Ein Blick hinter die Kulissen: Heute hinüber zu Ford Köln - und dort ins Entwicklungscenter Merkenich

Meine Zitate aus einem alten Buch des Henry Ford haben die Leselust meiner Leser auf "etwas aktuellere" Geschichten geweckt, die man sonst auch nicht liest. Wie geht es denn heute bei Ford zu? - Wie läuft das so in einer Entwicklung? - Läuft das alles "wie am Schnürchen"? - Leider - auch aus der Sicht des Ford-Managements - nicht immer. Trotz der vorhandenen Routine. Aber manchmal eben exakt darum nicht. - Ich werde nachstehend mal ein paar "Blitzlichter" hinüber nach Merkenich, ins Entwicklungscenter von Ford Köln senden. Wobei man eigentlich sagen muss, dass Merkenich gar nicht dem Werk Köln zugeordnet ist, sondern Ford Europa. So kommt es, dass z.B. die Presseabteilung der Ford Köln AG bei der Presseabteilung von Ford Merkenich nachfragen muss, wenn in der eigentlich von Journalistkollegen als Zentrale empfundenen Presseabteilung der AG eine Anfrage eingeht, die mehr Merkenich betrifft. Aber die Antwort wird man schon von der Köln AG erhalten. - Es ist alles ein wenig kompliziert. - Auch mit der Verrechnung der Entwicklungskosten. Weil da auch Detroit zusteuert und berechnet. - Aber lassen wir das mal außen vor und mich einfach ein paar Einblicke vermitteln. - Wäre es recht, wenn das aus der Entwicklungszeit des Ford Mondeo - für Ford ein wichtiges Projekt - wäre?

Die Geburt des Mondeo mit Fußtritten?

04-02-10/07. - Es gibt viele Dinge, die man nicht von einem Automobilhersteller weiß. Wussten Sie z.B., dass die Poststelle der Fordwerke täglich um 8.000 Briefe verlassen? Die bringen es so allein auf eine Menge von rund 400 Tonnen Papier pro Jahr. Ja, ja - auch die Ford Handelsorganisation will z.B. mit Anweisungen und Informationen gefüttert sein. Und das praktisch täglich.

Aber daran denkt der Autofan nicht, wenn er an die Automobilproduktion denkt. Wie entstehen wohl die Prototypen? - Wie viele benötigt man eigentlich? - Und der Fan findet die Arbeit der Testfahrer wahnsinnig interessant. Dass die auch gefährlich ist, wird übersehen. Wann hört man auch schon mal von Unfällen der geheimen Prototypen?

Aber bevor es dazu kommt, muss erst einmal eine Vorstandsentscheidung fallen, müssen Lastenhefte erstellt und Design-Studien entstehen. Da wird in kleinen Gruppen getagt, in großen Meetings entschieden, wird in "Kliniken" befragt, lässt man sich beraten um dann sicher (?) zu entscheiden. Wobei bei Ford in Köln zwar auch Entscheidungen fallen, aber das "letzte Wort" hat schon mal ein einzelner Manager.

So ist es z.B. passiert, dass beim Mondeo der Europa-Chef nach Merkenich anreiste, um eine Designstudie abzunehmen. Und er kam mit seinem Jet. Nein, er ist nicht mit der Ford-Fluglinie gekommen, die England Deutschland ein Stück näher bringt. - Oder umgekehrt? - Hochrangige Manager können sich nicht nach Flugplänen richten. Zu teuer. Vertane Zeit. Die kommen im eigenen (na ja, der gehört schon Ford) Jet.

Und während das Designteam - und ein paar Leute mehr - auf die ersten Reaktionen des "Chefs" warten, geschieht etwas Unerwartetes: der "Chef" schreit, ist richtig böse, bearbeitet die Scheinwerferpartie der Designstudie mit Fußtritten. -  Hat er nicht immer wieder betont und gesagt, dass er diese, exakt diese Scheinwerferpartie nicht will? - Dammed!

Und so nimmt die Entwicklung des Mondeo ihren Lauf. Nicht nur e-mail werden hin und her gesendet, auch viel Papier wird beschrieben. Die einen legen fest, die anderen sichern sich ab, Entscheidungen werden so nach oben verlagert. - Aber irgendwo werden sie schon fallen.

Und dann kommt die Zeit des Prototypenbaus. Beim Mondeo wurden so um 300 Stück gefertigt. Aus politischen Gründen (warum sonst?) um 150 Stück in Köln-Merkenich, die andere Hälfte in England. Wie ich aus Köln hörte, waren die in ihrer Qualität so, dass die Kölner Kollegen noch mal Hand angelegt haben. Und dann geht es auf den Rüttelstand, nach Finnland, nach Italien - auf alle wichtigen Teststrecken dieser Welt. Mit unterschiedlicher Fahrwerkabstimmung, unterschiedlichen Motoren-, Getrieben. Und immer wieder wird nachgebessert, korrigiert.

Wenn man Mondeo-Besitzer heute fragt, gibt es z.B. auf einem Gebiet eine klare Aussage: das Fahrwerk ist Spitze.

Aber das ist nicht von alleine geschehen. Und so mancher Prototyp hat dabei einen Kratzer abbekommen. So um 15 Prozent der Prototypen sind verunfallt, aber nur wenige waren Totalschäden. Wobei das auch mehr wirtschaftliche Totalschäden waren. Man darf nicht vergessen, dass die Kosten für so einen Test-Protoypen im siebenstelligen Bereich liegen.

