Thema: Moderne Automobile - Motorräder - Datenspeicher - Datenschutz im Jahre 2005

Ich bin im Laufe der letzten Jahre immer wieder mit dem Thema konfrontiert worden, ohne es richtig zu begreifen. Aber das geht offensichtlich nicht nur mir so. Beim Entwickeln einer Themenliste für die ersten Wochen des neuen Jahres (ohne Vorlagen-Nutzung von Pressemitteilungen und Vorstellungs-Events) habe ich dann mal versucht, meine Gedanken zu diesem Thema zu Ende zu denken. Ich habe bei mir viele Lücken entdeckt. Auf der anderen Seite kenne ich zu viele Fälle, die Stoff zu obigem Thema liefern. Und so habe ich dann auch zwei Briefe geschrieben, um mich schlauer zu machen. Die Antworten habe ich jetzt vorliegen. Das Ergebnis ist - aus meiner Sicht - nicht befriedigend. Nun möchte ich meine Leser mit dem Stand der Dinge vertraut machen und sie bitten, sich doch dann bei mir mit eigenen Erlebnissen zu melden, wenn sie etwas zu dem Thema (s.o.) beitragen können. Da ich mir ein wenig vorkomme, wie ein kleines Kind, das viele Fragen stellen muss, um irgendwann mal das Leben zu begreifen, habe ich versucht auf diesem Niveau auch einen Kinderreim zu finden, der als Titel für die nun folgende Geschichte taugt. Sehr schwer. "Petersilie Suppenkraut, wächst in unserem Garten. Gottschalk ist die schönste Braut, soll nicht länger warten." - Klingt schön, wurde aber von mir als "unpassend" verworfen. Ja, wenn Gottschalk eine Frau wäre... - Also ein anderer Reim? - "Plum, pum, plum, der Plumpsack geht herum. Wer sich umdreht oder lacht, kriegt den Buckel voll gemacht." - Auch nicht gut. - Vielleicht müsste man ja mal für moderne Kinderreime moderne Vorlagen schaffen. Wie wäre es mit:

Aua, aua, aua - bist du ein kleiner Datenklau-a?

05-01-20/04. - Wenn ich an Fehlerspeicher und ihre Bedeutung für das Automobil denke, muss ich auch an Opel denken. Ich weiß nicht, wie viele Astra-Besitzer mir im Laufe der letzten Jahre erzählt haben, dass sie eine neue "Blackbox" (Steuergerät) für ihr Fahrzeug bekommen hatten. Kostenpunkt so um 1.500 Mark. In letzter Zeit ist da aber still geworden.

Was mich denn auf die Idee brachte, einmal bei Opel um Testwagen zu bitten. Bei meiner letzten Testserie - vor Jahren - war mir in einem Opel Astra in 14 Tagen auch ungefähr vierzehnmal das ESP ausgefallen. (Ein leitender Opel-Mitarbeiter, dessen Namen ich hier nicht nenne, um ihn nicht in Ungnade fallen zu lassen, sprach von "Schaltungsproblemen".) Und bei einem anderen Opel Testwagen, schaltete der Motor - aus meiner Sicht ohne jeden Grund - einen Zylinder ab, was auch im Fehlerspeicher auszulesen war. Der Opel-Kundendienst wollte dann das Steuergerät austauschen. Da es sich aber um einen Turbomotor handelte, der nur sehr knapp im Motorraum Platz fand, hätte eine solche Aktion mehr als einen Tag gedauert. Und ich hatte keine Zeit.

Also habe ich den Werkstatt-Meister gebeten, doch einfach den Datenspeicher zu löschen. Und wenn es denn ein richtiger Opel wäre, dann hätte das Fahrzeug dann auch vergessen, das jemals ein Fehler vorgelegen hat. - Und so war es dann auch. Das Fahrzeug lief ohne neues Steuergerät wieder einwandfrei.

Ich habe natürlich Opel über die Vorfälle informiert. Vielleicht erhalte ich darum auf meine aktuelle Testwagenanforderung (aus diesem Jahr) keine Antwort. Um nicht missverstanden zu werden: man verweigert mir nicht etwa Testfahrzeuge, sondern man beantwortet meine Anfrage einfach nicht. Weder mit Ja noch mit NEIN. Mich hat man nicht nötig. Ich schreibe ja vielleicht sogar auf, was ich feststelle. Wie unangenehm. Zumal ich die Testkosten (Abholen, Wegbringen, Benzinkosten) selbst trage. Das macht mich unabhängig. Viele Kollegen sind da "abhängiger". (Frank Klaas, der Kommunikations-Chef-Stratege der Rüsselsheimer, wird das aus eigener Erfahrung wissen.) - Dieses Opel-Testwagen-Thema wird aber noch einmal in den nächsten Wochen von mir aufgegriffen werden. -

Ich denke, dass so - entsprechend meiner Erfahrung - eine Reihe von Opel-Besitzern eigentlich ohne Grund um ihr Erspartes gebracht wurden. Ich habe auch andere Spielchen von Kfz-Werkstätten mit ihren Kunden erlebt, in denen auch der Fehlerspeicher eine Rolle spielte. Unter Ausnutzung der dort angezeigten Daten... - Machen wir es in diesem Falle kurz: fehlgeschlagen.

