Neue Gründungs-Aktivitäten bei der Nürburgring GmbH: von der defizitären Erlebniswelt zur fremdfinanzierten Erlebnisregion?

Dr. Walter Kafitz, der Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH weiß, dass Stillstand Rückgang bedeutet. Und dass man in der heutigen Zeit positive Zeichen setzen muss. Er weiß auch, dass die Politik auf positive Zeichen angewiesen ist. Also bietet er den Politikern positive Zeichen an. Aktuell gesetzte. Mit schönen Worten. Mit Expertisen untermauert. Aber eigentlich ohne bedeutenden realen Ansatz. Aber mit Geld lässt es sich richten. Das war schon immer so. Und wer wagt, gewinnt. Und wenn nicht, dann bleibt die Erinnerung an schöne vergangene Jahre. Dr. Kafitz hat sich schon um Teppichböden bemüht, versucht, Fliesen interessant darzustellen; da wird er auch Automobiles an den Mann (oder Frau) bringen können. Was für Wolfsburg die "Autostadt" wird für die Eifel "Motorland" werden. Oder so etwas ähnliches. - Oder nicht? - Na, dann  eben "Golf". Und sein Verwaltungsgebäude lässt sich so ganz nebenbei wahrscheinlich auch noch realisieren. Und wenn dann auch die Automobilfirmen begriffen haben, dass es eigentlich die Eifel ist... - Also: es wird kein Halten mehr geben. Alles ist machbar. Man muss das nur unternehmerisch sehen. Und unternehmen heißt etwas wagen. - Her mit dem Wagnis-Kapital! - Immerhin kann Dr. Kafitz schon auf eine Reihe von interessanten Gründungen - mit GmbH-Airbag - zurückblicken.

Die "99 Luftballons" aus der Entwicklungsregion Nürburgring

04-04-29/04. - Am Anfang war die Nürburgring GmbH. Am Stammkapital von rd. 5,1 Millionen, ist das Land Rheinland-Pfalz mit 4,6, der Landkreis Ahrweiler mit rund 500.000 Euro beteiligt. Also alles in Öffentlicher Hand. Und damit alles in öffentlichem Interesse. Aber die Bezüge der Geschäftsführung bleiben unter Hinweis auf § 286 Abs. 4 HGB geheim, d.h., es wird auf die Angabe verzichtet.

Aber da ist sicherlich alles in Ordnung. Da wird schon alles angemessen sein.

Leider sind es die Aktivitäten der Nürburgring GmbH, wer immer sie auch veranlasst, nicht unbedingt. Denn eigentlich ist der Gegenstand dieses öffentlichen Unternehmens lt. GmbH-Vertrag:

"Förderung des Kraftfahrzeugwesens und des Motorsports mit dem Ziel, zur Verkehrsertüchtigung der Fahrer, technischen Verbesserung der Fahrzeuge und damit zur Sicherheit auf den öffentlichen Straßen beizutragen. Zugleich soll durch den Betrieb der Rennstrecken "Nürburgring" und ihrer Einrichtungen der Fremdenverkehr im Eifelraum gefördert werden. Die Gesellschaft verwaltet die Rennstrecken sowie ihre sonstigen Anlagen und Liegenschaften."

Diese Vorgaben wurden großzügig aufgefasst und im Laufe der Jahre durch mittelbare Beteiligungen des Landes Rheinland-Pfalz von der Nürburgring GmbH an neuen GmbH's großzügig ausgeweitet. Wobei bei einigen dieser Neugründungen der Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH auch als (einer der) Geschäftsführer fungiert - und natürlich eine kleine Entlohnung erhält, ein Zubrot.

So gibt es inzwischen:

1. Erlebnispark Nürburgring GmbH & Co KG
2. Event-Marketing Nürburgring GmbH i.L.
3. Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring GmbH & Co KG
4. Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring Verwaltungs GmbH
5. Motorsport-Akademie Nürburgring GmbH & Co KG
6. Test & Training International GmbH
7. Zakspeed Nürburgring Rennfahrerschule GmbH
8. Veranstaltergemeinschaft Langstreckenpokal GbR
9. ADAC/Nürburgring Veranstaltergemeinschaft GbR

außerdem nach meinen Recherchen noch Beteiligungen (von denen mir z.Zt. keine präzisen Handelsgerichtseintragungen vorliegen) der Nürburgring GmbH an:

10. Scuderia Hanseat
11. Bike World Beteiligungsgesellschaft
12. Bike World Verwaltungsgesellschaft

Nun muss man wissen, dass das Land Rheinland-Pfalz folgende Gründe für seine Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmungen nennt:

"Das Engagement des Landes in diesen Einrichtungen dient nicht in erster Linie der Betätigung als Unternehmer. Vielmehr ist es ein Instrument der Struktur-, Wirtschaft-, Arbeitsmarkt- und Verkehrspolitik des Landes und ergänzt in diesen Bereichen effektiv die Tätigkeit der Verwaltung, die darauf abzielt, öffentliche Interessen in zentralen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur zu sichern."

