Wenn alle Systeme versagen bleibt immer noch eine "Einstweilige Verfügung" mit Beweissicherungsverfahren

Und vorher noch eine Geschichte in "DER SPIEGEL" (42/2004). Damit ist diese Geschichte für andere Medien dann praktisch "tot". - Als ich dann aber erst mit meinen Recherchen begann und viele Leute mit vielen dummen Fragen löcherte; als ich sogar noch ein Testfahrzeug vom gleichen Typ, "Vel Satis" nämlich, orderte, da erklärten mich schon einige Kollegen - mit denen ich über den Fall sprach - für verrückt. "Aber das ist doch längst abgefrühstückt. Damit kannst du doch kein Geld mehr verdienen." - Als wenn es für einen Journalisten nur darum ginge. - Sie erinnern sich: in Frankreich war ein Renault-Fahrer (mit Vel Satis) mit um 200 km/h über die Autobahn gerast, weil sich der Tempomat angeblich nicht ausschalten ließ. Irgendwie war er dann vor einer Mautstation - wie die Presse schrieb: nach einer Stunde Vollgasfahrt in Begleitung einer per Handy herbei telefonierten motorisierten Polizeistreife - zum Stillstand gekommen. - Das ist der Stoff, aus dem sich Geschichten machen lassen. Fernsehen und Zeitungen berichteten. Niemals zuvor ist soviel über den Vel Satis berichtet worden. - War das eine Renault PR-Aktion? - Konnte so etwas überhaupt passieren? - "Unabhängige Gutachter" hatten "keinerlei Mängel" festgestellt. Und "DER SPIEGEL" kam in seiner Kurzgeschichte (Seite 154) praktisch zu der Erkenntnis: 

Die Horrorfahrt war offenbar gut inszeniert

04-12-20/12. - Im SPIEGEL war die "Horrorfahrt" als unglaublich dargestellt worden. Um "die andere Seite" auch zu Wort kommen zu lassen schrieb man: "Die Gendarmen wollen 'echte Angst' aus dem Telefonat herausgehört haben." - Was denn nun?

Im Gegensatz zum SPIEGEL-Redakteur wusste ich, dass einen Fahrer in einer solchen überraschend auftretenden Situation den Fahrer schon Angst überkommen kann. Monate vorher hatte ich von einem ähnlichen Fall gehört, der mir von dem Fahrer erzählt wurde, der ihn selbst erlebt hatte. Allerdings nicht mit einem Renault, sondern mit einem anderen Fabrikat. - Aber Tempomat ist Tempomat.

Damals hatte ich für mich recherchiert, ob so etwas überhaupt möglich sei und war zu der Aussage eines Spezialisten (bei einem entsprechenden Zulieferer gekommen) gekommen, dass so etwas schon mal vorkommen könne, aber eigentlich sehr, sehr selten sei. Nach seinen (den Firmen-) Erfahrungen läge der Fehler dann meist im Stellmotor, wo dann wahrscheinlich Wasser eingedrungen sei.

Dabei habe ich es "damals" gelassen. Aber nun kam es zum medienwirksamen Fall Vel Satis. Da rauschte der Renault Vel Satis richtig durch den Blätterwald und huschte über die Fernsehschirme. Und ich begann mit den Recherchen auf meine Art. Damit Sie als Leser ein wenig Mitdenken und Mitfühlen können, möchte ich Sie zunächst mit dem Fahrzeug und seinen Details bekannt machen:

Das ist das Automobil, um das sich die Geschichte rankt. Wirkt ein wenig steif, das Heck ein wenig ungewöhnlich, macht aber beim Fahren Spaß. Man sitzt relativ hoch, hat eine gute Übersicht und reichlich Power unter der Haube. Da werkelt entweder ein 3,5 Liter V6 als Benziner oder als Diesel. - Ich bin beide schon gefahren, würde selbst dem Diesel den Vorzug geben. Das Getriebe ist sehr intelligent mit dem Motor vernetzt, so dass man eine Automatik hier nicht als Nachteil empfindet.

Das ist der Zündschlüssel - mehr ein Chip - zum Fahrzeug:

Achten Sie mal auf die Aussparung, das Loch, die Öffnung unten rechts. Hier hakt etwas ein, was in unserer Geschichte dann noch eine Rolle spielen wird.

