Der "Kritiker" ist Mitglied einer seriösen Redaktion. Als dem vor Wochen eine aktuelle, außergewöhnliche Geschichte angeboten wurde, da wendete er sich mit Schaudern und dem Ausspruch, dass das ja wohl der "untersten Schublade" des Motorjournalismus zuzurechnen sei. Und für ein solches Niveau sei in dem Umfeld, in dem sich die eigene Redaktion bewegt, kein Platz. - Obwohl die Geschichte nicht von mir war, fühle ich mich durch den Ausspruch betroffen. Denn das Thema der Geschichte war gut, sie stimmte im Detail, sie war nur - aus der Sicht "normaler" Motor-Journalisten - "ungewöhnlich". Ungewöhnlich in der Form, dass in ihr keine Rücksicht auf die Interessen der Automobilindustrie genommen wurde, einfach etwas so geschildert werden sollte, wie es in täglichen Leben dort wirklich passiert. - Solche Geschichten kommen natürlich nicht als Pressemitteilung auf den Redaktionsschreibtisch, entstehen auch nicht mit "Zuschüssen" (Reisekostenerstattung, freie Kost und Logis) der Industrie. - Lassen Sie mich nachstehend mal ein paar Beispiele anführen:
Schrott vom Feinsten
04-07-07/03. - Zunächst ein seriöses Beispiel aus der deutschen Zeitungslandschaft in diesen Tagen. Jeder aufmerksame Journalist hat mitbekommen, das DaimlerChrysler sich bei der Einführung der neuen Mercedes A-Klasse besondere Mühe gibt. Also muss man diesen Aufwand mit einer entsprechenden Berichterstattung honorieren. Und so findet man denn auf der Wirtschaftseite einer (nicht kleinen) Zeitung ein Foto, dass das Vorstandsmitglied der DaimlerChrysler AG, Prof. Jürgen Hubbert, mit einem Mikrofon in an Hand neben der neuen A-Klasse an Bord eines Kreuzfahrtschiffes zeigt.
Die Titelzeile zu diesem Foto lautet: "Mercedes stößt mit der neuen A-Klasse erneut in die Kompakt-Liga vor". - Nanu? - War Mercedes da nicht schon drin? - Der weitere Textzeile entlarvt den Schreiber dann als Fachmann: "Jürgen Huppert, Vorstandsmitglied der DaimlerChrysler AG..." - Dieser Journalist weiß nicht, dass Jürgen Hubbert schon auf seinen Titel "Professor" einigen Wert legt. Er weiß auch nicht, wie Hubbert geschrieben wird. (Jedenfalls nicht Huppert.) Er weiß aber, wie sich aus dem weiteren Text ergibt, dass die neue A-Klasse "mehr Fahrsicherheit, mehr Fahrkomfort und ein um zehn Prozent niedriger Benzinverbrauch" erwarten lässt.
Dieser Mann ist gut. Er hat die DC-Darstellung weiter transportiert. Über den fehlenden Prof. und das (natürlich irrtümliche) Doppel-P wird man da in Stuttgart gerne hinweg schauen. - Das ist seriöser Journalismus.
Aus der "untersten Schublade" ist es dagegen (nehme ich aufgrund meiner Erfahrung an), wenn man recherchiert, dass komplett neue Türen eines Neuwagens auf den Schrott kommen, die die Aufschrift tragen, "Kleber wurde vergessen". Und die Türdichtungen hängen dann auch bei "denen" (es handelt sich nicht nur um eine Tür) "so herum". - Es ist offenbar billiger eine richtig vorbereitete neue Tür zu verbauen, als diese fehlerhafte Tür nachzurüsten. - Sei's drum.
Und normalerweise spricht man auch nicht über solche Vorkommnisse. Wie z.B. auch diese: da werden irgendwo in Deutschland eine vierstellige Zahl komplett gefertigter Neuwagen geshreddert, platt gemacht, entsorgt. Die Rollen per Achse zu ihrer eigenen Hinrichtung. Wenn die "platt gemacht" werden, haben die vielleicht 15 Kilometer auf dem Tacho. Die Reifen sind neu, die Alufelgen sind ohne Makel. -
Aber die Reifen werden zerstochen, die Felgen zerstört. wie sich auch der in einem solchen Fahrzeug verbaute Motor dann - unter hohem Druck - in seine Teile auflöst. (Natürlich waren vorher - schon aus Umweltgründen - die Flüssigkeiten entsorgt.) Ein Werksangehöriger des Automobilherstellers überwacht "vor Ort", dass auch wirklich alles unbrauchbar gemacht, zu Schrott wird.
Warum? - Nach meinen Recherchen entsprechen die Fahrzeuge in einem wichtigen Maß nicht der "Bauartabnahme", mit der Typ dieser Fahrzeuge die Straßenverkehrszulassung erlangte. Passend machen? - Viel zu teuer. - Aber zerstören? - Das schafft immerhin abschreibungsmögliche Werte. (Oder wie soll man das beschreiben?)
Anderes Beispiel "aus der untersten Schublade) des Motor-Journalismus (und darum auch nirgendwo zu lesen): ein nicht unbekannter Hersteller fertigt eine sportliche Sonderserie eines bekannten Serienmodells. Dafür ist eine eigene Abteilung verantwortlich. Die erhält dann die "Basisfahrzeuge" vom Serienband angeliefert und rüstet sie entsprechend um.
Da bekommen die Fahrzeuge z.B. eine komplett andere Bremsanlage. Wenn man nun denkt, dass die "Basisfahrzeuge" ohne Bremsanlage angeliefert werden, dann irrt man sich. Das ist gar nicht möglich. Von den Abläufen bei der Serienmontage her nicht. - Also baut man nun die "alte" Bremsanlage (Scheiben, Bremszangen usw.) aus und dann die neuen Teile ein. - Und die "alten" Teile (die eigentlich Neuteile sind)?
Na ja, die werden weg geworfen, verschrottet. - Was soll man sonst mit denen machen? - Die wieder neu verpacken? - Dann könnte man sie aber kaum als Neuteile verkaufen. Und was soll das alles kosten? - Die "billigste Lösung" ist also das Wegwerfen!
Wer das eigentlich alles bezahlt? - Aber, aber - solche Fragen stellt man nicht. Das ist unseriös.
Überhaupt: solche Geschichten schreibt, bzw. beschreibt man eigentlich als "seriöser Motor-Journalist" erst gar nicht. Das heißt, eigentlich kennt der "Seriöse" solche Geschichten auch nicht, erfährt nichts von ihnen, weil die ihm keiner erzählt, weil er auch nicht - schon aus Zeitgründen - auf die Idee käme, in einer solchen Angelegenheit zu recherchieren. - Wer soll das denn bezahlen? - Die Redaktion ist ausreichend damit beschäftigt, die Einladungstermine wahrzunehmen. Und selbst wenn die Firmen einen Teil der Kosten tragen: Wer bezahlt die Arbeitszeit der Journalisten?
Ja, ja. - Und es gibt tatsächlich Redaktionen (seriöse natürlich), wo sich der entsprechende Redakteur für die Zeit einer "Einladungstour" z.B. zu einer Neuvorstellung, ein paar Tage Urlaub nehmen muss. Aber schließlich kann man nur so (evtl.) persönlich mit Herrn Hubbert sprechen - und dann seinen Namen falsch schreiben. - Seriös natürlich.
MK/Wilhelm Hahne
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