Über Automobil-Tests,  -Fahrberichte, -Verkauf, über das Vermitteln von Eindrücken, Werten und Eigenschaften

Der Chefredakteur einer Auto-Zeitung ist sehr stolz auf sein Testsystem. Er lässt trompeten: "Unsere Vergleichstests sind kompetent, praxisnah und verbraucherfreundlich." - Toll! - Und in einer Bildzeile wird das "System" durch die Anmerkung ergänzt: "Egal ob Lamborghini Murciélago ... für 223 880 Euro oder Daihatsu Cuore für 9o95 Euro - alle Autos durchlaufen die gleichen Disziplinen und werden nach demselben Schlüssel beurteilt." - Wenn man keine Einstellung zu Automobilen, keine Ahnung vom Automobilgeschäft hat, gibt es keine andere Möglichkeit Automobile zu beurteilen. Mir ist das gerade in diesen Tagen wieder aufgefallen, als es eine Reihe von Veröffentlichungen zum neuen Maserati Quattroporte gab. In SPIEGEL, FOCUS und einer Springer-Zeitung, der WamS. Ich bin den Maserati noch nicht gefahren, habe ihn  aber wochenlang beobachtet, auch in manchen Details gesehen. Ich bin auch den Vorgänger gefahren, habe ihn "getestet" (würden andere "Kollegen" sagen). Ich habe ihn erlebt. Wie z.B. auch vor Jahren mal einen Rolls Royce. (Sie können das immer noch auf diesen Seiten lesen. Und viele Besucher tun das auch heute noch!) - Aber kommen wir zurück zum Maserati Quattroporte, den man eigentlich nicht nach dem gleichen Schema wie (s.o.) einen Daihatsu Cuore bewerten kann. Selbst ein solcher Daihatsu verdient eine andere, als eine "schematische" Beurteilung, weil sein Dreizylindermotor z.B. diesem Fahrzeug einen besonderen Charme verleiht. - Nun aber "zur Sache"

"Würden Sie mir den Kaufvertrag bitte in einer Hülle zuschicken"

04-01-22/02. - Schon der Einstieg des SPIEGEL in die Quattroporte-Geschichte ist entlarvend: "Der Kofferraum ist klein - für eine Limousine der Luxusklasse viel zu klein". - Aus der Sicht eines Messtechnikers die richtige Beurteilung. Aber dieses Detail muss im Gesamtzusammenhang mit dem "Rest" des Automobils betrachtet werden. Und der Käuferschicht.

Die Käufer eines Maserati Quattroporte sind zwischen 50 und 70 Jahre alt. Das ist die Realität. Dann ist auch Realität, dass zu diesem Zeitpunkt mögliche Kinder (meistens) aus dem Haus sind. Der Maserati wird so zum Reisefahrzeug für zwei Personen, der Kofferraum verliert von der Größe her seine Bedeutung. Und wenn ein Ex-BMW/Maserati-Mitarbeiter im SPIEGEL argumentiert, "Solch ein Auto kauft man eher mit dem Herzen als mit anderen Körperteilen", dann mag das stimmen, ist aber in Richtung Maserati-Kofferraum die falsche Argumentation.

Bei hunderten von möglichen Kunden für diesen Maserati Quattroporte gab es nur einen einzigen, den (bei einem Händler) die reale  Kofferraumgröße zu einer Bemerkung veranlasste. "Da müssen meine Frauen ihr Gepäck eben voraus schicken." - Erklärung: dieser Mann ist verheiratet, hat zwei Töchter, die noch bei ihm wohnen und ein Ferienhaus auf Sylt, also kein Ferienhaus auf Elba, wie von WamS möglichen Maserati-Eignern unterstellt wird. - Aber das liest sich gut.

Der SPIEGEL schreibt: "Auf dem Wagen lastet ein hoher Erwartungsdruck. Er soll dem Modenaer Unternehmen, seit elf Jahren komplett im Fiat-Besitz, endlich rentable Absatzzahlen bescheren. Geplant ist eine Jahresproduktion von 4000 Quattroporte."

Das alles ist nur teilweise richtig. Zwar gehört Maserati zu Fiat, aber (um es so zu formulieren) relativ locker. Enger ist Maserati an Ferrari angebunden, einer Firma, die ebenfalls "nur locker" Fiat zuzurechnen ist. Wenn sich z.B. GM an Fiat beteiligt, dann betrifft eine solche Beteiligung nicht Ferrari und Maserati. Und 4000 Stück sollen erst nach vorsichtigem Anlaufen der Produktion hergestellt werden. Nicht in 2004. Da informiert die WamS exakter, wo man die Zahl für den deutschen Markt mit "350" angibt. Deutsche Maserati-Händler sprechen von 300 Fahrzeugen.