Diese Chipkarte wird in diesen Schacht...

...geschoben. Man setzt den Fuß auf das Bremspedal...

...und drückt dann diesen Knopf...

...den man auch drückt, wenn man den Motor abstellen will. (Darum auch die Beschriftung mit STOP)

Eine Handbremse, wie man sie sonst gewohnt ist, gibt es beim Vel Satis nicht. Wenn man die Fußbremse gedrückt hat, kann man diesen Griff betätigen...

...womit man praktisch den vorhandenen Bremsdruck fixiert. Und die rote Leuchte bestätigt einem, dass die Handbremse gezogen ist. Wenn man losfährt, löst sie sich automatisch, so dass z.B. so auch das Anfahren am Berg zu einem Kinderspiel wird.

Jetzt noch einmal kurz die Zusammenfassung der Geschichte, die der Franzose, ein Marokkaner, erlebt haben will:

er hatte auf der Autobahn den Tempomaten eingeschaltet, musste verzögern und hat dann mit der entsprechenden Taste am Lenkrad...

...wieder beschleunigt. Nun beschleunigte der Tempomat aber nicht bis zur eigentlich eingestellten Autobahngeschwindigkeit, sondern immer weiter. Sagt der Marokkaner. Und das Auto samt Fahrer rast schließlich so mit um 200 km/h über die Autobahn. Und dem Fahrer gelingt es über lange Zeit nicht, das Fahrzeug zu verzögern.

"Münchhausen am Steuer", meint der SPIEGEL. Wenn man so manche Details in der SPIEGEL-Geschichte liest, kann man schon dieser Meinung sein. Aber andere Details verraten eine ungenügende Information.

Darum habe ich die offizielle Renault-Pressemitteilung abgewartet. Die übrigens nicht aus der Produktpresse, sondern aus der Unternehmenskommunikation kam. Das will nichts bedeuten. Ich möchte es nur hier festhalten. Und man konnte lesen: "Renault leitet gerichtliche Schritte ein". Und als Titel: "Renault Vel Satis mängelfrei". - Der Ordnung halber hier der Inhalt der Pressemitteilung:

"Renault hat gemeinsam mit einem unabhängigen, gerichtlich anerkannten Sachverständigen den Renault Vel Satis untersucht, der nach Angaben des Fahrers eine angebliche Fehlfunktion des Geschwindigkeitsreglers aufgewiesen haben soll.

Die umfangreiche statische und dynamische Untersuchung hat keinerlei Mängel des Fahrzeugs ergeben. Untersucht wurden sämtliche elektronischen, mechanischen und hydraulischen Funktionen des Fahrzeugs. Das Bremssystem, das keinerlei ungewöhnliche Abnutzung aufwies, das Automatikgetriebe, der Motor und der Geschwindigkeitsregler arbeiteten einwandfrei.

Auf Grund dieses Ergebnisses wird Renault unverzüglich eine einstweilige Verfügung beantragen, an die sich ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren anschließen wird."

Mir fehlte in dieser Information eine wichtige Aussage: Was haben der Sachverständige und Renault aus dem Fehlerspeicher ausgelesen? - Und so habe ich Renault entsprechend angeschrieben und um eine Auskunft gebeten.

Herr Zimmermann (Leiter Unternehmenskommunikation) war nicht im Hause, so dass ich zunächst nichts hörte. Ich habe dann erinnert und erfuhr:

"...wir haben bislang leider keine weiter führenden Informationen aus Frankreich bekommen.

Ich gehe davon aus, dass es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, zu dem im Moment - vermutlich auch im Rahmen einer gerichtsverwertbaren Beweissicherung - keine Details kommuniziert werden können/dürfen.

Sobald wir mehr wissen, werden wir auch Sie schnellstens informieren...."

Dieses Mal schrieb Thomas May-Englert, Leiter Produktpresse. - Merke: ein "schwebendes Verfahren" ist immer gut. Für die Firma. Weil man nichts mehr sagen muss. - Als ich dann  nach Wochen immer noch nichts hörte, habe ich noch einmal nachgefasst. Und erhielt folgende Antwort:

"...inzwischen wissen wir, dass wir vermutlich erst im Januar ein "amtliches Untersuchungsergebnis" bekommen werden.

