Eine kleine "Brandgeschichte" zum Fest

Wir werden mit Rückrufaktionen der Automobilindustrie überschwemmt. Von Jahr zu Jahr werden es mehr. Kein Wunder, wenn ich da ein wenig die Übersicht verloren habe. Wusste ich von dieser? Oder von jener? - Sind aktuelle Geschehnisse "der Schnee von gestern" oder das Leuchtfeuer für kommende Rückrufaktionen? - Wer weiß das schon? - Und da ich immer bereit bin, kleine Wissens-Schwächen zuzugeben, so habe ich dann auch entsprechend reagiert, als mir per Zufall eine ebenso zufällige Beobachtung übermittelt wurde. Und ich bin dieser Sache dann - entsprechend meiner kindlich naiven Art - nachgegangen. Schritt für Schritt. - Ich habe mich für zur Veröffentlichung des Schriftwechsels entschlossen, da nur so verdeutlicht werden kann, wie sich die Arbeit "moderner Presseabteilungen" heute abspielt: Man gibt nur das zu, was der andere weiß. Wenn der nachlegt, tut man so, als habe man das gemeint. - Lesen Sie nun das Ergebnis meiner Recherchen zu einem "alten Thema". - Ich erlaube mir aber auch, das "neue Thema" anzureißen:

VW Touareg: Er brennt nicht nur zur Sommerzeit...

04-12-20/03. - ...nein, auch im Winter wenn es schneit! - Ein solcher Spruch passt nicht nur gut in die Weihnachtszeit, sondern auch zum VW Touareg. Vielleicht auch zum Porsche Cayenne. - Wer weiß. - Dabei entstand diese Geschichte ganz zufällig, weil ein guter Freund mir von einem VW Touareg erzählte, der gerade aktuell im Motorraumbereich gebrannt hatte.

Ich habe daraufhin ein wenig telefoniert. Und siehe da, ich bin auf weitere zwei Touareg-Brände gestoßen. Und mir fiel dazu gerade keine passende Rückrufaktion ein. Es gibt davon auch zu viele. Und in meinem Alter... -

Also habe ich es mir einfach gemacht, bzw. zu machen versucht: ich habe die VW-Presseabteilung angeschrieben:

...inzwischen weiß ich von drei Bränden (im Motorraumbereich) des Touareg Diesel. Alle an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten.
Zusatzheizung? (Es gibt da bei Alfa ein Beispiel.)
Sie können es mir sicher sagen. - Ist ein Rückruf notwendig oder angedacht? - Sie müssen es wissen.
Sie merken, ich arbeite auch am Sonntag und komme damit den Ansprüchen des Vorstandsvorsitzenden von Conti schon sehr nahe, der die 43 Stunden-Woche fordert. Aber gegen die Offenlegung von Vorstandsbezügen ist.
Herzliche Grüße aus der Eifel

Ich habe das tatsächlich an einem Sonntag (5. Dezember 2004) geschrieben. Und hatte am Dienstagmorgen schon aus Wolfsburg eine Antwort:

...wir haben vor einiger Zeit beim Touareg eine Aktion gefahren, inkl. Öffentlichkeit, die ein elektronisches Problem im Motorraum beseitigt hat. Im ungünstigsten Fall konnte es dabei zur Feuerentwicklung kommen.
Mit der Zusatzheizung hatte dies nichts zu tun, Hintergrund war die nicht exakte Verlegung eines Kabels im Motorraum.
Das o.g. Thema ist uns bekannt, darüber hinaus haben wir Gott sei Dank kein solches Thema in der Pipeline.
Mit freundlichen Grüßen aus Wolfsburg

Eine schnelle und klare Antwort. Aber ich konnte mich nicht erinnern, habe mir selbst einen Rechercheauftrag erteilt und gleichzeitig noch einmal bei VW rückgefragt. Kann ja nicht schaden. Selbst auf die Gefahr hin, dass die mich für blöd halten. Ich schrieb:

...herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich hatte leider von der VW-Aktion in Sachen Touareg nichts mitbekommen.
Wann ist das denn gewesen?
War das ein Rückrufaktion?
Denn Tatsache ist, dass der erste Brand von dem ich hörte, erst gut zwei Wochen zurückliegt, zwei weitere passierten erst danach. Die Fahrzeuge sind bisher auch nicht repariert. So lange kann der Brand also auch nicht zurück liegen. Während Ihre Antwort den Eindruck vermittelt, als wäre diese "Kabel-Aktion" der Schnee von gestern.
Ist die "Umrüstaktion" (Kontrollaktion) beim Touareg inzwischen - und wann - offiziell abgeschlossen?
Herzliche Grüße

Die Antwort kam postwendend:

...sorry, es hat etwas gedauert, war den ganzen Tag auf Achse. Wie gestern erwähnt, die Serviceaktion, inkl. Anschreiben an die Kunden, hat im Sommer stattgefunden. Wie immer bei solchen Aktionen werden die Kunden mehrfach benachrichtigt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle Fahrzeuge begutachtet worden sind, bzw. umgerüstet werden. Den aktuellen Status frage ich parallel im Servicebereich ab. Aktuell habe ich mit dem Kundendienst bereits gesprochen, uns sind keine Fälle gemeldet worden. Sollten die Fahrzeuge/Fälle bei einem unserer Servicebetriebe bekannt sein, hätte der Kundendienst eine Rückmeldung erhalten.
Um dies nicht im Raume stehen zu lassen, kann ich daher nur anbieten, den Kundendienst zur Begutachtung dorthin zu entsenden, wo sich die Fahrzeuge befinden, um die Ursache zu ergründen.
Mit freundlichen Grüßen

Inzwischen hatte ich nicht nur in alle Himmelsrichtungen telefoniert, sondern hatte mich auch ins Auto gesetzt, um Gespräche mit "alten Bekannten" zu führen, die man nicht am Telefon führen kann. - Auge um Auge. Und nichts als die Wahrheit. - Als ich dann wieder die Möglichkeit hatte, bei mir zu Hause den Computer zu bedienen, da habe ich folgendes nach Wolfsburg geschrieben, bzw. aufgrund meiner neuesten Erkenntnisse schreiben können:

...Sie geben sich Mühe. Ich tue das auch. Weil ich - wie Sie - meine Arbeit ernst nehme. Und zusammen sind wir dann stark.
Damit Sie mal sehen, wie weit Sie als VW-Pressemann mit Ihrem Wissen außerhalb der realen Ereignisse sind, habe ich Ihnen die neusten Ergebnisse meiner Recherchen zwischen Ihre bisherigen internen Recherche-Ergebnisse geschrieben.
Konfrontrieren Sie doch mal Ihre zuständigen Abteilungen mit meinem - und nun auch Ihrem Wissen. - Und vielleicht stoßen wir dann darauf, warum die Touareg auch noch im Winter des Jahres 2004 brennen können.
Herzliche Grüße nach Wolfsburg

Und ich habe folgendes zunächst folgendes - nach der 1. oben fett markierten Behauptung - eingeschoben:

..."auto motor und sport" kündigte einen Rückruf des VW Touareg wegen Brandgefahr ("...ungünstig verlaufender Kabelstrang von der Rückholfeder der Feststellbremse") schon am 1. September des Jahres 2003 (!!) an, um sich ein paar Tage später zu korrigieren: "Da zum Tausch des Kabelstrangs das komplette Armaturenbrett demontiert werden muss, müssen die Werkstätten erst auf diese Rückrufaktion vorbereitet werden. Der offizielle Rückruf wird daher erst in der Kalenderwoche 42 (ab dem 13.10.) erfolgen." - Wie gesagt: das war alles im Jahre 2003!
Tatsächlich wird dann - soweit ich das feststellen kann - eine offizielle Rückrufaktion Anfang März 2004 (!!) gestartet. Obwohl - wie VW meint - "nicht alle Fahrzeuge betroffen" sind, betrifft es folgende Fahrgestell-Nummern:
WVG...7L.3D 000 001 bis 015 283, sowie
WVG...7L.4D 000 001 bis 021 470,
also nicht nur Fahrzeuge des Baujahres 2003 sondern auch des Baujahres 2004.
Hierbei wird dann nicht nur die richtige Lage des "Hauptleitungsstrangs" (!!) kontrolliert, sondern auch eine mögliche "fehlerhafte Punktschweißung" der linken Sitzkonsole. Was bei einem Heckcrash (heute gar nicht so ungewöhnlich) für den Fahrer böse Folgen haben könnte. Außerdem wird (und da weiß ich nicht warum) "eine zusätzliche Masseverbindung am Tankeinfüllstutzen" montiert.

