Wenn man als Journalist nicht in ein System passt...

...dann hat man es auch mit Recherchen nicht leicht. Denn andere Berufsgruppen verhalten sich angepasst. Alles geht seinen Weg. Alles ist dokumentiert. Man ist in alle Richtungen abgesichert. Und warum sollte gerade in diesem einen Fall etwas passieren? - Ich will nachstehend nur einmal an realen Fällen (aber ohne Namensnennung, soweit es bestimmte Fabrikate betrifft) nachweisen, wie einem als Journalist die Zeit durch die Finger ringt. Eigentlich will man nur helfen. Und oft würde eine direkte Antwort auf eine Anfrage schon die Klärung bringen. Nur: es kommt keine Antwort. Man fragt nach. Und fragt nach. Man erhält Zwischenbescheide. Und die Zeit verrinnt. - Hinzu kommt, dass man als Einzelkämpfer keine Bedeutung hat. Wenn z.B. eine Springer-Zeitung anfragt... - Die "Behandlung" erfolgt z.T. nach Auflagenhöhe. - So dauert die Erledigung meiner Anfragen zum Teil Monate. - Aber wer stellt auch sonst so dumme Fragen? - Wen interessieren die Antworten ?

Wer seinen Beruf ernst nimmt...

04-07-07/07. - ....der macht sich das Leben selber schwer. Man sollte seinen Beruf verwalten. Wie Pressestellen der Industrie das zum Beispiel tun. Fragt man da z.B. nach, was ein Satz Bremsklötze für ein von  den Kollegen hochgelobtes Bremssystem kostet, so erhält man umgehend die Antwort, dass man um eine Antwort bemüht sei. Und dann kommt die Antwort, dass - leider - die Ersatzteilpreise noch nicht kalkuliert seien. Aber natürlich sei man bemüht... -

Und nach wenigen Monaten weiß ich dann schon , dass ich mit meiner persönlichen Einschätzung richtig lag. Ein Satz Bremsbeläge (vorn + hinten) kostet (einschl. MWSt.) 2.204 Euro. - Aber so etwas scheint niemanden zu interessieren. Man findet solche Angaben auch nicht in Pressemitteilungen. - Aber das System ist eine tolle Innovation. - Von den Kosten spricht niemand.

Aber immerhin: man hat geantwortet. Mit einem taktischen Zeitverzug. - Begriffen und - Beifall! - Gut, diese Presseabteilung. (Aus Sicht der Firma.)

Ein anderes Beispiel: da schreibe ich den Kommunikationschef einer anderen Kommunikations-Zentrale an, so'ne Art General-Director. Meine Anfrage. Das war am 23. März 2004:

1) Ist es richtig, dass bei der Fertigung der ersten neuen "XXL" für die Händlerausstattung ungeeignete Bleche im Bereich der Vorderachse verbaut wurden?
2) Handelt es sich hier um Delta- oder Knoten-Bleche im Bereich der Vorderachse, die auch das Crashverhalten mit beeinflussen können?
3) Wie groß ist der Unterschied zwischen der eigentlich vorgesehenen und der tatsächlich verbauten Blechstärke?
4) Kommt es darum auch bei den betroffenen Fahrzeugen zu Schwingungsgeräuschen?
5) Wie groß ist die betroffene "XXL"-Stückzahl?
a) 12.000 Stück oder
b) rund 5.000 Stück
6) Ist es richtig, dass ein Fachblatt, das um die Fakten weiß, nun nach intensiven "XX"-Bemühungen die geplante Geschichte gestoppt hat?
7) Werden die betroffenen Händlerfahrzeuge um- bzw. nachgerüstet?
a) Wie?

Weil ich keine Antwort erhalte, erinnere ich noch einmal. Weil ich dann immer noch keine Antwort erhalte, schreibe ich die Europa-Zentrale (jede große Firma die etwas auf sich hält hat heute so etwas) an. Ich schildere den Fall, bitte um Antwort.

Es kommt keine Antwort. - Also muss an der Sache etwas dran sein. Und die Firma ein großes Interesse haben, dass dieser Fall nicht... -

Also erinnere ich die Europa-Zentrale noch einmal an meine Anfrage, man möge mir doch - bitte, bitte - eine Antwort geben. - Aber alles bleibt still. Auch nach Wochen.

Weil ich bei dieser Angelegenheit auch ein Sicherheitsrisiko zu erkennen glaube - wenn es denn so ist - schalte ich nun eine Behörde ein. Ich informiere das KBA. Inzwischen befinden wir und in der 3. Dekade Mai 2004. Es sind also praktisch zwei Monate vergangen.

