Von Klasse zur Masse? - Auch bei Mercedes (DaimlerChrysler) ist nicht mehr alles wie es mal war

Man achtet heute auf Aktienkurse, auf Profit. Natürlich auch aufs eigene Einkommen. Man entwickelt eine Plattformstrategie, verkürzt die Entwicklungszeiten, sorgt für eine Flut neuer Modelle, propagiert Innovation um Innovation. Auch wenn sie keine sind. Große Zahlen werden von der Öffentlichkeit gerne genommen. Und wenn nun die neue C-Klasse in der Öffentlichkeit zur "kleinen S-Klasse" mutiert, dann meckert man zwar (offiziell) bei DaimlerChrysler, hat aber eigentlich diese Art von Einschätzung selbst vorgegeben. DaimlerChrysler möchte Maßstäbe setzen. Und die Presse zieht mit. Aber sind die Mercedes-Werker, die im Schwabenländle, eigentlich mit dem großen mulit-kulturellen Zusammenschluss, mit den amerikanischen Freunden und der Übernahme so mancher Arbeits- und Organisationform "von drüben" einverstanden? - Nach den Beobachtungen von Motor-KRITIK nicht unbedingt. Und man muss sich fragen:

Entstehen durch menschliche Spannungen Qualitätsrisse?

00-06-10/10. In Wirtschaftsmagazinen wird von "Turbo-Kapitalismus" gesprochen, aber auch davon, dass dieser neue Trend, der Analysten und Fondsmanager begeistert, dadurch gebremst werden könnte, dass"die Flexibilität der Mitarbeiter geringer ist als die des Kapitals" (Klaus Backhaus, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster). Der Mensch ist ein Risikofaktor in einer Entwicklung, die nicht mehr menschlich ist.

Als gutes (und schönes) Beispiel dafür, dass nun auch bei der Automobilindustrie die Produkte immer schneller entstehen, ist in der letzten Ausgabe von "manager magazin" die C-Klasse von DaimlerChrysler angeführt und auch abgebildet. Dieses Automobil erhält in ersten Fahrberichten und Tests großes Lob. Ist es den Stuttgartern perfekt gelungen?

Motor-KRITIK hat einmal nachgehakt und ist auf eigenartige Vorfälle im Markt gestoßen:

Nein, ich habe in dieser Sache nicht mit Stuttgart telefoniert. Weil man hier so lange nicht die Wahrheit erfährt, bevor man sie nicht selbst ans Licht gebracht hat.

Im Zuge meiner - bis jetzt noch nicht abgeschlossenen Recherchen - kommen auch andere Sachen ans Licht, da meine Gesprächspartner zunächst nicht wissen, auf welches Modell ich sie eigentlich anspreche.

So höre ich von einem Fall, wo bei einer S-Klasse (lang), mit Zwölfzylindermotor, Kaufpreis über 250.000 DM, sich bei einem nächtlichen Wolkenbruch alle Fenster und das Schiebedach (automatisch!) öffnen und das Fahrzeug danach für eine Goldfischzucht geeignet ist. "Der Fehler (Anmerkung: am Regensensor) ist dem Werk bekannt. Sie erhalten ein neues Fahrzeug".

So einfach ist das.- Das Fahrzeug hatte weniger als 3.000 km gelaufen.

Bei den A-Klasse-Modellen mit Dieselmotor ist das anders. Da merken die Fahrer gar nicht, dass in ihrem Motor ein spanabhebendes Werkzeug verbaut wurde: die Kette zum Nockenwellenantrieb raspelt die Zähne der Kettenräder herunter. Aber nur soweit, dass ein Schaden nicht spürbar wird. - Sagt man mir. - Und tauscht in aller Stille die Antriebsteile.

Mir ist noch nicht klar, warum das passiert. Aber ich gehe davon aus, dass das Mercedes auch nicht weiß (wußte). Denn der wunderhübsche CDI-Motor wurde - soweit ich das feststellen konnte - auch nach Feststellung dieser Schäden (zunächst) unverändert weiter gebaut.

Und wenn man an die ersten M-Klasse-Fahrzeuge denkt... -

Unsere Vorzeigemarke zehrt inzwischen vom Image der Vergangenheit. Opfert man die Qualität dem schnellen Profit?

Wie gut das Image der Marke Mercedes heute immer noch ist, wird am Beispiel Japan deutlich. Dorthin wollen die Stuttgarter demnächst den "smart" exportieren. (Nur in Motor-KRITIK gab es dazu eine umfassende Darstellung) Der japanische Importeur, eine firmeneigene Gesellschaft, möchte aber den "smart" nur dann importieren, wenn auch von draußen klar ersichtlich ist, dass das ein Produkt ist, das von Mercedes-Benz verantwortet wird. Also nicht von DaimlerChrysler. - Mercedes muss es sein. Weil nur Mercedes in Japan wirkliches Ansehen genießt.

Zu diesem Thema - Export des "smart" nach Japan und die Art seiner "Auszeichnung - gibt es zur Zeit in Stuttgart viele Meetings. Viele sind dagegen, den "smart"  optisch so eng an die Marke Mercedes anzubinden. Eigentlich, so meint die eine Gruppe, ist der "smart" nicht mercedeslike.

Andere sagen, dass man doch eigentlich längst zugegeben hat, dass "smart" etwas mit Mercedes-Benz zu tun hat und bittet die anders Argumentierenden doch mal einen Blick auf den Motor des "smart"-Diesel zu werfen. Tatsächlich steht dort geschrieben:

"smart - Engineered by Mercedes-Benz"
Und das möchte man jetzt auch auf die Karosse schreiben. Zunächst nur für Japan. - Und morgen die ganze Welt?

Aber was nutzt die Verwendung eines (bisher) guten Namens, wenn dieser Namen durch die Qualitätsmängel neuer Mercedes.Benz-Produkte dann schließlich Schaden nimmt.

Daimler hat zwar Chrysler übernommen - und nicht umgekehrt. Aber trotzdem ist mehr als ein Ruck durch die bisherige Firmenstruktur gegangen. Es ist zur Rissbildung gekommen. Auch ausgelöst durch die Einstellung der Mitarbeiter, die sich nach der Fusion verändert hat.

Tatsächlich sind die Entwicklungszeiten kürzer geworden, die Rendite größer, aber man sollte nicht nur an Morgen, sondern auch an Übermorgen denken. - Und vielleicht ein wenig an die Menschen.

MK/Wilhelm Hahne

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