Betrachten wir doch einmal die o.g. Beteiligungen der Öffentlichen Hand etwas näher:

Da werden zur "Erlebniswelt" (1) offiziell 250.000 Besucher jährlich "mit steigender Tendenz" vermeldet. Das sind lächerliche statistische Zahlen, die wahrscheinlich daraus resultieren, dass bei einigen Rennveranstaltungen der Preis für den Eintritt zur "Erlebniswelt" enthalten ist. Natürlich ein "angepasster" Preis. Die Rennveranstalter werden dazu "überredet". Die Rennbesucher besuchen aber diese "Erlebniswelt" gar nicht. - Sie ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet ein Flop und damit eine wirtschaftliche Belastung für die Nürburgring GmbH - und den Steuerzahler.

Die Firma unter 2) befindet sich nach Angaben des Landes in Liquidation. Also: abhaken.

Das Fahrsicherheitszentrum (3 + 4) macht auch Verluste. Der vorgenommene Ausbau hat sich eigentlich nach meinen Beobachtungen als überflüssig erwiesen. Aber eine angedachte Off-Road-Ergänzung wurde nicht durchgeführt, hier - schon abgeschlossene - Verträge nicht erfüllt. Die Gesellschafter sind mit dem Ergebnis unzufrieden, das - so auf der Gesellschafterversammlung gegen Ende letzten Jahres - damit erklärt wird, dass die Außenstände sehr hoch sind und so 3) die 4) nicht bezahlen kann. Hier soll dann dem Vernehmen nach die Nürburgring GmbH mit einem Zwischenkredit eingesprungen sein, um den Ausgleich von Negativzahlen zu ermöglichen. - Wieso eigentlich?

Die Motorsport Akademie (5) schreibt Verluste, wurde in ihrer Tätigkeit (zu) deutlich zurück gefahren, steht eigentlich - so oder so - vor der Auflösung. Dr. Kafitz muss es nur noch auf irgend eine Art "seinem Land" verkaufen. "Geiz ist geil"-Aktionen auf dem Formelwagen-Sektor, wo man Angebote weit unter "normalem Marktwert" unterbreitete, haben die Nürburgring-Gründung in Motorsportkreisen nicht gerade sympathischer gemacht.

Über "Test & Training" wurde ein Amerika-Geschäft angeleiert, welches das Land noch auf viele Jahre hin belasten wird. Was das für "die Region" bringt? - Nichts! - Aber Dr. Kafitz wurde so zum Gobal Player. - Wird er so schließlich zum "Schrempp der Eifel"?

Warum sich die Nürburgring GmbH an einer Veranstaltergemeinschaft (8) beteiligen muss, also sozusagen auf beiden Seiten des Schreibtisches als der eigene Verhandlungspartner agiert, bedarf sicherlich einer Erklärung. Wie sich zu Beginn des Jahres in verbalen, öffentlichen  Auseinandersetzungen verdeutlichte, führt das nur zu atmosphärischen Störungen, die in diesem Falle z.B. die Abwanderung einer ganzen Rennserie zu einer anderen Rennstrecke (im Ausland) nicht ausschließt.

Genauso unsinnig ist die Beteiligung an einer weiteren, schon lange bestehenden Veranstaltergemeinschaft (9).

Die Beteiligung an (10) der Scuderia wurde nach Angaben von Mitgliedern dieser Jahrzehnte alten Institution von der Nürburgring GmbH praktisch erzwungen. Nach der Beteiligung wurde dann eine Terminverschiebung für die Herbstveranstaltung 2004 durchgesetzt, die der Nürburgring GmbH die Nutzung eines Samstags für Touristenfahrten erlaubt, die sonst nicht möglich gewesen wäre. Welche Auswirkungen das auf die Teilnehmerzahl an dem Fahrerlehrgang der Scuderia hat, muss abgewartet werden.

