17. Januar 2005: Der Tag der Wahrheit - und der journalistischen Niederlage - und was danach kommt

Es gibt dem Ganzen so einen internationalen Touch. Einen deutschen Vorstandsvorsitzenden interviewt man irgendwo auf einem anderen Erdteil. Von Köln oder München nach Wolfsburg wäre es zwar nicht so weit wie z.B. nach Detroit, aber Detroit macht mehr her. Und da erhält dann jeder der Interviewer die Antworten auf seine Fragen, die er gerne hören möchte. Schließlich ist der Mann - oder die Dame - den weiten Weg gekommen. - Wie hätten Sie's denn gern? - Und so kommt es dann ganz darauf an, welches Medium der geneigte Leser am Montag, dem 17. Januar 2005 in die Hand nimmt: zwar ist das jeweilige Interview in jedem Falle in Detroit gemacht, aber wohl zu unterschiedlichen Tageszeiten. Weil die Grundstimmung des Interviewten sich wohl verändert hatte. Vielleicht war zwischen den zwei Interviews auch schon etwas von den Ford-Absichten ruchbar geworden. Da musste man denn kontern. Leider unüberlegt. - Aber vereint war man dann Tage später in der Einstellung, dass es der Billig-Dacia durch die gerade bekannt gewordene Rückrufaktion... - Aber selbst hier klafft eine...

Lücke zwischen Traum und Wirklichkeit

05-01-20/05 - Bis zu diesem 17. Januar 2005 wusste man von VW nur, dass die Wolfsburger ein bereits in Südamerika gebautes und dort vermarktetes Automobil, den "Fox" zu einem Preis von oberhalb 8.000 Euro (mehr als 16.000 Mark) nach Deutschland bringen würde. Unter 8.000 Euro hatte Dr. Pischetsrieder den Kauf eines guten Gebrauchtwagens empfohlen. Und er sprach dem Herrn Prof. Hans-U. Wiersch in Detroit zur von VW verfolgten Philosophie ins Mikrophon: "Potentielle Konflikte sehen wir eher in der von Ihnen in 'PS Automobil Report' beschriebenen Geiz-ist-geil-Mentalität und niedrigen Preisen, die dann zulasten von Sicherheit und Umwelt gehen. So etwas würde es bei VW nicht geben."

Und der von "PS Automobil Report" schon seit Wochen wegen seiner "Sicherheitsmängel" angegangene Dacia Logan stand sozusagen unausgesprochen im Raum.

Jedenfalls so lange, bis die Dame von "Focus" kam. Der sprach der gleiche Dr. Pischetsrieder ins Micro, dass er die Südostasien-Region "mit Volkswagen-Modellen, aber auch mit Proton-Autos auf VW-Technik beliefern wolle." Und ließ seine Begeisterung für die eigenen Entscheidungen mit der Aussage spüren: "Es soll ein kleines, kostengünstiges Auto werden, mit Herstellkosten von 2.300 Euro." - Oh! - Mit ABS, ASR, Front- und Seitenairbags, Bremsassistenten und ESP? - Vielleicht gibts ja dann den Motor gegen Aufpreis. Weil so ein Auto ohne Motor sicherer ist. Und:

Seit wann nennt ein Vorstandsvorsitzender "Herstellkosten"? So kann man dann sehr leicht - später einmal - das "normale" Kalkulationsschema des VW-Konzerns ergründen. Abgesehen davon, dass VW mit einer solchen Partnerschaftsentscheidung für Proton diese Firma in unseren Breiten erst gesellschaftsfähig macht. Als Konkurrenten von VW.

Bernhard Mattes von Ford ging aber an diesem 17. Januar an all' seinen Konkurrenten vorbei mit der Meldung in Führung:

Von sofort an bietet der Kölner Autohersteller das neue Modell Ford Ka Student für einen Preis ab 7990 Euro an. "Mit diesem Angebot sind wir als erster deutscher Hersteller in dieser Preiskategorie auf dem deutschen Markt", sagte Ford-Chef Bernhard Mattes. Mattes erklärte die Ford-Entscheidung:: "Wir unterstreichen damit, dass wir in der Lage sind, flexibel und schnell auf wechselnde Kundenwünsche und ein wettbewerbsintensives Marktumfeld zu reagieren."

