Virneburg, den 27. Mai 2004

Guten Tag!

Ich habe mir mal wieder so einen Fahrerlehrgang für Motorradfahrer...

... auf der Nürburgring-Nordschleife angesehen. Auch, weil ich die heutige Generation dieser Gattung erleben wollte. Auch, weil ich die BMW-Reaktionen, den Umgang der Münchner mit ihren Motorrad-Kunden, zu verstehen suche.

Natürlich kann ich bei einem aktuellen Motorrad-Fahrerlehrgang eine MV-Agusta...

... (Kaufpreis 25.000 Euro) erleben, sehe die Lehrgangsteilnehmer alle teuer verpackt. Eigentlich würde ich noch gut zu diesen Motorradfahrern passen. Ich wäre zwar der Älteste, aber so viel jünger sind die alle nicht. Man redet viel über PS und weiche Reifen. - Übrigens: der Lehrgang in diesem Jahr hatte - verglichen mit "früher" - nur rund die Hälfte der "alten" Teilnehmerzahlen.

Aber trotzdem wird engagiert...

 ...gefahren. Ein paar Liter Benzin machen eben "den Kohl auch nicht fett" - wie man so sagt. Aber manchmal wird auch zu engagiert am Quirl gedreht. So muss dann auch ein Hubschrauber kommen. Im "Klostertal" "zu hart aufgemacht", die Power zu viel, der Reifen zu hart, Gefühl zu wenig: ab in die Klinik. - Ich hoffe, er wird ohne große Nachwirkungen überleben. - Natürlich hat es bei einem solchen Fahrer-Training auch schon Tote gegeben. Aber darüber spricht man nicht. Aber ganz ehrlich: sie lassen sich auch nicht vermeiden.

Fragt man nach der PS-Zahl der "Übungsgeräte": 139 PS, 171 PS, 172 PS, 175 PS. Die "Dinger" rennen so um 280 km/h, wiegen gut 200 Kilogramm. Und ich höre, dass BMW nun auch mit einer neuen Reihen-Vierzylinder, mit quer eingebautem Motor, kommt. 1,2 Liter, 160 PS und die hintere Einarmschwinge wird anders als bei der neuen R 1200 GS nun linksseitig verlaufen. Natürlich wird sie - aus Sicherheitsgründen! - bremskraftverstärktes ABS, sowie ein elektronisch einstellbares Fahrwerk haben. -. Eine solche "Innovation" muss sein.

Ich spreche mit einem der Teilnehmer. Seine 1000er rennt vor der "Antoniusbuche" (gegen Ende der langen Geraden auf der Nürburgring-Nordschleife) auf der digitalen Anzeige 298 km/h. Natürlich ist das "Ding" dort nicht so schnell, so schnell ist dort nur die Anzeige. Er hätte aber schon gerne eine 300er Anzeige erlebt. Darum hat er beim nächsten Mal den Fünften drin gelassen (es geht ein wenig bergauf), aber dann ist der Motor in den "Begrenzer" gegangen. Die digitale Anzeige: 298 km/h.

Bei 298 im fünften Gang in den Begrenzer! Da ist die Enttäuschung groß. Wie später mal - wenn es dann tatsächlich dazu kommen sollte - beim Fahrer eines Bugatti Veytron, der mit seinen 1001 PS (versprochen ist versprochen!) dann vielleicht an dieser Stelle nur auf 368,5 km/h kommt, wo dieses "Ding" doch eigentlich an dieser Stelle mit 406 km/h die Brücke überfliegen sollte. Oder passt der Bugatti dann tatsächlich noch unten durch?

Na ja - bis zum Nürburger Friedhof kommt man da leicht! - Ich weiß auch nicht, was das mit Fahrspaß zu tun hat. Ich weiß auch nicht, was die neue Vierzylinder BMW soll. 160 PS und ABS. - Toll! - Meine Kollegen schreiben häufig vom "Rausch der Geschwindigkeit". Ich weiß bis heute nicht was das ist. - eigentlich nur was für BILD, für BUNTE und - für DUMME.

Übrigens: was der Fahrer dieses super-geilen Motorrad-Sportgerätes nicht wusste: der Hersteller begrenzt (natürlich aus Sicherheitsgründen, was sonst?) die digitale Tachometeranzeige bei 298 km/h. Damit man nicht bei dem Versuch die 300 km/h zu überschreiten... - Übrigens ist natürlich auch die Nutzung eines Handys bei dieser Geschwindigkeit nicht sinnvoll. Und wahrscheinlich strafbar.

Vor Jahrzehnten, in der Zeit der Sechszylinder Honda (die ich übrigens sehr gerne gefahren bin) wurde ich von Honda-Entwicklern gefragt, wie ich mir das ideale Motorrad vorstellen würde. Ich habe damals folgende Eckwerte genannt: 800 - 1000 ccm, Zweizylinder, 80 PS, eine flache Drehmomentkurve, Fünfganggetriebe, 150 Kilogramm trocken. Ich hatte vorher praktisch alle Motorräder dieser Welt gefahren, kannte die Vor- und Nachteile. - Und ich wusste - und weiß - was wirklich Fahrspaß vermittelte.

