Die neue Zeitschrift "car": "Schneller, cooler, edler"

Immer wieder gibt es etwas Neues. Auch auf dem Zeitschriftensektor. Also auch bei den Automobil-Zeitschriften. Und für den deutschen Markt. In Genf hat der Chefredakteur der NEUEN seine Schöpfung vorgestellt. Es ist keine Mischung geworden, kein Menü, sondern eher eine Süßspeise. Sehr süß. Wer so etwas ausschließlich essen muss, wird sie bald nicht mehr mögen. Wer mag nur süß? - Aber der Chefredakteur ist Österreicher. Da gibt es halt viel süße Spezialitäten. - Obwohl Österreicher auch anders sein können. (Sie erinnern sich?) - Aber zurück zur Zeitschrift: Was der fehlt, ist die Mischung. Der Chefredakteur meint: "Diese Art von Motorjournalismus erfordert virtuosen Umgang mit der Sprache, nicht mit Punktetabellen und Messgeräten." - Ich meine: 

Grundvoraussetzung ist Basiswissen

04-03-17/02. - Ich werde "car" nicht testen. Aber im Inhalt einer Automobilzeitschrift - ganz gleich von welcher Art - sollten die Fakten stimmen. Und dann kann man immer noch den "exzellenten Umgang mit der Sprache" üben.

Auch die FAZ hat wohl auf eine Zeitschrift gewartet, die nicht "die gleiche eintönige Kost" vorsetzt. Aber die Zutaten sollten stimmen und passen. Meint auch die FAZ und moniert: "PT Cruiser Cabrio war nicht 2000 auf der IAA, weil es da gar keine IAA gab oder kein 3,7-, sondern ein 3,5-Liter-Motor im neuen SLK". - Aber man freut sich in Frankfurt "über Ansätze".

Aber warum veröffentlich man in "car" ein Tabelle, die das "Jahrhundert der Geschwindigkeit" auflistet, mit einem Bugatti Veyron 16.4 als "Anführer" mit 406 km/h, wenn wenige Seiten später informiert wird: "Nach vielen Ankündigungen und Verspätungen kann der Veyron jetzt bestellt und gekauft werden. Allerdings nur eine gezähmte Version: Seine Höchstgeschwindigkeit ist auf 330 km/h begrenzt  wofür auch keine 1001 PS mehr nötig sind."

Was denn nun? - Wobei die 406 km/h - wenn sie denn erreicht werden sollen - in der aktuellen Testversion des Bugatti dadurch nicht erreicht werden können, weil da 1001 PS - wegen des neuen Heckspoilers - nicht reichen. Da braucht es viel mehr Power. - Also wird man wohl auf den Heckspoiler verzichten müssen. Aber dann wird sich der Bugatti nicht mehr schnell fahren lassen.

Und wo kann der Bugatti jetzt gekauft werden? - Zum Hefterscheinungstermin hat der Bugatti-Chef, ein Bankier, verkündet, dass das Fahrzeug in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 lieferbar werden würde. Aber das war uns allen (die wir den exzellenten Umgang mit der Sprache nicht beherrschen) schon vorher klar. - Wenn der Bugatti überhaupt jemals kommt.

"Virtuoser Umgang mit der Sprache" ist gut. Aber wie ist es mit der sachlichen Basis, Herr Chefredakteur?

Nur der wird auch verstehen, warum man einen Opel Tigra Twin Top als "ein neuer TT" verstehen muss. Da sage ich nicht Au Di, sondern Au A.

Und dann stellt die Redaktion "Fünf Fragen" (Seite 18 und 19), die sie aber nicht beantwortet. Kann aber auch sein, dass die Antworten beim "virtuosen Umgang mit der Sprache"  verloren gegangen sind.

