Karl-Heinz Hufstadt, 63, ist am 28. Januar 2004 einen Herzinfarkt in seinem Geburtsort Mönchen-Gladbach erlegen

So lautet die nüchterne, sachliche Information. Sie beschreibt ein Schicksal, wie es täglich viele trifft. Manche (noch) früher, manche später. Man nimmt es zur Kenntnis, geht zur Tagesordnung über. Doch wenn man Freunde, Bekannte, Famlienangehörige im engen Umfeld verliert, nimmt man sich schon  - dann betroffen - auch Zeit für ein paar Gedanken. Auch über den, den man nun nicht mehr treffen wird. So geht es mir auch bei Kalli. Wir haben zusammen gelacht, wir haben zusammen gearbeitet. Wir haben uns auch gestritten, aber niemals Streit gehabt. Wir hatten sicherlich auch eine unterschiedliche Einstellung zu Leben. Aber das machte die Gespräche mit Kalli ja so interessant. Der vertrat einen Standpunkt. Ich vertrat einen Standpunkt. Unsere Positionen waren in manchen Details different. Aber - so meine ich - in den letzten Jahren war Kalli doch mehr und mehr bereit, sein "Glaubenssystem", das er vorher knallhart verteidigt hatte, ein wenig zu reformieren. Er begriff wohl mehr und mehr:

Es gibt nur ein Leben

04-02-10/01. - Im Anfang war es Zufall. Kalli war Hauptmann bei der Bundeswehr. Und da fiel irgendein Streckensprecher bei irgendeinem Rennen aus, bei dem auch Kalli war, sein musste, weil es dort etwas zu organisieren gab. Und er sprang ein. Zumal er ein Motorsport-Fan war. Kein Problem. - Der Zufall hatte ihn auf eine Schiene gestellt und nun wurde er vorwärts geschoben. Geradlinig landete er bei BMW. Das war zu dieser Zeit eine Firma im Umbruch. Kalli konnte sich hier - in der Presseabteilung - richtig austoben. Motorsport, Motorräder, M-GmbH - es ging weiter vorwärts.

Und seine Firma BMW veränderte sich. Mehr hin zu einer Behörde. Kalli's Arbeitsstil war aber nicht der eines Beamten. Und wenn man dann noch von Loyalität spricht aber absoluten Gehorsam meint, wenn erwartet wird, dass man eigene Positionen, persönliche Einstellungen zum Leben, aufgibt, dann wurde so das Ende der Festanstellung bei BMW eingeläutet.

Aber man wusste bei BMW durchaus, was man an Kalli hatte. Und man nutzte ihn auch als freien Mitarbeiter für besonders knifflige Aufgabenlösungen, solche, die eben von Beamten nicht erbracht werden können. Das war der Moment, wo unser persönlicher Kontakt enger wurde. Denn Kalli versuchte in dieser Zeit schon - wie auch vorher immer - perfekte Arbeiten abzuliefern. Und er wusste, dass ich "auf der anderen Seite" (auf Händlerebene) der Automobilindustrie über eine Menge praktischer Erfahrung verfüge.

Kalli hatte eine Händlerpräsentation vorzubereiten. Und er rief an: "Können wir uns mal zusammen setzen?" - Und so saß er kurze Zeit später schon mir in der Eifel gegenüber.

Kalli war ein ausgezeichneter Analytiker, konnte meine Anregungen blitzschnell aufnehmen und in das BMW-System (vom Marketing vorgegeben) einbringen. Wir haben Details zwar diskutiert, aber wir sind praktisch blitzschnell voran gekommen. Kalli hatte zwar keine Erfahrung auf der Automobilhändlerseite, begriff aber meine Vorschläge, Ideen nicht nur sofort, sondern hat sie auch - für alle Zeiten - als wichtige Erfahrung übernommen. Als dann mal bei BMW jemand anders eine Händler-Präsentation entwickeln sollte, wurde die Klasse von Kalli erst richtig deutlich: Man ersetzte "den Neuen" schnell durch Kalli - und die Sache lief.

Kalli konnte den Wert von Aktionen, die Wirkung von Texten sehr gut einschätzen. Und das nicht nur für BMW, sondern das galt auch für das gesprochene Wort. Denn Kalli war - auch - inzwischen zu einen Streckensprecher geworden. Er hatte das direkte Umfeld so mancher Motorsportserie  auch durch seine Arbeit als Festangestellter bei BMW kennen gelernt. Und auch "die Macher". So wurde er z.B. auch "die Stimme der DTM". Als die dann zur ITC wurde und sich schließlich auflöste, da war er auch - das muss so um 1998 gewesen sein - in der STW zu hören. Kein Wunder: er kannte die Macher.

Wir hatten zwischendurch noch gemeinsam das Konzept für einen Motorrad-Katalog (Hein Gericke) entwickelt. Und hatten eine Menge Spaß dabei. Wir haben viele Stunden diskutiert, entwickelt, verworfen, Themen aufgelistet, die Struktur erstellt - es war eine reine Freude mit Kalli zu arbeiten. Es ging vorwärts.