Ich erinnere mich auch noch der Gespräche mit Herrn Dr. Lange, BMW, Anfang der Siebziger Jahre, der auf den Boxermotor schwor. Ich empfahl BMW damals den Bau eines Motorrades mit Vierzylinder-Reihenmotor. "So etwas werden wir niemals bauen", meinte Dr. Lange. und ergänzte: "Es gibt nichts besseres als einen Boxermotor." - Zur Argumentation griff er nach rechts in ein Regal, zog einen dicken Leitz-Ordner heraus, schlug ihn auf und sagte: "Wir haben ein Gutachten erstellen lassen, dass unsere Auffassung in allen Punkten unterstreicht: Es gibt nichts besseres als einen Boxermotor."

Meine Frage: "Wer hat das Gutachten erstellt?" - Antwort: "Helmut Werner Bönsch." - Da habe ich es aufgegeben. - Inzwischen ist Helmut Werner Bönsch tot, Dr. Lange ist in Pension, hat kluge Bücher über Motoren geschrieben.

Aber dann baute BMW zunächst einen Vierzylinder liegend (Modell Ziegelstein) ein, "morgen" baut BMW nun auch einen stehenden Reihenvierzylinder. Habe ich gerade gehört. Aber nicht einer mit Betonung auf Fahrkultur, sondern auf Power. 160 PS! - Und dann mit ABS. Zur Beruhigung des eigenen Gewissens. Für eine inzwischen überalterte Motorradfahrer-Generation. Motorradfahrer-Nachwuchs gibt es nicht mehr. Wie auch? - Bei Maschinen-Preisen zwischen 12 und 25.000 Euro?

Überall zeigen sich die gleichen Schwächen, überall sind Leute in den Entscheidungsspitzen, die nur wenig von dem verstehen, was sie entscheiden. Und das Marketing... - Oh Gott'chen! - Und dann das Denken dieser "neuen" (eigentlich "alten") Generation von Motorradfahrern. Die glauben tatsächlich - wie Sie es im Geschäftsleben erfahren haben - mit Geld alles kaufen zu können. Auch Fahrkönnen. Sie kaufen sich das beste Motorrad, nehmen sich als "Privatlehrer" einen Rennfahrer zum Erlernen der Nürburgring-Nordschleife und verstehen nicht, dass der ganz relaxt vor ihnen herfährt, während sie doch eigentlich das viel bessere Motorrad fahren und - es geht immer gerade noch so gut. Man zittert am Fahrbahnrand vorbei, es geht ihnen hier und da (fast) die Straße da aus, wo der "Lehrer" bei gleicher Geschwindigkeit eigentlich ganz locker wirkt, sich noch nach ihnen umschaut. Und sie fahren auch die gleiche Linie wie ihr "Vorfahrer"... -

Motorradfahren ist eben wie Klavierspielen. Eigentlich einfach. Man muss - beim Klavierspielen - eben nur im richtigen Moment mit dem richtigen Finger die richtige Taste treffen. Da nutzt es auch nichts, wenn man das Geld für einen Steinway-Flügel hat. Der mit dem "billigen" Kleinklavier aus Fernost spielt vielleicht viel besser. Das ist eine Sache der Übung. Üben, üben, üben. Ein wenig Talent kann auch nicht schaden. Und da nutzt es auch einem Motorradfahrer wenig, wenn sein Motorrad serienmäßig ABS hat. Das ist nur ein Teil der Übung. Fahrer mit ABS-Motorrädern glauben sich dem "Rest der Welt" überlegen. Und sind eigentlich damit schon gefährdet. Motorradfahren ist wie Seiltanzen. Auch wenn man "mit Netz" arbeitet, schützt das einen nicht vor Abstürzen. Entweder man erlernt das Seiltanzen, das Klavierspielen, das Motorradfahren - oder man lässt es.

Und man muss sich wohl dabei fühlen. Motorradfahren nur "wegen der Anderen"? - Lassen Sie die Finger davon. Motorradfahren können, ist auch eine Aussage zur Persönlichkeit. Wenn das nicht zu Ihnen passt, wirkt das genau so peinlich, wie eine von einem Innenarchitekten ("Prof. Dr. Dr. XX XL hat das gemacht!") eingerichtete Villa, bei der man - kennt man den Besitzer - schon auf den ersten Blick erkennt, dass das nicht seinem persönlichen Geschmack entspricht. - Gefällt Ihnen nicht?

"Der Hahne, dieses Arschloch"! So hat vor Wochen einer von meinen Geschichten "Betroffenen" den Ärger argumentiert, mit dem er sich nun herum schlagen muss. Und es wurde der Ton beanstandet, in dem ich schreiben würde. "Als wenn seine Meinung die allein selig machende wäre". - Ist sie natürlich nicht. - Aber ich bin davon überzeugt, das es die richtige ist, wenn ich sie nieder schreibe. Sonst würde ich sie nicht äußern. Ich schreibe nicht, um anderen zu gefallen. - Aber immerhin hat dieser Mann von mir nicht nur eine Meinung, sondern - Bravo!! - er hat sie auch geäußert. (Mir gegenüber würde er das aber - leider - nicht tun.) Immerhin ist das ein Ansatz.