Und dann sind mir Fälle untergekommen wie der (über den ich aber bereits geschrieben habe): Einem Fahrzeugbesitzer, dessen Bremsscheiben nach wenigen tausend Kilometern ersetzt werden sollten, nachdem sie total abgenutzt waren, sollte diese Kosten tragen, weil - wie ihm ein Werksbeauftragter vorhielt - sein ABS in der relativ kurzen Zeit zu oft, und das ESP ebenso übertrieben oft zum Einsatz gebracht zu haben. (Er nannte exakte Zahlen, die aus einer "zweiten Ebene" des Datenspeichers ausgelesen hatte!) Und das kostet Bremsenmaterial. Und nun solle der Kunde zahlen. - Merke: wer nicht bestellte (weil serienmäßig verbaute) Sicherheitssysteme nutzt, muss aus deren Nutzung auch die Konsequenzen tragen: Zahlen, zahlen, zahlen! - Nun, darum geht es doch.

Nun, der Kunde hat nicht gezahlt. Der Hersteller hatte, um Aufsehen zu vermeiden, nachgegeben. Aber er  hat danach - in der laufenden Serie - den ESP-Einsatz neu geregelt. Merke: Etwas weniger Sicherheit bringt mit Sicherheit weniger Ärger.

Ich kenne einen anderen Fall, wo dem Fahrer zu seiner Überraschung vorgehalten wurde, dass im Laufe von wenigen tausend Kilometern sein ABS-System "fünf Minuten" zum Einsatz kam. Wenn man weiß, wie kurz die ABS-Eingriffe sind... - Woher der Kundendienstmann das wusste? - Nun - aus dem Datenspeicher. Und mit einem modernen Bit-Sauger... -

In einem weiteren Fall werden dem Kunden die ausgelesenen Daten erst gar nicht genannt. Und es gibt eine wunderhübsche Erklärung des Werk-Beauftragte... - Den Text gibt es ein paar Zeilen später.

Weil ich eigentlich ein wenig Aufklärung wollte, habe ich nämlich Anfang des Jahres den Bundesbeauftragten für Datenschutz angeschrieben. Und da kommt dieser Text auch vor. - Also nun mein Brief (exakt: ein e-mail):

Betrifft: Fehlerspeicherinhalt bei modernen Automobilen und Motorrädern

Sehr geehrter Herr Schaar;

ich bin Motorjournalist (freier Journalist, im DJV, seit Jahrzehnten tätig) und bei aktuellen Recherchen auf folgendes Problem gestoßen:

in modernen Kraftfahrzeugen aller Art sind sogenannte Fehlerspeicher installiert, in denen u.a. auftretende Fehler im Betrieb registriert und gespeichtert werden. Aber nicht nur. So ist z.B. nach meinem Informationsstand auch (auf einer nur dem Hersteller zugänglichen Ebene?) das Auslesen von normalen Betriebsdaten (wieviel ABS-Einsätze wurden durch den Fahrer - und seine Fahrweise - gefordert, wie oft musste das ESP eingreifen, usw.) möglich.

Nun hat ist das jeweilige Kraftfahrzeug im Besitz seines Käufers, der auch oft der Fahrer ist. Damit ist der Fehlerspeicher auch Eigentum des Nutzers. Und der Nutzer schafft die Daten. Es sind persönliche Daten, auf die er selbst aber keinen Zugriff hat. Die Daten sind nur mit Spezialgeräten auslesbar. Dieses ausgelesene Ergebnis wird aber in vielen Fällen dem Besitzer nicht ausgehändigt, noch nicht einmal zugänglich gemacht. Die Einsicht wird dem Besitzer des Kraftfahrzeuges schlicht verweigert. Und evtl. alle ausgelesen Daten gegen ihn verwendet. Ohne dass der Kunde eine Möglichkeit hätte, dagegen etwas zu unternehmen.

Nach meiner Ansicht hat der Kunde diese Daten selbst geschaffen und sind eigentlich sein Besitztum. Das Auslesen dürfte eigentlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Fahrzeugbesitzers erfolgen und die Daten müssten ihm dann zumindest in Kopie überlassen werden.

Wie ist hier - nach Ihrer Kenntnis und Auffassung - die Rechtslage?