Am 19. Januar 2004 habe ich bei einem deutschen Maserati-Händler angefragt, wie hoch seine "Jahresquote" in diesem Jahr sei. Antwort: "Zwanzig Fahrzeuge." - "Und wieviel sind davon bis heute verkauft?" - Antwort: "Neunzehn". - Natürlich alle ohne jede Probefahrt, denn das Fahrzeug wird erst ab März 2004 in Serie gefertigt. Und verkauft hat dieser Händler alle Quattroporte zum "Brutto-Listenpreis", wie der SPIEGEL schreibt, also ohne jeden Nachlass. Brutto für Netto. - Davon träumen BMW- und Mercedes-Händler bei ihren Premium-Produkten. - Weil die eigentlich auch ohne Gefühl für den wirklichen  Markt entstanden, den man in München und Stuttgart über ihre "Schöpfungen" künstlich ausweiten möchte. - Wenn es nicht anders geht: mit Rabatt.

Bei Maserati existieren bis heute nur knapp zehn Vorserienfahrzeuge, die auch zur Pressevorstellung herangezogen waren. Da gibt es dann natürlich schon mal "einen Fingerbreiten Spalt", der zwischen Türverkleidung und Armaturenbrett klafft oder eine Leuchtweitenregulierung funktioniert nicht. Die war auch evtl. in diesem vorher für Fahrtests genutzten Automobil gar nicht eingebaut. Ich kenne Testfahrzeuge, in denen Aufkleber darauf hinweisen, dass das Fahrzeug "ohne Airbags" unterwegs ist, oder die durch einen Druckknopf gestartet werden können, während später (in Serie) ein Zündschlüssel benötigt wird. (Das erspart beim Testteam - und allen Testfahrzeugen dieser Firma - das Zuordnen und Verwalten von unterschiedlichen Tür- und Zündschlüsseln. Die Fahrzeuge werden auch stets unverschlossen untergestellt.)

Aber das wird den lieben Kollegen nicht erklärt, weil das für die vorstellenden Firmenmitarbeiter selbstverständlich ist. Irrtümlicherweise werden Motorjournalisten oft für "Insider" gehalten. Leider wird man durch das Lesen von Pressemitteilungen nicht dazu. Dazu muss man in - mit - der Branche leben, Erfahrung mit Automobilen, mit der möglichen Käuferschicht haben. - Aber wer hat das schon? (Das betrifft auch die Redaktionen der Fachzeitschriften.) - Dazu eine Geschichte, die ich bei der Vorstellung des ersten 7er-BMW mit Zwölfzylindermotor - also vor vielen, vielen Jahren - erlebte:

Der (damalige) BMW-Entwicklungsvorstand, Dr. Radermacher und ich standen am Rande des Versuchsfeldes, auf dem sich eine Reihe von Redakteuren (unserer Fachzeitschriften) um das neue Premium-Modell bemühten. Es war ruhig zwischen uns. Keiner sprach. Nach einer Weile fragte ich: "Was macht Sie so still?" - Dr. Radermacher: "Ich frage mich, wie diese Leute einen Zwölfzylinder 7er-BMW beurteilen wollen? - Schauen Sie sich die doch bitte mal an." Und er meinte nicht nur die Kleidung, sondern auch das Alter. - Aber das bekommt man dann so in den Griff, wie oben von der Auto-Zeitung geschildert. Nur hat man dann als möglicher Käufer wenig von solchen "Tests".

Ich bin schon erstaunt, wenn selbst ein SPIEGEL-Redakteur (mit einer Vorbildung als Kfz-Mechaniker!) auf die "billige Argumentation" von Mercedes und BMW herein fällt, die - anders als bei Maserati, wo man ein Transaxle-Prinzip einsetzt - eine ausgeglichene Achslastverteilung dadurch zu erreichen sucht, das man Motor und Getriebe weit nach hinten - also in den Fahrgastraum - verschiebt, die Batterie evtl. noch in den Kofferraum platziert, während beim Maserati der Motor zwar vorn, das Getriebe aber an der Hinterachse liegt. Der SPIEGEL schreibt: "Das Transaxle-Prinzip gilt bei diesen Herstellern (Anmerkung: gemeint sind Mercedes und BMW) als längst überholt." - Stimmt! - Weil man aus Kostengründen (!!) eine andere Lösung favorisiert. Dort bestimmen Kaufleute, was als beste technische Lösung zu gelten hat. Aber die Maserati-Lösung bringt dem Käufer mehr, nicht nur einen Touch mehr Hinterachsbelastung. Auch mehr "Freiheit" auf den vorderen Sitzen. Denn der Maserati ist nun mal ein Fahrerauto. Obwohl auch hier der Motor "hinter der Vorderachse" sitzt, wie FOCUS richtig darstellt. Da ragt nun - dank Transaxle -  das Getriebe nicht in den Fahrgastraum.