Das hat ganz sicher nichts mit einem Schuldeingeständnis - von welcher Seite aus auch immer - , sondern mit den rechtlichen Gegebenheiten in Frankreich zu tun.
...

Wir können das Fahrzeug nicht selbst untersuchen, also müssen wir uns mit der gegeben Situation abfinden.

Und wenn wir was Genaueres wissen, informieren wir nach bestem Wissen und Gewissen."

Da Renault mir nicht geschrieben hat, in welchem Januar (also welches Jahr), habe ich - wie Sie auch den obigen Fotos entnehmen können - meine eigenen Überlegungen - und Versuche angestellt. Das auf der Basis der SPIEGEL-Geschichte. Und da war folgendes zu lesen:

"Mal wollte er die Zündschlüssel-Karte gezogen haben (was bei dem betreffenden Fahrzeug nicht bewirken würde); mal sagte er, er habe den Motor letztlich mit der Bremse abgewürgt (was technisch möglich wäre). In Wahrheit entbehrt die Horrorfahrt ohnehin jeglicher Plausibilität. Selbst für den Fall, dass ein Tempomat sich nicht abschalten lässt, kann jeder Pkw auch ganz ohne elektronische Hilfe abgebremst werden: Es genügt die Kupplung zu treten oder den Automatik-Wahlhebel auf 'N' zu stellen, um den Motor vom Antrieb zu entkoppeln. Zudem brächte ein Tritt auf die Bremse, die hydraulisch funktioniert und bei jedem Pkw weitaus stärker ist als der Motor, den Wagen stets auch gegen die Antriebskraft zum Stehen."

Soweit die SPIEGEL-Überlegungen und -Darstellungen.

Zur Zündschlüsselkarte: die lässt sich nicht während der Fahrt heraus ziehen. Wie oben auf dem Foto zu sehen, wird sie im Inneren des Schachts von einer "Kralle" festgehalten. Sie wird erst freigegeben, wenn das Fahrzeug steht und der Motor im Leerlauf dreht.

Zum Bremsen und Abwürgen: ich glaube schon, dass der Marokkaner den Motor schließlich abgewürgt hat. Aber... - dazu später mehr.

Und den Wahlhebel der Automatik auf "N" stellen: eine gute Idee. Das bedeutet allerdings den Totalschaden beim Motor, der nämlich - weil ohne Last - sofort hoch- und überdreht. Da schützt auch nicht ein "Begrenzer".

Wenn das aber nun mit dem Bremsen funktioniert - schließlich und endlich - warum hat der Fahrer das dann nicht gleich versucht?

Sie können das auch mal bei Ihrem Fahrzeug versuchen: Sie bleiben mit dem einen Fuß auf dem Gas, gehen - vorsichtig bitte - mit dem anderen Fuß auf die Bremse. Bitte bei niedriger Geschwindigkeit. - Das geht? - Prima!

Nun stellen Sie sich vor, dass Ihr Automobil nahe zwei Tonnen wiegt, von einem drehmoment- und leistungsstarken Motor oberhalb von 130 km/h beschleunigt wird. Da ist der Eindruck zunächst automatisch der, dass es die Bremse nicht so richtig tut. Und was machen Sie dann? - Sie pumpen mit dem Fuß. - Und dann? - Dann wird in der Praxis das Bremspedal "ganz hart". Sie müssten jetzt unheimlich hart zutreten, wenn Sie noch Bremswirkung verspüren wollen. - Was da passiert?

Die Situation ist also folgende, dass das Fahrzeug beschleunigt - voll - und Sie pumpen beim Bremspedal... somit pumpen Sie das Vakuum im Bremskraftverstärker ab, das dieser benötigt um Ihre Pedalkraft zu verstärken. Deshalb das harte Pedal. Da die Drosselklappe aber offen ist, kann der Bremskraftverstärker kein neues Vakuum ziehen. - So lange die Drosselklappe voll (!) geöffnet ist, gibts kein neues Vakuum!