Manche Seiten, die ich als sehr schön empfinde - beim ersten Durchblättern - erweisen sich als Anzeigen. So schön können Anzeigen sein. Da tut sich selbst ein Johannes Riegsinger schwer, den ich persönlich eigentlich als eine der erfreulichsten Erscheinungen im deutschen Motorjournalismus empfinde. Nach meiner Einschätzung hat er als einziger Berichterstatter z.B. den Maserati Quattroporte (in "mot") so beschrieben, wie es die Interessenten für ein solches Fahrzeug erwarten können. Man kann eben einen Renault Twingo nicht in gleicher Art beschreiben (oder "testen"), wie einen Maserati Quattroporte.

Weil wir gerade bei diesem Thema sind: Lesen Sie mal die "mot"-Geschichte und dann die in "car" zum Thema Maserati Quattroporte. Mein Urteil: Riegsinger (in "mot") schlägt McNamara (in "car") durch K.O. - Nicht durch technischen.

Aber nun wird es "politisch": Jürgen Zöllter fährt den neuen Mercedes SLK. Warum nicht Georg Kacher? - Der arbeit nämlich für "car" in England. (Und ist Österreicher.) - Aber DC (bzw.) Mercedes meint, keine "Korrespondenten" zu einem (wirklich) allerersten Fahrbericht einladen zu müssen. Und so hat man Georg Kacher außen vor gelassen. Aber auch Jürgen Zöllter ist ein "freier Mann". Wieso der und nicht Kacher?

Kacher ist auch bei "Auto-Bild" unter Vertrag. Für Deutschland. Für England bei "car". Wenn Kacher also für England fährt, kann er nicht für Deutschand in "car" schreiben. Während Zöllter... - Der kann für jeden schreiben. Über alles. Und das meist in "Süßspeisen-Manier". - Was dann wieder zur deutschen "car" passt. (Kacher hat übrigens nach meiner Kenntnis die Einladung zur "normalen" Präsentation des SLK nicht angenommen.)

Ein Highlight in "car" ist der Katalog. Denn da gibt es jeweils ein "Urteil" über die genannten Fahrzeuge. Das richtet sich offensichtlich nach dem Preis. Kleinwagen können eben keine fünf Punkte (evtl. sogar in "rot") erhalten. Da müssen drei genügen. "car" nennt das "unsere Bewertung".

Weil der Chefredakteur von "car" so viel Wert auf die (deutsche?) Sprache legt: das Heft ist unterteilt in "FRONT", "FEATURES", "NEWCOMERS", "STANDARDS" und "EXTRAS". So habe ich mir die Aufteilung in einer deutschsprachigen Zeitschrift immer schon vorgestellt.

Aber man hat auch ein "RÜCKLICHT". Das ist die letzte Seite. Da gibt es dann die Vorschau. Und da wird im aktuellen Aprilheft für den Monat Mai eine Geschichte über den "Jaguar S-Type Bestattungswagen" angekündigt.

Lieber Herr Peter Pisecker! - Nicht soooo schnell. Das Ende Ihrer Zeitschrift kommt trotzdem schneller als Sie denken. Und es sei Ihnen auch ein Ende (Ihrer Zeitschrift!) im Jaguar S-Type Bestattungswagen erlaubt. Aber vielleicht versuchen Sie vorher noch mal, ein besseres Heft zu machen.

Wir haben in der Vergangenheit oft Neuerscheinungen erlebt, die mit der Nummer 1 glänzten, um dann abzufallen. "car" Nr. 1 hat alle Anlagen, die nächste Ausgabe besser aussehen zu lassen. - Nutzen Sie diese Möglichkeit, lieber Herr Pisecker.

Aber ich denke, Sie haben es nicht begriffen. Wer sich mit einer solchen Sonnenbrille (s. Editorial) selbst die Sicht nimmt, braucht natürlich ESP, ASR und andere Innovationen. - Bitte nicht vergessen: Ihre Leser brauchen nicht nur den Nachtisch, die Süßspeisen; sie brauchen auch Fleisch und Kartoffeln.

Kochen Sie doch mal ein richtiges Menü. - Viel Spaß dabei.

Ich persönlich lese auch in Zukunft Riegsinger lieber  in "mot". Oder in "MO".

 MK/Wilhelm Hahne

 


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