Die Beteiligung an der Bike World (11 + 12) ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unverantwortlich, zumal damit auch privatwirtschaftliche Interessen geschädigt wurden. Nach meiner Auffassung sind privatrechtliche Unternehmungen der Öffentlichen  Hand (und die Nürburgring GmbH ist dazu zu rechnen - meint z.B. auch ein renommierter Automobilhersteller) dann unzulässig, wenn sie keine Zwecke der Daseinsvorsorge verfolgen und von Privaten ebenso gut durchgeführt werden könnten.

In diesem Falle ist es sogar so, dass Private die Aufgaben der Neugründung bisher durchführten, nun aber durch das Engagement der Öffentlichen Hand ihre Verträge verloren und in ihrer Existenz bedroht sind. Hier ist eigentlich die Landesregierung mit einer eindeutigen Stellungnahme zur nun entstandenen Situation gefordert.

Einige der oben genannten Beteiligungsfirmen stehen in direktem Wettbewerb zu zum Zeitpunkt der Beteiligung bereits bestehenden privaten Unternehmen direkt vor Ort. So hat sich die Tätigkeit der Nürburgring GmbH inzwischen weit von dem im GmbH-Vertrag ausgewiesenen Tätigkeitsbereich entfernt, ist eigentlich ein wenig außer Kontrolle geraten. - Welche Sicht der Dinge hat da der Aufsichtsrat? Der besteht aus den Herren:

Ernst Eggers, Staatssekretär a.D. Landesbetrieb Straßen und Verkehr
Dr. Ingolf Deubel, Staatssekretär Ministerium der Finanzen
Dr. Jürgen Pföhler, Landrat Kreisverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler
Klaus Rüter, Staatssekretär Staatskanzlei (a.D.?)

Alles sehr honorige Herren, aber sicherlich nicht mit der Erfahrung im Haifischbecken "freie Wirtschaft", die eine reale Einschätzung aller Aktivitäten der Nürburgring GmbH möglich machen.

Nun versucht Dr. Kafitz mit Hilfe dieser Herren einen weiteren Seitensprung, fast einen Dreisprung. Er möchte das "Erlebnis Nürburgring" über  weitere Neugründungen - sowohl Automobiles, wie auch ein Golfplatz und ein Hotel mit dreistelliger Bettenzahl - weiter ausweiten. Partner auf der Seite der Automobilindustrie hat Dr. Kafitz nach meiner Kenntnis trotz vieler intensiver Gespräche für seine "Motorland"-Phantasien noch nicht gefunden, aber offensichtlich ist es ihm gelungen, Politikern die aus dem Gesamtpaket für sie resultierenden Vorteile als ideal darzustellen. Weil hier in einer wirtschaftlich schwachen Region, zu einem wirtschaftlich ungünstigen Zeitpunkt, positive Zeitzeichen gesetzt werden? Leider - so meine ich - zum Teil unsinnige. Die nach den mir vorliegenden Informationen insgesamt eine relativ hohe zweistellige Millionensumme Euro verschlingen werden. Nach den Vorstellungen des Dr. Kafitz werden die zum großen Teil vom Land aufgebracht werden müssen. Der von ihm angepeilte Etat trägt den Titel "Tourismus". Und so wird er auch nach meiner Kenntnis zum Termin der Vorstellung seiner Ideen und Planungen - in der nächsten Woche - eine Tourismus-Expertise vorlegen, mit der er dann seinen politischen Ziehvätern der "roten Fraktion" beweisen kann, dass seine Planungen auf "gestützten Erkenntnissen" beruhen. - Und die Automobilindustrie wird sicher auch eines Tages begreifen... -

Was das alles mit den ursprünglichen Zielen der Nürburgring GmbH zu tun hat? - Warum da die Öffentliche Hand mit offener Hand gefordert ist? Dr. Kafitz wird auf der von ihm geplanten Pressekonferenz sicher eine Antwort wissen. - Und wenn das denn wirklich alles den Zielen der Nürburgring GmbH zuzuordnen ist sei die Frage gestattet: Warum wird auf dem Parkplatz der Erlebniswelt kein Kamelreiten angeboten? Schließlich könnten doch die Kamele von den Parteien gesponsort werden.

Würde die "rote Fraktion" (die mit dem gleichen  Parteibuch wie Dr. Kafitz) JA zu den neuen Plänen sagen, wäre der Tourismus-Etat des Landes praktisch geplündert, bliebe für die wirklich förderungswürdigen privatwirtschaftlichen Projekte in diesem Land - auch, aber nicht nur, der Eifel - kein Geld mehr.

