Basisinformation: die technischen Grundlagen des Automobilbaus erfordern auch personelle, menschliche, geistige Grundlagen

Die folgende Geschichte wurde von jemandem geschrieben, den man wirklich - auf seinem Gebiet - als Fachmann bezeichnen kann:  Dr.-Ing. Ferenc Anisits, Ex-BMW-Chefentwickler Dieselmotoren. Man hat ihn bei BMW mit 60 Jahren in Rente geschickt. Dr. Anisits wird in diesem Jahr 65. Es gibt keine Art von Dieselmotoren, die er - vor seiner BMW-Zeit - nicht entwickelt hat, in allen wichtigen Kriterien beherrscht. Dr. Anisits ist kein Mann, der in einer "Group" (die BMW heute ist), viele Freunde haben kann. Er hat immer versucht Ideale zu verwirklichen, den besten Kompromiss zu finden. Denn auch ihm ist natürlich klar: jedes technische Produkt ist ein Kompromiss. Für den Konstrukteur gilt es, bezogen auf das Einsatzgebiet, die Anforderungen des Kunden, den besten zu finden. - Dr. Anisits kann mit der derzeitigen Entwicklung - auch der personellen - bei den Herstellern von Motoren und Automobilen - nicht zufrieden sein. Aber nachfolgende Geschichte hat er bereits im Jahre 1999 geschrieben. Sie wurde damals auch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Aber damals haben nur wenige  begriffen, wie recht Dr. Anisits mit seiner Geschichte hatte. - Ich bin stolz, heute noch einmal - mit seinem Einverständnis - seine Auffassung einem anderen Leserkreis darbieten zu können. Und ich möchte unterstreichen: die Darstellung - und die Auffassung - des Herrn Dr. Ferenc Anisits ist auch meine. - Übrigens: Dr. Anisits hat mit mir zusammen den ersten Sieg eines Diesel-Renntourenwagens in einem Langstreckenrennen - gegen potente Ottomotor-Renntourenwagen -realisiert. Damals, bei BMW. Gegen viele Widerstände.

Der Konstrukteur als Produkt-Architekt im Entwicklungsprozess

04-01-02/01. - Es gibt kaum eine so schöpferisch und geistig vergleichbare Tätigkeit im Wertgestaltungsprozess wie die des Konstrukteurs. Er wirkt multifunktional und übt entscheidenden Einfluss auf die technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Eigenschaften eines Produktes aus - sowohl bei den Herstellern wie auch bei den Nutzern. Der hohe Stellenwert des Konstrukteurs im Unternehmen ergibt sich aus seiner Bedeutung als kreativer Gestalter an der Schnittstelle für Produkteigenschaften, Herstellungs- und Gebrauchskosten sowie der Qualität.

Um so mehr verwundert es, dass die konstruktive Arbeit ihre Anziehungskraft unter den Ingenieuren in zunehmendem Maße zu verlieren scheint. Warum stehen Projektkoordination und technisch-wissenschaftliche Berechnung, ja sogar Tätigkeiten im Versuch im Ansehen der Ingenieure ganz oben und gewinnen ständig an Attraktivität? Während die spezialisierten Fachstellen nur einzelne Teilumfänge des Produktes zu entwickeln haben, müssen Konstrukteure das Produkt stets ganzheitlich betrachten. Gilt auch hier das berühmte Bonmot, wonach die Konstrukteure die Kamele seien, auf deren Rücken die Verwalter und Koordinatoren zu ihrem Erfolg reiten?

Es ist an der Zeit, das Bild des Konstrukteurs klarer zu zeichnen und seine Tätigkeit als eine leitende Funktion im Entwicklungsprozess stärker heraus zu heben und zu würdigen. Der Konstrukteur - als Generalist - muss auch im Zeitalter der Spezialisierung und der revolutionären Veränderung der Kommunikationsstrukturen, sowie CAD-geprägten Arbeitsmethoden, sein positives Selbstwertgefühl als wichtiger kreativer Konzeptgestalter im Entwicklungsprozess wieder erlangen. Man muss ihn ermutigen, sich als Produktarchitekt und nicht als Wasserträger für Informationen in einer zunehmend verwalterisch wirkenden Entwicklungsorganisation zu definieren.

Ebenso ist ein neues Denken auch bei der Berufsauffassung der Ingenieure von Nöten. Freude am Gestalten technischer Lösungen, kreativ-positives Verantwortungsgefühl im Spannungsfeld zwischen dem technisch Machbaren, sinnvollen und politisch und ökologisch Durchsetzbaren ist es, was junge Ingenieure mitbringen sollten. Von den Professoren und Dozenten an den Universitäten und Technischen Hochschulen muss gelehrt werden, dass die Konstruktion die Quelle der Innovation ist. Dementsprechend muss die Konstruktion im Lehrplan stärker Berücksichtigung finden.

Schließlich müssen positive Signale an die Konstrukteure auch vom Entwicklungsmanagement gesendet werden. Nur eine attraktive Stellengestaltung und Anerkennung innerhalb der Organisation schafft für die Konstrukteur-Funktion die ihr gebührende Wertschätzung. Denn selbst der leistungsfähigste Computer ist ohne Konzeptentwurf wirkungslos und der beste Manager ohne kreative, konstruktive Ideen zum Scheitern verurteilt. Nur jenen Unternehmen gelingt es, wirkungsvoll zu innovieren, die das eigentliche Ziel - das Konstruieren - begreifen und in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses stellen.

MK/Dr. Ferenc Anisits


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