In FOCUS kann man auch lesen, dass "anders als bei Jaguar, wo einige Teile den Ford-Ursprung verraten, "... im Maserati-Interieur keine Billigteile auf (die) Konzernmutter Fiat hin (weisen)". Weiter heißt es: "Bis auf das  Navigationssystem: Das zeigt brav alle Fiat-Händler an." - Mögliche Erklärung von mir: da eine solches System beim Testen (z.B. auf der Nürburgring-Nordschleife) nicht benötigt wird, hatte man es für die Pressevorstellung des Quattroporte nachträglich eingebaut. - Schauen wir noch mal nach Anlaufen der Serie im März nach. - Wenn meine Erklärung stimmt, hat Maserati bei den "Testern" eben zu viel voraus gesetzt. (s.o.)

Manchmal wird sogar bei Motor-Journalisten nachlässig formuliert oder der Textredakteur kann nicht optimal funktionieren, weil der keine Ahnung vom Automobil hat. Beispiel WamS: Da steht zwar richtig zu lesen, dass der Maserati "400 PS an die Hinterachse schickt", aber später ist dann im Zusammenhang auf das hinten liegende Getriebe vermerkt: "Einmalig für eine frontgetriebene Limousine dieses Formats ist eine die Achslastverteilung von nahezu idealen 46:54 Prozent." - "Frontgetrieben"? - Und was heißt hier "nahezu ideal"? - Wenn die Antriebsachse hinten ein wenig höher belastet ist und unter Berücksichtigung der dynamischen Achslastverlagerung beim Bremsen... - Was soll sich da ein Maserati-Interessent mit technischem Verständnis denken?

Wie Maserati-Kunden auf Details auch im Umfeld eines Kauf reagieren (können), zeigt ein Beispiel, das sich so tatsächlich abgespielt hat. Ein Maserati-Interessent sitzt dem Verkäufer gegenüber. Er will bestellen. Und der Verkäufer schreibt per Hand seine Wünsche in das Kaufvertragsformular. Der Kunde: "Sie haben doch einen Computer. Machen Sie das nicht wie bei BMW oder Mercedes? - Wofür haben Sie dann einen Computer?" - Der Verkäufer: "Den nutze ich, wenn ich ihn brauche. Aber den Kaufvertrag für einen Maserati Quattroporte schreibe ich per Hand. Alles andere wäre ein Stilbruch." - Man sieht, dass der Kunde überlegt, sagt aber dazu nichts. - Er bestellt das Fahrzeug, nimmt den Durchlag seines Vertrages mit.

Am nächsten Tag ruft er wieder "seinen" Verkäufer an, hat noch einen Zubehörwunsch. Der Verkäufer: "Sie können ihn ja in Ihr Formular eintragen, kurz abzeichnen und mir zufaxen. Das würde mir genügen." - Der Maserati-Käufer: "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Vertrag noch einmal komplett ausfüllen würden um ihn mir - bitte in einer Kunststoffhülle, damit er nicht knickt - dann zuzuschicken. Ich sende ihn Ihnen dann unterschrieben zurück."

Der Verkäufer ist überrascht. "Warum dieser Umstand?" - Aufgrund der Anmerkung des Verkäufers beim eigentlichen Verkauf des Fahrzeugs hatte sich der Käufer sich etwas überlegt und erklärt nun: "Ich glaube, dass das in meinem Leben der letzte handschriftlich ausgefüllte Kaufvertrag für ein Automobil ist, den ich unterschreiben kann. Es wird in Zukunft wohl nur noch Computerausdrucke geben. Und da habe ich mir überlegt, dass ich diesen Kaufvertrag für den Maserati Quattroporte rahmen lasse und an die Wand hänge. Darum möchte ich auch, dass beim Postversand keine Knicke hinein kommen."

Das nur notiert, damit man - auch - bei BMW und Mercedes begreift, was beim Verkauf von "Premium-Automobilen" eine Rolle spielen kann.

 MK/Wilhelm Hahne

PS: Auch bei "ams" hat man nicht gemerkt, dass man ihnen den Quattroporte ohne vorderes Nummernschild präsentiert hat. Meine entsprechende Anmerkung vor Wochen war also wohl richtig


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