Eigentlich ist es in den letzten Wochen schon zu ersten Differenzen zwischen "Rot" und "Schwarz" in diesem Land gekommen, als der unter Dr. Kafitz arbeitende Geschäftsführer, Arno Elmer, wohl einem Aufsichtsratmitglied in bestimmten Dingen seine Bedenken unterbreitete. Die daraus resultierende interne Diskussion führte dazu, dass man diesem Geschäftsführer wegen "Vertrauensbruch" die "rote Karte" zeigte: Entlassung. Da traf es sich gut, dass man diesem Mitarbeiter erst Wochen vorher einen neuen, gut dotierten mehrjährigen Vertrag nicht nur angeboten, sondern auch mit ihm abgeschlossen hatte. Das erspart eigentlich einen Abfindungsvertrag. Aber Elmer will wohl doch ein Arbeitsgericht anrufen, was Dr. Kafitz in einem Vieraugengespräch zu vermeiden suchte. - Wie man hört: misslungen.

Eine öffentliche Auseinandersetzung könnte peinlich werden, da die von Elmer dem Aufsichtsrat zugetragenen Informationen aus begründeter Besorgnis um die wirtschaftliche Zukunft von Landesbeteiligungen erfolgte, Risiken aufzeigte und einen daraus resultierenden öffentlichen Eklat zu vermeiden suchte.

Wie unsicher Dr. Kafitz inzwischen reagiert ist daraus zu entnehmen, dass er schon vor Wochen erfolgte Kündigungen von leitenden Mitarbeitern nicht direkt vermeldete. Sie passten nicht in die Situation. Aber die Situation wird nicht besser. Und ist sicherlich auch nicht mit einer "Öffnungs-Offensive" durch Neugründungs-Vorschläge zu vertuschen, mögen sie auch auf dem Papier noch so gut vorbereitet sein. - Zumindest aus der Sicht von Politikern, die das "normale Leben" eigentlich nur aus der Zeitung kennen.

Würde es Dr. Kafitz gelingen, bekannte Landes-Polit-Größen in der nächsten Woche öffentlich auf seine Seite zu bringen, würde sich zwar nichts an der Situation so mancher Landesbeteiligung ändern, wohl aber an der Situation des jeweiligen Politikers: seine Position wäre auf Sicht gefährdet.

Die Landesregierung sollte auf die "99 Luftballon"-Vorschläge eines gut argumentierenden Marketingmannes nicht herein fallen, sondern zunächst noch einmal Revue passieren lassen, was aus seinen "alten" Neugründungen wurde. Es wird auch in diesem neuen Fall zu viel Luft präsentiert, es gibt zu wenig Ansätze für einen wirtschaftlichen Erfolg, der in Relation zu der Investitionssumme steht. - Warum haben die Automobilfirmen bisher nicht "ihren Teil" abgenickt? Es geht doch um den wirtschaftlichen Erfolg. Für jede einzelne Beteiligung des Landes. Wenn sie schon nicht als "Instrument der Struktur-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Verkehrspolitik des Landes" ausgewiesen werden kann. Kann denn z.B. in diesem neuen Fall (aber auch bei den älteren Neugründungen) auf die bestehende rechtliche Grundlage, "Vorliegen eines wichtigen Landesinteresses und keine bessere und wirtschaftlichere Zweckerreichung auf andere Weise" verwiesen werden?

Es ist sicherlich richtig, dass die Region Nürburgring von der Rennstrecke (den Rennstrecken, GP-Kurs und Nordschleife!) profitiert, aber sicher nicht von den Gründungs-Phantasien eines "modernen" Hauptgeschäftsführers, der Subventionen, Zuschüsse (am liebsten "verlorene") geradezu spielerisch zu nutzen weiß. - Und die "Futtertröge" kennt.

Hier ist dann auch das Beteiligungscontrolling des Landes gefordert, dessen Zielsetzung u.a. die "Vermeidung wirtschaftlicher und finanzieller Risiken" ist.

Ich möchte - zum Schluss - noch daran erinnern, dass es eine Reihe von europa- und bundesrechtlichen Regelungen gibt, "die die Beteiligung der öffentlichen Hand, insbesondere unter dem Aspekt der Schaffung von unzulässigen Wettbewerbsvorteilen gegenüber Konkurrenzunternehmen der freien Wirtschaft durch Gewährung von offenen bzw. versteckten Subventionen zu Gegenstand haben" nicht erwünscht sind. Um es vorsichtig zu formulieren.

Da fällt dann das "Zukunft gestalten" schon etwas schwerer. Darum wird das auch nicht Thema der Ausführungen von Dr. Kafitz in der nächsten Woche sein. - Aber ich wollte zumindest daran erinnert haben.

MK/Wilhelm Hahne


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