Und an der 2. fett markierten Stelle in dem Wolfsburger e-mail, habe ich meine folgende Bemerkung eingeschoben:

...Bitte sind Sie mir nicht böse, lieber Herr "...", wenn ich das nicht tue. Man wäre in Wolfsburg sicherlich erschreckt, welchen großen geografischen Bereich man als kleiner, aber engagierter Motorjournalist von einem kleinen Dorf in der Eifel abdecken kann. Und welche Kontakte - im Laufe von Jahrzehnten aufgebaut - man zu nutzen in der Lage ist. - Wenn es notwendig ist.

Daraufhin erhielt ich - nur Stunden später - folgendes aufschlussreiche e-mail aus Wolfsburg:

...genau richtig erkannt, exakt dieses Thema ist bekannt und wurde im Rahmen der von mir beschriebenen Aktion abgewickelt. Wir haben zunächst im August des letzten Jahres einige Fahrzeuge in Amerika zu dem Thema "exakte Verlegung des Kabelstranges" überprüft. Haben dann die Aktion im Frühjahr auch in Europa, gemeinsam mit Porsche, gefahren. Die nicht korrekte Verlegung des Kabelstranges kann natürlich die von Ihnen beschriebenen Folgen haben, wenn der Kabelstrang zu dicht an der Fußfeststellbremse entlang führt. Dieses Problem haben wir in der oben genanten Aktion überprüft.
Der Hinweis auf die "ams" Berichterstattung führt zu folgendem Kommentar: wenn ein Medium über vermeintliche Fakten spricht, muss das ja nicht immer bedeuten, dass die Faktenlage auch eindeutig exakt dargestellt wird.
Die von uns definierten Fahrgestellnummern sind schon ziemlich genau umrissen, Fahrzeuge aus dem Modelljahr 2004 sind von daher betroffen, da bei uns die Modelljahresumfänge nicht gleichlautend einsetzen, wie der kalendarische Jahresbeginn. Die Umstellung erfolgt in der Regel mit den Werkferien.
Die integrierten Servicemaßnahmen wurden parallel an den bei den Händlern überprüften Fahrzeugen durchgeführt. Ihre Theorie zur Punktschweißung ist zwar im Grundsatz richtig, allerdings können Sie uns schon zutrauen, dass wir bewerten können, welches Potential dahinter steckt.
Der Tankeinfüllstutzen wurde zugleich bei einigen Fahrzeugen beurteilt, hier gab es Toleranzen im Fertigungsprozess des Zulieferers, die die Beobachtung notwendig gemacht haben.
Alles in allem also nichts wirklich neues.
Mit freundlichen Grüßen

Zunächst einmal: Bravo! - Eine geschickte, elegante Antwort. Aber: wirklich nichts Neues? - Aus meiner Darstellung (s.o. angegebene Fahrgestell-Nummern, die von Wolfsburg praktisch bestätigt werden) ergibt sich, dass fast 37.000 Fahrzeuge betroffen sind. Bei VW, so dachte ich, wird man nun offen über die Probleme - die nach meiner Beobachtung immer noch irgendwie aktuell sind - sprechen.