Da wird z.B. die Bodengruppe - exakt nach der Zeichnung, die auch später für die Werkzeugfertigung, die Serienfertigung verwendet wird - von Hand gedengelt. Jede "Delle" ganz präzise. Das dauert. Und kostet. Und wenn eine Batterieabdeckung im Motorraum später mal in  der Serie klar unter einem Dollar kostet, kostet die für den Prototypen evtl. mehr als 300 Dollar, weil hier die Werkzeugkosten in die kleinen Stückzahlen einfließen. Und da eine Schraube z.B. für die Hinterachsaufhängung keine DIN-Schraube sein kann, wird die auch speziell angefertigt und kann dann schon auf so um sieben Dollar (per Stück) kommen, während eine DIN-Schraube nur ein paar Cent kosten würde.

Ich habe hier Dollarbeträge genannt, weil man bei Ford so rechnet.

Ford wollte - und will - mit dem Mondeo natürlich Geld verdienen. Darum haben die Einkäufer - schon in Sachen Prototypen - mit den Zulieferern hart verhandelt. Dort den Preis gedrückt, dort die Konditonen verbessert. Und so läuft auch die Ersatzteilversorgung für die Prototypen.

Aber dann kam - auch beim Mondeo - der Moment der Serienfertigung.

Und irgendwann gab es vorher eine Personalie, die mich stutzig machte. Da kam ein Kollege, den ich schon als Motorradfahrer kannte, der dann später... - Und das war denn auch - wie ich recherchieren konnte - die Lösung. Bei Ford wollte man "von Anfang an" in der Presse gut aussehen. Besonders wichtig nimmt man da in Köln die Meinung von "auto motor und sport". Das sind "Meinungsbildner", was nichts anderes heißt, dass auch die Kollegen dort abschreiben. Wird vermutet. Also muss dort der Mondeo-Test stimmen. Auch im Detail. Beim Verbrauch zum Beispiel.

Und da hatte man in Köln eine Idee. Und darum wurde der Kollege auch bei Ford - aber nicht nur - als Director eingestellt. Bei Ford kannte man z.B. bis dahin nicht die genaue Streckenführung für die "ams-Verbrauchsrunde". Aber nun tauchten plötzlich dort - natürlich in Nacht- und Nebel-Aktionen herbei gekarrt - Mondeo-Prototypen im Schwäbischen auf. Und auf dem Beifahrersitz optimierte ein Ingenieur (ich glaube mich zu erinnern, dass es ein Brite war) den Verbrauch - nicht nur dieses einen Fahrzeugs - auf der Basis der "Erfahrungen" auf dem "ams"-Testkurs.

Als die Serie dann angelaufen war, kam es auch zur Nachkalkulation der Fertigungskosten. Hatten die Computer richtig gerechnet? - Stimmte per Saldo die Kasse? - Großes Entsetzen: sie stimmte nicht. Die Fertigungskosten lagen weit, weit über dem, was man eigentlich aufwenden wollte, durfte. - Also wurde ein Berater engagiert, ein Amerikaner, wenn ich mich erinnere, der mit seiner Sekretärin (einer Ex-Ford-Angestellten) anreiste. Schließlich muss jemand das System durchschauen.

Die hatten nach rund 14 Tagen intensiver Nachforschungen und Arbeit den Fall geklärt: es war vom Einkauf übersehen worden, dass für die Serie andere Teilepreise möglich wurden, als sie es für die Prototypen waren. Und so bezahlte man (nur als Beispiel von mir erfunden) z.B. für die Batterieabdeckungen immer noch den hohen Dollarbetrag, während es hier z.B.Cent sein konnten und auch die Hinterachsschraube.

Nach der Korrektur: Einsparungen in der Produktion in Millionenhöhe. Und der Berater konnte auch mit einem siebenstelligen Erfolgshonorar die Stadt am Rhein wieder verlassen.

Aber selbst zu diesem Zeitpunkt war die Entwicklung des Mondeo nicht abgeschlossen. Sie geht immer weiter. Auch z.B. mit "Dauerläufern" aus der Serienproduktion, die im Schichtbetrieb gefahren werden, weil man vor dem Kunden erfahren möchte, welche Schwächen (evtl.) nach hohen Kilometerleistungen auftreten können. Oder auch nicht. Am Band erfolgen dann evtl. noch Korrekturen.

Diese "Dauerläufer" kosten auch Geld. Auch wenn Sie in der Herstellung nicht so teuer sind, wie "damals" die Prototypen. Ich schätze die Kosten pro Kilometer auf drei Dollar. Wenn Sie dann an die Kosten für 100.000 Kilometer denken... - Und es ist nicht nur ein Mondeo im Einsatz. Unterschiedliche Getriebe, unterschiedliche Motoren, unterschiedliche Karosserieformen, unterschiedliche... -

Und dann kommt hinzu, dass in der Serie Motoren erstarken, in Kombination mit dem Bekannten neu überprüft werden müssen. - Die Entwicklung eines Automobils endet praktisch erst mit der Produktionseinstellung.

Vorher sollte man sich dann - in diesem Falle - so einen Mondeo kaufen. Der ist dann (fast) perfekt. - Kann man mehr verlangen?

MK/Wilhelm Hahne


Jetzt sind Sie gefragt!
Ihre Meinung zu obigem Beitrag 
können Sie mit einem Klick
und ein paar Sätzen loswerden:
Senden Sie mir ein e-mail

Danke, für Ihre Mitarbeit!