen kann. Und wie. Und es erreichten mich Anrufe aus der näheren - und weiteren - Umgebung, ob man auch Sachen bei mir abliefern könne. - Kurzum: von Virneburg aus haben zwei Kleinlaster voll Sachen den Weg zur Botschaft von Venezuela in Bonn gefunden, wo man sehr überrascht war, aus der Eifel eine Anlieferung von Kleidern und Spielsachen in so perfekter Art zu erhalten, wie man das wohl sonst nicht so erlebte. Alle Sachen waren gereinigt, gewaschen, gebügelt, gefaltet. So wie man eben in der Eifel ist.

Man bemüht sich das was man macht, auch richtig zu machen. Hier "tanz nicht der Bär", kommt es nicht auf Showeffekte an, gibt es keine "Events". Und darum fühle ich mich in meiner Art auch wohl in diesem kleinen Eifeldorf. Inzwischen kennt man es auch in der Botschaft von Venezuela genauso, wie bei der deutschen Automobilindustrie. - Weil man in Virneburg- nicht nur bei Kleidersammlungen - um Perfektion bemüht ist. Und um eine realistische Darstellung aller Abläufe.

Zumindest der Versuch dürfte doch nicht strafbar sein.

Guten Tag!

Wilhelm Hahne



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