BMW wird dieses Mal nicht gefallen, dass ich den aktuellen Briefwechsel mit einem Motorradkäufer veröffentliche. Opel wird nicht gefallen, dass ich eine eigene Meinung zu den Geschehnissen in Rüsselsheim habe. Den "Erlkönig"-Fotografen wird nicht gefallen, dass ich den Tenor meiner letzten Geschichte noch mal mit aktuellen Beispielen unterstreiche. Mercedes wird nicht gefallen... - Aber Audi wird gefallen, dass ich mit meiner DTM-Prognose - vor dem ersten Rennen geäußert - wohl doch nicht so falsch liege.

Vielleicht wird aber vieles meinen Lesern gefallen, denen zumindest aber Anregung zum Nachdenken sein. - Wie mir in vielen e-mail  bestätigt wird.

Weil ich es gerade erfahre: Sie kennen sicherlich den lieben Gott, obwohl Sie ihn noch nie gesehen haben. Sie kennen sicher nicht Tony Gott, den Sie auch noch nicht gesehen haben. Dem hat jetzt BMW den Kalbfell über die Ohren gezogen. (Das ist richtiges Deutsch!) Tony Gott war seit 2002 der Chef von Rolls Royce. Und der ist nun gerade - ohne Angabe von Gründen - sofort zurückgetreten. - Worden? - Jedenfalls nicht mehr da. Und ab sofort nimmt Karl-Heinz Kalbfell seine Position ein, der früher mal das BMW Marketing beherrschte, nun z.B. den Vertrieb im sehr wichtigen asiatischen Raum beschleunigen sollte. Nun wird da ein Vakuum entstehen. - Oder hat man dieses "Loch" auch schon gestopft? - Aber das scheint alles unwichtig. BMW kommentiert nämlich diese kleine Veränderung nicht. - Sie betrifft schließlich auch nur Gott, Rolls Royce und den asiatischen Markt. - Aber ich kümmere mich mal drum. Damit ich bald wieder etwas zu schreiben habe.

Herzliche Grüße aus der Eifel -
und viele sonnige Tage wünscht Ihnen

Wilhelm Hahne

PS: Weil - trotz Rolls Royce - diese Seite so motorradlastig geriet, ist mir gerade noch eingefallen, dass es in den Fünfziger Jahren beim Motorradrennen auf dem "Grenzlandring" eine Werbung gab... - Und ich habe ein altes Plakat genommen, das ich mal irgendwo fotografiert habe und habe den Werbespruch eingefügt. Allerdings zeigte das Original-Plakat - damals auf dem "Grenzlandring" - Heiner Fleischmann (Wissen Sie wer das war?) mit seiner Kompressor-NSU. Meine abgeänderte Vorlage zeigt Werner Haas auf einer Renn-Fox - aber nun mit dem "alten Grenzlandring-Spruch":

Und was ist aus NSU geworden? - Erinnern Sie sich noch an die 250er OSL mit Starrrahmen, die "Max" oder die normale "Fox" mit ihrer einseitig gelagerten Kurbelwelle? - Ich habe als Motorradfahrer meine Beziehung zur Motoren- und Fahrwerktechnik entwickelt, sie verstehen gelernt. Weil man "damals" alles selbst machte. Wenn man mal den Zylinder auf einer Doppelkolben-Puch (mit Gabel-Pleuel; ein Kolben steuert den Einlass, einer den Auslass) aufgesetzt hat (nach zwei Versuchen gelungen), wer die Präzision der gefräßten Ein- und Auslass-Schlitze bei einer 175er Ardie gegenüber denen der eingegossenen der Konkurrenz begriff, wer wusste, das ein Fußbremshebel nicht auf der Fußrastenachse gelagert sein sollte, dass man die Fußbremskräfte besser mit ein Seilzug statt einem Gestänge übertragen hat ("damals"), wer erlebte, dass BING für BMW einen japanischen Gleichdruck-Vergaser "abkupferte", den Nachbau einer 125er DKW durch Yamaha mitbekommen hat... - Sie merken: Man kann mit mir auch über Motorräder sprechen. - Übrigens: "damals" auf dem "Grenzlandring" habe ich die erste "CocaCola" meines Lebens getrunken und die ersten Bananen gegessen. (Es war "nach dem Krieg".) Und über die Lautsprecher konnte man folgenden Werbespruch für Zigaretten hören, den ich bis heute nicht vergessen habe: "Der Vater sagt es zu dem Sohn, jedoch der Sohn der wusst' es schon: aus gutem Grund ist 'Juno' rund." - Was werden unsere Kinder in Jahrzehnten für Werbesprüche behalten haben? - Wahrscheinlich: "Catch your Dream." - Und: "Perfekte Symbiose aus kontrollierbarer Power und aggressivem Styling." - Die Differenz macht den Unterschied! - Und die Schreibfehler.


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