Der Ex-Lamborghini-Importeur Hubert Hahne macht sich Gedanken zur Zukunft der Italo-Firma

Und er hat sie  auf- und niedergeschrieben. Für die "Süddeutsche Zeitung". Jürgen Lewandowski, Ressortleiter "auto und verkehr" dieser überregionalen Zeitung fand Hubert Hahnes "Anregungen" nicht nur für Fachleute interessant, sondern auch für seine Leser. Da ich, Wilhelm Hahne, den Background kenne, der dieser Geschichte (meines Bruders) zugrunde liegt, möchte ich nachstehend diese Geschichte auch all' den Lesern präsentieren, die (natürlich zufällig) diese Geschichte in der "Süddeutschen" nicht gelesen haben. Außerdem kann sie hier im Internet leichter "nachgeschlagen" werden, als im Archiv der "SZ". - Jürgen Lewandowski hatte auch keine Einwände. - Danke! - Und so steht die Geschichte nachstehend Wort für Wort so da, wie sie auch in der Nr 89 der in München erscheinenden überregionalen Tageszeitung zu lesen war. Jürgen Lewandowski hatte die Geschichte "Bullfight Bolognese" getitelt. Und es gab auch noch einen "Kasten", in dem noch einmal dargestellt wurde, wer Hubert Hahne war und ist. Das brauche ich hier nicht, weil Motor-KRITIK nicht die "Süddeutsche" ist. Lassen wir also meinen Bruder Hubert darstellen, wie er sich die Entwicklung von Lamborghini idealerweise vorstellen würde.

Lamborghini darf nicht zu "Little Rover" verkommen

00-04-20/02. Elitäre Luxusgüter-Manufakturen werden als Übernahmeobjekte immer beliebter - wozu die Tatsache beitragen dürfte, dass auch die Kalkulationen für imageträchtige Produkte "luxuriös lukrativ" sind. In einem wahren Kaufrausch erstanden deshalb die Herren Arnault, Bertelli und Pinault die weltweit feinsten und edelsten Marken der Branchen Wein, Champagner, Mode, Gepäck, Schmuck - an die edlen Automarken wagten sie sich jedoch nicht heran.

Das erledigte Ferdinand Piech mit der ihm eigenen Rasanz und Zielstrebigkeit. Bentley, Bugatti und Lamborghini integrierte er in seinen Konzern, wo auch noch die klassischen Logos der Auto Union, wie beispielsweise Horch, schlummern. Lamborghini reichte er dann an Audi in Ingolstadt weiter. Der dortige Vorstandsvorsitzende, Franz-Josef Paefgen, zahlte den Kaufpreis - etwa 100 Millionen Mark - "aus der Portokasse".

Eine Firma wie Lamborghini lebt jedoch nicht nur vom Geld allein: Dieser edle, sportliche Automobilbegriff besitzt eine "Seele", die ihm von dem Firmengründer, dem Cavalliere del Lavoro Ferruccio Lamborghini, eingehaucht wurde. Dieses "Seelenleben" zu pflegen ist eine Kunst, die mit der Erfahrung im Umgang mit konfektionären Großserienprodukten nicht vergleichbar ist. Selbst der Verkauf dieser Pretiosen ist kein Autohandel, sondern ein Gesellschaftsspiel.

Ferruccio Lamborghini verfügte über einen geradezu animalischen Instinkt für revolutionäre, industrielle Ideen - und auch dafür, junge, talentierte Konstrukteure aufzuspüren, die seine Vorstellungen von einem kompromisslosen Ferrari-Konkurrenten in die Tat umzusetzen wußten. Als 1966 der Miura die Bühne der Exoten betrat, galt er als Geniestreich gegen die Rivalen der motorsportlichen Upper-Class. So extrem und genial hatte noch niemand den Begriff Sportwagen interpretiert. Gianpaola Dallara und Paolo Stanzani waren seine Handlanger und die technischen Urheber dieser atemberaubenden Lamborghini-Philosophie. Eine komplexe Formation hoch qualifizierter und motivierter Techniker und Kunsthandwerker bildeten die Substanz der "Famiglia Lamborghini" - und der Papa hieß Ferruccio.

Nach dem Miura erfolgte dann 1970 der zweite Donnerknall: Auf dem Salone Internationale Dell'Automobili Torino präsentierte Lamborghini den Countach - eine Kreation von Stanzani und dem Designer Marcello Gandini. Und dabei ist es bis heute im Großen und Ganzen geblieben, denn der aktuelle Diablo basiert noch immer auf dem technischen Layout des Countach. - Stanzani und Gandini haben übrigens später gemeinsam den Bugatti EB 110 entwickelt.