Aber was passiert? Ich lerne aus der VW-Antwort: "ams"-Meldungen sollte man nicht zu ernst nehmen. Und die (in die Rückrufaktion) "integrierten Servicemaßnahmen" werden von mir falsch eingeschätzt. Ich lerne: eine nicht richtig verschweißte Sitzkonsole des Fahrers ist keine Gefahr. Nur in Wolfsburg kann man beurteilen "welches Potential dahinter steckt". Und auf meine Behauptung (weil ich das so recherchiert hatte), dass am Tankeinfüllstutzen ein zusätzliche Masseverbindung montiert wurde (evtl.?), geht man in dieser Form gar nicht ein, sondern spricht nur von "Toleranzen im Fertigungsprozess" am Tankeinfüllstutzen, die bei "einigen Fahrzeugen beurteilt" wurden.

Nach welchen Kriterien wurde hier "beurteilt"? - Nach "Pisa 2"?  - Eigentlich hätte ich schon gerne gewusst, warum eine zusätzliche Masseverbindung montiert wurde. (Erinnern Sie sich noch an den Opel Astra, den es auch schon mal "flambiert" gab?)

Aber diese Recherche überlasse ich jetzt den Stuttgarter Kollegen von "auto motor und sport". Damit die bei dieser Gelegenheit die VW-Einschätzung zurecht rücken können, die - sehr elegant - von den Wolfsburgern so formuliert wurde: "wenn ein Medium über vermeintliche Fakten spricht, muss das ja nicht immer bedeuten, dass die Faktenlage auch eindeutig exakt dargestellt wird." - G+J (Gruner & Jahr, ein nicht unbekanntes Verlagshaus) kann das ab 1. Januar 2005 zurecht rücken. Dann hat dieser Verlag bei "ams" das Sagen. - Aber ob das der Qualität des Produkts "ams" dient?

So war das wohl damals mit der Qualität der "ams"-Meldung, in der von der 42. Kalenderwoche des Jahres 2003 gesprochen wurde. Oder habe ich etwas falsch verstanden? - Was nichts daran ändert, dass zum Weihnachtsfest des Jahres 2004 ein Touareg immer noch besser brennen kann als ein Weihnachtsbaum. -

Aber ich möchte auch noch darauf aufmerksam machen, was mir die VW-Presseabteilung exakt drei Tage vor folgender offizieller Mitteilung (s. auch oben) schrieb: "Das o.g. Thema ist uns bekannt, darüber hinaus haben wir Gott sei Dank kein solches Thema in der Pipeline."

Das war am Dienstag. Und am Freitag gab es dann die Information (allerdings wurde die mir nicht zugesandt): "Der VW-Konzern ruft weltweit rund 290.000 Fahrzeuge zur Überprüfung der Kraftstoffpumpe in die Werkstätten zurück. Betroffen sind Fahrzeuge mit Drei- und Vierzylinder-Dieselmotoren der Marken Skoda, VW, Audi und Seat."

Betroffen sind also Lupo, Polo, Golf, Bora, Passat, Touran, Sharan, der T5, der Caddy der Beetle, der A2, A3, A4, A6, der Fabia, der Octavia, der Superb, der Ibiza, der Cordoba, der Leon, der Toledo, der Alhambra und der Altea. - Sonst kein Modell. Und insgesamt nur 290.000 Mal. - Trotzdem schreibt man mir drei Tage vor Veröffentlichung dieser Information in Verbindung zu meiner Nachfrage nach einer anderen Rückrufakion: "...darüber hinaus haben wir Gott sei Dank kein solches Thema in der Pipeline."

Kurze Pipeline oder Mangel in der internen Kommunikation? - Wie dem auch sei: selbst das "kleine Thema" VW Touareg mit knapp 37.000 Fahrzeugen ist seit September 2003 wohl noch nicht in allen Fällen gelöst. Wie lange dauert dann die Abwicklung einer Rückrufaktion von 290.000 Fahrzeugen? -

Und welche "Servicearbeiten" werden da noch "so nebenbei" erledigt?

MK/Wilhelm Hahne


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