Wochen vorher hatte er noch erklärt, dass man sich bei Ford nicht durch ein Billig-Auto, wie den Dacia Logan, unter Druck setzen lassen würde. Die Ford-Entscheidung beweist: der nicht vorhandene Druck hat schon zu einer Vernunftentscheidung ausgereicht. Wie leistungsfähig wäre man wohl bei Ford, wenn man unter richtigen Druck geriete?

Wobei man sich daran gewöhnen muss, in Verbindung mit dem Namen Ford nicht mehr von einer AG zu sprechen. Die gibt es nicht mehr. Die neue Bezeichnung lautet:

Ford-Werke GmbH
Henry-Ford-Str. 1
50725 Köln

Sie erreichen das Ford-Team unter folgenden Telefon- und Fax-Nummern:
Tel.: 0221 903-3333 (Mo–Fr: 7:30 bis 17:00 Uhr)
Fax: 0221 903-2869

Die neue Firma ist im Handelsregister des Amtsgerichts Köln unter HRB 54183 eingetragen

Vertretungsberechtigt sind gemäß Handelsregister: Vorsitzender der Geschäftsführung Bernhard Mattes, Albert Lidauer, Dr. Hermann H. Hollmann, Derrick M. Kuzak, Rainer Ludwig, Bernd Rose, Dr. Wolfgang G. Schneider.

Und es gibt auch eine Umsatzsteuer-Identnummer: USt-Id-Nr. DE-122 65 36 11

Eine kleine GmbH kann also auch kleine Automobile zum kleinen Preis liefern. Aber den KA "Student" - so die Modellbezeichnung - nur in Blau. Immerhin serienmäßig mit ABS, Front- und Seitenairbags und Servolenkung ausgestattet. ESP zählt Ford also nicht zu den notwendigen Sicherheits-Standards, da Ford GmbH-Geschäftsführer Mattes noch Ende Dezember 2004 erklärte, dass Ford nur Autos in Deutschland und Europa anbieten werde, "die unseren Sicherheitsstandards entsprechen".

Und dann kam der 19. Januar 2004, an dem die Pischetsrieder-Fraktion jubeln konnte. Es wurde ein Rückruf des Dacia Logan vermeldet. Und man berief sich da auf eine Meldung der rumänischen Nachrichtenagentur "Mediafax". Die vermutete: "Grund für die Rückrufaktion bei der rumänischen Renault-Tochter seien Fehlfunktionen im Bordcomputer und Kabelsätze, die möglicherweise zu Fehlfunktionen des Motors führen."

SPIEGELonline vermeldete: "Im September erhielten die ersten Rumänen das Billigauto von Renault. Nun müssen Kabel und Bordcomputer von mehr als 15.000 Dacia Logan überprüft werden."

"Wasser auf die Mühlen" der deutschen Konkurrenz und deren Mitläufer.

Aber was war wirklich passiert? Über die Renault-Presseabteilung war schnell und leicht zu recherchieren. Eigentlich hat diese Abteilung (noch) nichts mit dem Fahrzeug zu tun, weil das Fahrzeug erst Mitte dieses Jahres eingeführt wird. Die als "fehlerhaft" von dem deutschen Medien beschriebenen Dacia Logan  wurden im Zeitraum von Ende August bis Ende November 2004 hergestellt. Tatsache ist: die Fahrzeuge selbst sind eigentlich gar nicht fehlerhaft. Fehlerhaft - im Sinne von "sicherheitsrelevant" - sind nur die beigelegten Wagenheber, wo beim Anheben des Fahrzeugs ein Bolzen brechen kann.

Das Problem für den deutschen Importeur ist nur, dass von den in Rumänien gebauten - und auch dort ausgelieferten - Fahrzeugen ein paar tausend irgendwo in Europa verschwunden sind. Grauimport. Und nun muss z.B. der offizielle deutsche Importeur (der noch nicht importiert hat) das KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) bitten, über die evtl. Zulassungen die Grauimporte in Deutschland aufzuspüren.