Ferruccio verkaufte seine Automobili Lamborghini 1974, um sich auf das Management seines 300 Hektar großen Weinguts zu konzentrieren. Sein Werk war seitdem erheblichen wirtschaftlichen Wirbelstürmen ausgesetzt - überlebte aber dennoch, obwohl die nachfolgenden Besitzer, die Schweizer Immobilienhändler Leimer/Rosetti, der französische Zuckerimporteur Mimran, der Autoriese Chrysler und der indonesische Präsidentensohn Suharto Schulbeispiele für Missmanagement lieferten.

Alle Eigentümer und ihre Manager begingen den gleichen Fehler: Sie richteten angriffslustig ihre Blicke in Richtung Maranello, um Ferrari zu besiegen. Das ist jedoch - nachdem Ferrari in den letzten 30 Jahren überdimensional an Substanz gewonnen hat - unter ökonomischen Aspekten unmöglich geworden. Ferrari ist ein unantastbares Denkmal - basta.

Nun hat auch Audi beschlossen, einen Anti-Ferrari zu bauen, der 2004 in Serie gehen soll. Es wird sicherlich ein hübsches, kleines Sportauto werden, das viele Audi- und VW-Komponenten besitzen und etwa 200.000 Mark kosten wird. Audi müsste davon jährlich 3.000 Einheiten verkaufen, um nach ein paar Jahren Gewinne einfahren zu können. Diese Zahl wird jedoch das schrumpfende Potential an Lamborghini-Fans nicht hergeben - und bis dahin wird das Abenteuer eine runde Milliarde Mark verschlungen haben, mit anderen Worten: "Little Rover".

Avvocato Giovanni Agnelli hat die Übernahme von Ferrari, übrigens privat und nicht als Fiat-Holding-Eigner, anders betrieben - wobei ihm natürlich auch der günstigere Zeitpunkt entgegen kam: Er hat den "Hausgeist" und das in Italien wichtige "Familienleben" respektiert und gepflegt. Deshalb repräsentierren die heutigen Ferraris noch immer das geistige Gut des Commendatore Ferrari. Agnelli ist Freund und Pate.

Eine ökonomische Lösung könnte bei Lamborghini in eine andere Richtung zielen: Uner der Schirmherrschaft von beispielsweise Gianpaolo Dallara könnten exzellente Ingenieure zu einer Ideenschmiede formiert werden, die ihr Knowhow an die Autoindustrie verkauft. Etwa so, wie Porsche in Weissach agiert.

"Piccolo Porsche" könnte dann für alle Autofirmen - natürlich auch den VW-Konzern - Engineeringaufträge erledigen. Und gleichermaßen das Entwicklungspotential für die Realisierung eines extrem teuren, hinreißenden Sportwagens verwenden, der in Mini-Stückzahlen produziert (und sehr teuer verkauft) den Ruhm des Hauses mehren könnte. Die frei werdenden Produktionskapazitäten könnten für die Auftragsherstellung von Nischenprodukten à la Mercedes SLR (der bei McLaren produziert wird) verwendet werden. Und der Super-Lamborghini wäre das rollende Aushängeschild für Lamborghini-Engineering.

Der VW-Konzern exerziert zwar vor, wie leicht es ist, ein 18-Zylinder-Triebwerk zu entwickeln, in dem drei Sechszylinder zusammengefügt werden. Aber Plattformstrategien oder die variable und vielfältige Nutzung von Großserienkomponenten und die Steigerung von Produktionszahlen verwässern den exklusiven Auftritt einer modernen Haute Couture, die naturgemäß nur minimal produziert auch maximal elitär bleibt.

Vielleicht ist auch die Zeit reif dafür, ein neues Produkt zu kreieren, das die Handschrift eines begnadeten Konstrukteurs trägt. Und es muss keine 16 oder 18 Zylinder besitzen - vielleicht ein zweimotoriger 4-WD oder ein nur 800 Kilogramm schweres Gefährt mit 500 PS und Formel-1-mäßiger, aerodynamischer Down-force. Ich weiß es nicht. Aber es muss ein durch ein technisches Genie, das kalkulatorischer Zwänge bedarf, organisch gewachsenes, konstruktives und ästhetisches Kunstwerk sein.

Die neue Marke würde dann so bekannt werden, wie damals Lamborghini berühmt wurde - nicht durch seinen Namen, sondern durch seine Produkte.

MK/Hubert Hahne


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