Nun war der Marokkaner sicherlich nicht technisch vorgebildet. Den muss das "harte Bremspedal" überrascht haben, wie eigentlich jeden von uns in einer solchen Situation. Also folglich gibt man einen, den ersten, Bremsversuch zunächst einmal auf. Kommt dann aber eine Mautstelle auf einen zu... - und wenn man mit dem Mut der Verzweiflung zutritt, praktisch wie ein Pferd: das geht!

Mir scheint die Darstellung des Ablaufs glaubhaft, wenn mich auch die Zeit, die der Gesamtablauf benötigte, ein wenig stört. - Aber dann passiert folgendes: Ich habe in dieser Sache viele Gespräche mit vielen Leuten aus der Branche geführt und es passiert, das sich...

...ein Mann meldet - ganz aktuell. Auch kein Renaultfahrer, aber einer, der seinen eingebauten Tempomaten ständig nutzt. Er ist viel im Ausland auf Autobahnen unterwegs und kann gut auf Anzeigen wegen Geschwindigkeitsübertretung verzichten. Da macht sich denn der evtl. Aufpreis für den Tempomaten bezahlt.

Nun war er wieder mit Tempomat unterwegs, hatte einer Verkehrssituation wegen herunterbremsen müssen und beschleunigte wieder auf die programmierte Autobahngeschwindigkeit. Mit einer Taste, wie wir sie - ähnlich der oben im Foto - von Renault kennen. Aber der Motor beschleunigte voll weiter. Da kommt, wie er mir bestätigen konnte, schon ein wenig Panik auf. Denn auf den normalen Autobahnen ist nicht unbedingt so wenig Verkehr, wie auf manchen französischen. Das mit dem Bremsen - als ersten Versuch - hat er dann so erlebt, wie von mir geschildert. Dann hat er zum Zündschlüssel gegriffen (den gibts noch bei diesem Fabrikat) und den Motor damit abgestellt. (Aber bitte niemals den Zündschlüssel während der Fahrt abziehen!)

Dann ist er rechts ausgerollt, hat erst einmal tief durchgeatmet, dann seinen Händler angerufen, der ihm geraten hat, das Auto stehen zu lassen. Aber der Mann wollte nach Hause. So hat er die Sache mit dem Tempomat noch einmal versucht und - "der ging wieder durch". - Also wieder Zündschlüssel drehen - alles wie vorher. - Nun schon ganz souverän.

Am nächsten Tag ist das Fahrzeug in seiner Vertragswerkstatt gleich still gelegt worden. Man hat dem Unglücksraben ein anderes Fahrzeug gegeben und sein Fahrzeug mit dem wohl schadhaften Tempomaten wurde per Transporter ins Herstellerwerk geholt. Hier konnte man den Fehler einwandfrei im Fehlerspeicher auslesen. (Meine Frage an Renault war wohl nicht so dumm.) Aber man konnte keinerlei Fehler im elektronischen oder mechanischen System ermitteln. Alles war, wie es sein musste. Aber dann, bei einer der vielen Testfahrten im Werk, ist der Tempomat wieder "durchgegangen". Also war der Fehler - wie auch immer - reproduzierbar. Er war auch wieder im Fehlerspeicher auslesbar. Aber es war kein Defekt festzustellen.

Nun hat man das Fahrzeug inzwischen auf ein Werktestgelände überstellt und wird ausgedehnte Versuchsfahrten und Überprüfungen vornehmen. Ich werde sicherlich vom Ergebnis hören. Und ich werde Renault auch gerne informieren, was man denn bei der "Konkurrenz" - bei dem gleichen Vorgang wie beim "Vel Satis" - als Ursache festgestellt hat. - In diesem neuen Fall (ohne Medien und Fernsehen) weiß man inzwischen beim Hersteller, dass der Kunde kein Märchen erzählt hat. - Nichts ist unmöglich! -

Vielleicht muss man bei Renault noch lernen: Horrorfahrten mit Tempomat sind möglich!

Und was die ABS-Lücken betrifft: Es gibt noch mehr davon, solche, von denen noch niemals gesprochen wurde.

Wir machen uns unseren Horror selber. Mit "Innovationen" - Gegen Aufpreis natürlich.

MK/Wilhelm Hahne


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