Mir liegt z.B. in einem aktuellen Fall der Text des Schreibens eines Fahrzeugherstellers vor, der die Nichtherausgabe der Daten an den Fahrzeugbesitzer wie folgt begründet:

"....Dass Sie Prüfprotokolle (gemeint sind hier sicher die Messprotokolle der Systemdiagnose des ABS) nicht ausgehändigt bekommen, hat einen sehr einfachen Grund: Eine sinnvolle Interpretation ist nur für die Fachwerkstatt möglich, aber nicht für den Kunden, dem dazu die notwendigen Kenntnisse und Informationen fehlen. Vielleicht hilft Ihnen eine analoge Betrachtung zum Verständnis: Sie bekommen von einem Arzt i.d.R. auch nicht die Messkurven eines EKG ausgehändigt, weil Sie als medizinischer Laie nicht in der Lage sind, die Messkurven richtig zu interpretieren. Und Fehlinterpretationen würden nur Verunsicherung erzeugen. Sie sollten einer "XXX"- Fachwerkstatt schon auch vertrauen. ..."

Finden Sie diesen Vergleich überzeugend? - Mein Arzt hat mir meine Daten z.B. bisher immer gezeigt, mir sie auf Wunsch auch ausgehändigt, nachdem er mir sie aufgrund seines Wissensstandes interpretiert hatte. So hatte ich die Gelegenheit, evtl. auch einen anderen Fachmann zu konsultieren.

Meines Erachtens besteht hier - auf diesem Gebiet - eine Rechtsunsicherheit, die eindeutig geklärt werden müsste, wenn das aufgrund der vorhandenen Gesetzestexte (die ich in ihrer Fülle natürlich nicht kenne) bisher nicht möglich ist.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die hier entstandenen Fragen in Ihrem Hause möglichst schnell klären könnten.

Oder sind meine Fragen eigentlich überflüssig, da sie durch die Gesetzestexte eindeutig beantwortet werden? - Was ist dann Ihre Antwort und Argumentation?

Es wäre nett, wenn Sie mir in dieser Sache zumindest einen Zwischenbescheid kurzfristig zukommen lassen würden, aus dem sich eine aktuelle Situationsbeschreibung ableiten lässt.

Mit freundlichen Grüßen aus der Eifel

Ich habe aber gleichzeitig eine ähnliche Anfrage (gekürzte Fassung) an den VDA, Verband der Automobilindustrie, z.Hd. seines Präsidenten, Prof. Gottschalk, gerichtet. Hier bekam ich in diesen Tagen eine Antwort:

Sehr geehrter Herr Hahne,

Herr Prof. Gottschalk hat uns mit der Beantwortung Ihrer Frage beauftragt.

Bei On Board-Diagnosen werden Fehlersituationen in den einzelnen Steuergeräten im Fahrzeug abgespeichert. Dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf servicerelevante Daten, so dass der Werkstattservice optimal auf eventuell auftretende Probleme des Kunden reagieren kann. Es werden nur Daten gespeichert, die bei einer Fehlerdiagnose bzw. Fehlerbehebung von Bedeutung sind.

Ein Beispiel ist eine erkannte Unterspannung im elektronischen System, wodurch die Werkstatt auf eine schwache Batterie schließen kann und diese dann austauscht.

Die Daten werden lediglich zur Diagnose der Fahrzeugsysteme bei der Fahrzeugwartung oder Reparatur genutzt.

Die Nutzung von gespeicherten Daten im Fahrzeug geschieht somit ausschließlich, um dem Kunden bei der Diagnose zu helfen.

Mit freundlichen Grüßen
VERBAND DER AUTOMOBILINDUSTRIE

gez. Dr. T. Schlick i.V. H.T. Ebner

Der Datenschutzbeauftragte hatte sich aber schon vorher bei mir gemeldet:

Fehlerspeicherinhalt bei modernen Automobilen und Motorrädern
Ihre E-Mail vom 02.01.2005

Sehr geehrter Herr Hahne,

vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich mit Interesse aufgenommen habe.

Der von Ihnen geschilderte Sachverhalt und ein damit einhergehender möglicher Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen war mir bislang nicht bekannt. Daher werde ich zunächst das für die Kfz-Typgenehmigung zuständig Kraftfahrt-Bundesamt um Information und Stellungnahme bitten.

Dies kann erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen. Sowie sich neue Informationen ergeben, werde ich Sie informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ich habe nun meinerseits - ganz aktuell - den Bundesbeauftragten für Datenschutz über die Aussagen des VDA informiert. Die Sache läuft also.

Nun wäre es gut und für alle Beteiligten hilfreich, wenn mir aus meinem Leserkreis noch weitere Fälle genannt werden könnten, die unterstreichen, dass hier noch eine Gesetzeslücke besteht, die im Interesse der Käufer und Nutzer von modernen Automobilen und Motorrädern geschlossen werden müsste.

Denn so spaßig wie mein Kinderreim (ganz oben) ist die Sache eigentlich nicht.

MK/Wilhelm Hahne

PS: Ich habe in meiner Geschichte keine (der mir bekannten!) Firmennamen genannt, weil die für die Sache unerheblich sind. Jeder Automobil- und Motorradhersteller ist hier betroffen. - Die Namen wären austauschbar.


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