Wir haben dann auch damals "unser Konzept" in der Firma Gericke als das richtige durchgesetzt. Obwohl es Widerstände gab. Kalli war eher bereit (als ich) bei gewissen geschäftlichen Dingen Konzessionen zu machen. Für ihn musste es oft nur "per Saldo" stimmen. Für mich auch im Detail.

Dann hatte Kalli bei der Umsetzung unserer Idee in den ersten Gericke-Katalog sehr wenig Zeit, da er seiner Arbeit für BMW Vorrang einräumte. Ich erinnere mich noch, dass er praktisch dazu nur eine Geschichte beitragen konnte. Eine Harley-Geschichte.

Kalli wusste nicht nur was er konnte - kannte auch seine Grenzen - sondern wusste auch immer was er wert war. Über die DTM und ihre Wertigkeit waren wir durchaus nicht einer Meinung. Kalli hielt mich da für voreingenommen, verteidigte seine Einstellung immer als die objektiv richtige. Aber es kam der Zeitpunkt - der so ungefähr zum Zeitpunkt seiner neuen  Heirat gelegen haben könnte - wo seine Lebenserfahrung die vorher unverrückbare Haltung ein wenig aufweichte und verrückte.

Nun versuchte Kalli zwei Leben zu leben. Das eine für den Motorsport, die DTM, seine Macher, die Fans, das andere für sich - zusammen mit seiner Frau. Der "geschäftliche" Kalli wurde nun im Ergebnis - aus meiner Sicht - "ein wenig flacher", es gab schon mal plakativ aneinander gereihte Worthülsen. Und so mancher Fan hat das auch so empfunden. (Wie man in den entsprechenden Foren des Internet nachlesen kann.)

Kalli war froh, wenn er dem ganzen Rummel nach Irland, seiner neuen Wahlheimat, entfliehen, wenn zur Palette greifen und malen konnte - oder Gedichte schreiben. - Ja, Kalli hat Gedichte geschrieben. Nicht von Motorenlärm, sondern von der Stille im Leben. Kalli konnte auch in sich hinein hören. Wenn er z.B. mit seinem Boot und seiner Frau auf dem großen Wasser unterwegs war.

Nach draußen war er - nach wie vor - "der Lautsprecher". Wenn man seine letzte DTM-Kolumne in der "msa" liest, dann war das für mich der Versuch, sich irgendwie anzupassen: "Willkommen in der Hölle - wir freuen uns auf euch...", war sein Versuch, "die Neuen" in der DTM als "glorreiche Vier" optimal anzukündigen. Er fand das "oberaffengeil". - Aber das war nicht sein Vokabular, das war in getreuer Pflichterfüllung passend arrangierter Text für eine bestimmte Leserschicht. So wie er sie einschätzte.

Das war inzwischen das eine Leben von Kalli geworden, mit dem er sein zweites Leben finanzierte. Kalli ist nicht mehr dazu gekommen wirklich zu begreifen, dass man nicht zwei Leben leben kann. Dazu hat man keine Zeit. Und Kalli hatte verdammt wenig Zeit. Er ist nur 63 Jahre alt geworden. Am Dienstag war noch von ihm als Abschiedsatz in der "msa" zu lesen, "Ihr hört von mir" - am Mittwoch war er tot.

Als ich es - noch am Mittwoch - erfuhr, da war es schon so, als würde die Zeit stehen bleiben, aber - meine gute alte Küchenuhr tickte hörbar weiter. Für die meisten wird genau so das Leben weiter gehen. Für andere ein wenig anders. Seine Frau Conny hat mein Mitgefühl. Auch ich bin betroffen. Und ich habe ein  kleines Ölbild, von ihm gemalt, das er mir zu Weihnachten 1982 schenkte, mit ein paar Blumen arrangiert und die Kerze angesteckt, die er eigentlich "vor Begeisterung" anstecken wollte, wenn die neuen Aktiven in der DTM (Frentzen, Biella, Pirro und Kristensen) so funktionieren, wie es sich die Fans erträumen. Das Bild, von Kalli gemalt - das hier folgt - sagt sicherlich  mehr über ihn aus, als seine letzte Kolumne im "msa":

Kalli hat sein Ideal von den zwei Leben nicht mehr umsetzen können. Aber er hat selbst noch das Ende seines irdischen Lebens vorgegeben: seine Asche wird in Irland, in der Irischen See,  verstreut werden. - Hier, im Hitler-Deutschland, wurde er geboren; hier in Western Germany hat er das "Rennen um die Goldene Ananas" (so hätte Kalli es formuliert) verloren. - Oder ist das Leben mehr? - Kalli kann diese Frage nicht mehr beantworten. Aber ihm war klar, dass Irland - und sein Leben dort - ihm mehr bedeuteten, als die "Events" in Deutschland. - Sehen Sie sein Bild oben. Und Sie verstehen ihn und seinen Wunsch.

Sein letzter Satz in der Kolumne für "msa" ist sicher eins der wenigen Versprechen, die er nicht erfüllt hat: "Ihr hört von mir..."

MK/Wilhelm Hahne


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