Wenn die Fahrzeuge aber nun zu einem Wagenheber-Austausch schon in der Werkstatt sind, hat der Hersteller die Werkstätten gebeten, bei dieser Gelegenheit einmal nach der richtigen Kabelverlegung im Motorraum zu schauen. Da könnten um 3.000 Automobile  betroffen sein. Oder nicht. Ein Kabelstrang könnte da scheuern, durchscheuern und verschmoren. - Eine Brandgefahr besteht nicht, wie mir ausdrücklich versichert wurde.

Bei weiteren um 3.000 Fahrzeugen könnte es sein, dass in bestimmten Drehzahlbereichen ein "Schnattern" im Bereich des Luftfilters zu hören ist. Das liegt dann daran,  dass das Steuergerät nicht exakt programmiert ist. Es wird dann neu programmiert, damit das "Schnattern" verschwindet.

Eigentlich klar, dass bei einem Billig-Auto wie dem Dacia nicht Elektronikschäden auftreten können, wie sie bei der Mercedes E-Klasse scheinbar an der Tagesordnung waren. Premium-Preise, Premium-Ausstattung, Premium-Schäden, Premium-Rückrufe. Aber immerhin "Made in Germany".

Da können die Rumänen tatsächlich nicht mithalten. Nur ein Wagenheber. - Billig eben.

Trotzdem darf man auf so manchen Kommentar so mancher Steigbügelhalter für innovative Elektronik deutscher Hersteller gespannt sein.

Noch einmal eine Zusammenfassung von allen Billig-Angeboten die es schon gibt oder  bald geben wird:

VW führt die Billigheimer mit einem Herstellungspreis von 2.300 Euro an. Das Fahrzeug soll aber nur in südostasiatischen Raum geliefert werden.               

Der Dacia Logan folgt mit einem Preis von um 7.500 Euro - ab Mitte des Jahres bei uns lieferbar.

Ford liegt im So des Logan mit dem KA und einem Preis von 7.990 Euro.

Kia ist in diesem Preissegment mit Grauimporten (Picanta) auf dem gleichen Preisniveau vertreten.
(Dieses Modell verlor einen Vergleichstest in "ams" nur knapp, weil kein ESP lieferbar ist und nach Aussagen eines Redakteurs mir gegenüber "bei uns kein Automobil einen Vergleichstest mehr gewinnt, das kein ESP hat".)

VW wird dann in dieser Preisregion mit dem Fox konkurrieren.

Lernen kann man aus dieser Geschichte, dass man keinem Offiziellen mehr jedes Wort glauben kann. Der eine gibt ein Gefälligkeits-Interview, der andere macht es. Und es wird keinen Ärger geben, weil der eine ohne den anderen nicht kann. Jedes Theater braucht seine Calqueure. Und unsere Branche, die sogenannte Automobilwirtschaft, ist derzeit ein einziges Theater. Jeder der dort tätigen Schauspieler spricht seinen Text, nennt die Zahlen, die dazu ins Bild passen, Zahlen die man evtl. (z.B. über Tageszulassungen) selbst konstruiert hat.

Wichtig ist, sich selbst Mut zu machen. Und den bestätigt zu bekommen. Damit aus einem gekünstelten Optimismus bald wieder ein Stück gelebte Wirklichkeit wird. - Aber davon sind wir noch ein paar Ellen entfernt.

Zunächst gilt es, die Lücke zwischen Traum und Wirklichkeit abzubauen.

Oder was meinen Sie, Herr Prof. Dudenhöffer? - (Weil der zu Allem alles sagt.)

MK/Wilhelm Hahne


Jetzt sind Sie gefragt!

Ihre Meinung zu obigem  Beitrag
können Sie mit einem Klick
und ein paar Sätzen loswerden:
Senden Sie mir ein e-mail

Danke, für Ihre Mitarbeit!