So ganz direkt höre ich nichts, so dass ich - zur Sicherheit - noch mal erinnere und verdeutliche, dass mich auch ein Zwischenbescheid interessiert. Die erhalte ich. Man habe die Angelegenheit an die Abteilung "XX" weiter gereicht. Von der würde ich dann bald hören. - Nun scheint man in Flensburg eine andere Vorstellung von "bald" zu haben. - Also erinnere ich noch mal nach und erfahre am 21. Juni 2004:


"Ihre Anfrage wurde zuständigkeitshalber an uns, das Grundsatzreferat,
weitergeleitet.
Die Klärung des beschriebenen Sachverhaltes erfordert allerdings etwas Zeit,
ich bitte dies zu entschuldigen.

Das Sachgebiet für Grundsatzfragen wird eine Klärung über den Bezug zu den
relevanten EG-Typgenehmigungsbereichen herbeiführen und gegebenenfalls eine
Stellungnahme des Herstellers erbitten .

Sie erhalten baldmöglichst weitere Informationen des KBA über die von ihnen
beschriebenen möglichen Mängel am betreffenden Fahrzeug ("XXL" neues
Modell)."

Nun ist es Juli geworden. Ich habe noch nichts gehört. Aber ich kann sicher sein: die Sache wird bearbeitet. Und ich ahne auch, dass ich schon in absehbarer Zeit etwas hören werde.

Aber ich kenne inzwischen neue Fälle, die in ihren Auswirkungen sicherheitsrelevant sein können.

Da gibt es z.B. ein Fahrzeug, ein Fronttriebler, dessen Bremskraftverteilung - natürlich aus Sicherheitsgründen - so geregelt ist, dass die Druckregelung nach hinten dann praktisch auf Null schaltet, wenn z.B. ein Hinterrad keinen Bodenkontakt hat. Wenn man mit einem solchen Fahrzeug z.B. schnell um eine Rechtskurve kommt (mit abgehobenem kurveninneren Rad), muss eine - für den Fahrer überraschend folgende - Linkskurve anbremsen, dann wundert sich der über das sogenannte "harte Pedal", das nun kaum Bremswirkung vermittelt.

Aber so fährt man wahrscheinlich nicht. Und es ist auch ESP verbaut. Und es gibt viele Airbags. - Das wird schon gut gehen. Oder? - Aber wer kümmert sich um so etwas? - Sollte ich dem KBA einen Tipp geben oder dem Verkehrsministerium?

Noch ein Fall: da ist bei einem Automobil - sagt ein Mitarbeiter - "die Bremse für den Arsch". Hier geht es um einen Bremskraftverstärker. Man spricht - glaube ich intern - von einem Booster. Da gibt es auch Kundenreklamationen. Der Automobilhersteller prüft intern: er kann nichts feststellen.

Aber als schließlich insgesamt so um 50 Kundenreklamationen vorliegen, geht der Hersteller zu seinem Zulieferer mit dem Vorwurf: Hier stimmt etwas nicht. - Der Zulieferer sagt: Richtig, wir haben da eine Kleinigkeit in der laufenden Serie geändert, weil wir an dem Teil eigentlich gar nichts mehr verdienten. - Und jetzt verdienen wir wieder.

Der Hersteller ist entsetzt. Er war nicht in Kenntnis gesetzt worden. Qualitätskontrolle? - War mal, kostet doch. Jeder kontrolliert sich selbst. - Auch seinen Gewinn am Produkt. - Aber der Zulieferer hat begreifen müssen, dass es so nicht geht. Und nun wird wieder die eigentlich geforderte Qualität verbaut. - Und die bisher verbauten "billigen" Teile?

Noch ein Fall: da liefert ein Zulieferer Bremsscheiben für ein bestimmtes Modell an. Die Bremsleistung der in diesem Automodell verbauten Anlage enspricht ungefähr - meint jemand, der sich auskennt - "einem Anker mit Widerhaken". Und die Bremscheibe soll Probleme machen. Liegt das an der Rezeptur der Bremsscheibe? - Wird hier auch ein "Verdienstproblem" des Zuliefers gelöst?

Überall müsste man eigentlich gleichzeitig tätig werden. Ich könnte ein Schreibbüro beschäftigen. - Aber was nutzt das, wenn man a) keine Antwort erhält oder b) die Antworten verzögert werden (bis dass das Problem beseitig ist).

Da ich auch hier am Nürburgring den Versuchsbetrieb beobachte: es gibt da Serienanläufe (Vorserie), die schon vor dem Abschluss der Testfahrten starten. Nicht nur bei Automobilen. -

Aber da sollen sich mal die Kollegen der Motorrad-Presse bemühen. Es kann doch nicht sein, dass nur mir solche Fälle auffallen.

MK/Wilhelm Hahne


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