Zulieferer Brose: Über die Recherchen zu "keiner Geschichte" über elektrische Fensterheber

Eigentlich gibt es zu jeder Geschichte, die wir in den Medien wahrnehmen, irgendeine Ausgangsbasis. Mehr und mehr sind das Pressmitteilungen der Industrie oder anderer "interessierter Kreise". Und die Presse hält sich normalerweise auch an den "normalen Weg". Der führt grundsätzlich über die Presseabteilungen. Direkte Kontakte zu denen, die ich mal als Fachleute bezeichnen würde, sind nicht erlaubt. Zwar hat man in den jeweiligen Presseabteilungen oft auch keine Ahnung von den Themen die gefragt sind, aber die verschafft man sich dann, indem man intern die Fachleute anspricht, die man als Journalist nicht ansprechen darf. Mit dem Unterschied, dass dann nicht unbedingt alles weiter gegeben wird, was die Fachleute sagen. Nur das wird weiter gereicht, was in das Konzept, die Art der Darstellung, in die Politik, die Philosophie, die Marketing-Idee der jeweiligen Firma passt. Und manchmal wird dann auch - fast erstaunt - zurück gefragt:

"Wie sind Sie darauf gekommen?"

05-09-12/05. - Eigentlich war die Frage in mir über Jahre gewachsen. Sie lautete ursprünglich einmal: Wie sinnvoll sind elektrische Fensterheber. Und so habe ich dann bei jeder Gelegenheit - auch z.B. samstags auf dem Supermarkt-Parkplatz - mit Autofahrern über ihre Erfahrung mit Fensterheber gesprochen. Und wie sie diesen Fortschritt empfinden.

Erste Feststellung: Man denkt sich bei einem elektrischen Fensterheber eigentlich überhaupt nichts mehr. Der ist normal geworden, Standard eben. Alles andere ist primitiv.

Bis dann eine Störung auftritt und Kosten entstehen. Und dann spricht man auch über Fensterheber. Plötzlich denkt man darüber nach, ob auch "manuelle Fensterheber" (solche mit der Kurbel) so hohe Ersatzkosten entstehen lassen würden. Aber hätte nicht auch der Hersteller schon manuelle Fensterheber eingebaut, wenn die preiswerter gewesen wären?

Sie sind für den Hersteller nicht billiger. Zu viel Einzelteile, zu große Montagezeiten und -Kosten. Vormontierte elektrische Fensterhebersysteme sind da kostengünstiger. Und die eventuell später für den Kunden auftretenden Kosten - Unwesentlich, unbedeutend. - Das ist dem Kunden zuzumuten. Elektrische Fensterheber bedeuten für den Kunden Komfort. Komfort kostet immer Aufpreis. Beim Neukauf eines Automobils gehen die Kosten im Gesamtpreis unter, werden nicht wahrgenommen. Und später?

Eine VW-Fahrerin stöhnt, dass sie einschließlich der Montagekosten für den Austausch des Motors für den Fensterheber rund 200 Euro bezahlt habe. Auf der Fahrerseite. Dann müsste auch bald der Motor auf der Beifahrerseite fällig sein. Wieder 200 Euro. - Und sie sagt: "Das wären dann 800 Mark für zwei Hände voll Motor."

Und ihre Hände beschreiben die Größe des als Ersatz beim VW-Händler verbauten Motors. "So klein war der." - Wenn sie sich recht erinnert, hat er um 130 Euro gekostet. Der Rest (zu 200 Euro) waren die Montagekosten.

Nun habe ich im Laufe der Zeit viele VW-Fahrer kennen gelernt, bei denen die Fensterheber versagt hatten. Und dann bin ich auch auf eine Reihe von Megane-Fahrern gestoßen, bei denen ebenfalls die Fensterheber defekt wurden. Lässt man mal die Fahrzeuge - und ihr Baujahr - Revue passieren, dann muss es sich hier um ganze Serien handeln.

Nun wollte ich nicht nach irgendeinem Zulieferer suchen. Eigentlich ist es egal, wer die Systeme für Golf und Megane fertigte. Ich wollte mal einen Zulieferer nach den Gründen für einen "reihenweisen" Ausfall fragen, der im Markt von Bedeutung ist. Und so bin ich auf Brose gekommen. "Partner der internationalen Automobilindustrie für Komponenten und Systeme in Türen und Sitzen", heißt es auf der Brose-Internetseite. - Hier bin ich also richtig.

So habe ich am 9. Juni 2005 ein e-mail an die Kommunikationsabteilung dieser Firma gerichtet. Ich schrieb damals:

"Sehr geehrter Herr Reinhardt,
ich arbeite als freier Journalist auf dem Sektor Automobile.
Obwohl ich keine statistischen Erhebungen anstelle, ist mir aufgefallen, dass es bestimmte Fabrikate (Modelle) gibt, die von Schäden an den o.g. Systemen besonders betroffen sind.
VW Golf: hier gibt es Besitzer, die Mehrfachschäden in der Zeit ihrer Nutzung vermelden können.
Skoda: hier gibt es ähnliche Feststellung wie beim Golf.
Audi: ist nach meinen Feststellungen dagegen nicht so betroffen.
Renault Megane: hier ist bei mir eine ganze Serie "auffällig" geworden. Bei neueren Modellen scheint das aber erledigt. -
Usw., usw. -
Ich will Sie nicht mit weiteren Aufzählungen langweilen. Als bedeutender Hersteller solcher Systeme verfügen Sie über ausreichend Erfahrung.
Warum gibt es diese von Fabrikat zu Fabrikat unterschiedliche Häufigkeit von Defekten?
Liegt es in unterschiedlichen Konstruktionen/Aufwendungen begründet?
Wird Ihnen von den Automobilherstellern eine Mindesthaltbarkeitszeit vorgeschrieben?
Wird die Defektanfälligkeit/-unanfälligkeit vom Preis bestimmt?
Gibt es Hochpreis-/Niedrigpreis-Anlagen?
In diesem Zusammenhang noch eine andere Frage:
Wie groß ist der Gewichtsunterschied zwischen einer Kurbelanlage (alten Stils) bei vier Türen und einer elektrischen Fensterhebeanlage (komplett)?
Vielleicht gibt es für die Defekte auch andere Erklärungen. Es wäre nett, wenn Sie mir den unterschiedlichen "Schadensbefall" verständlich erklären könnten.
Herzliche Grüße aus der Eifel
Wilhelm Hahne"

Ich habe eine solche Anfrage als "normal" empfunden. Und ich denke, ich habe auch verständliche Fragen gestellt. Auf mein e-mail habe ich dann sehr schnell eine Antwort erhalten, die ich nachempfinden konnte:

"...vielen Dank für die Email. Ihre Anfrage habe ich an unsere Fachleute weitergeleitet. Sicher wird es noch ein wenig dauern, bis ich für Sie interessantes Material zusammengetragen habe. In diesem Zusammenhang zwei Fragen: wie sind Sie darauf gekommen, dass bestimmte Modelle anders ausgeprägte Fehlerhäufigkeiten ausweisen als andere Modelle? Wenn sie z.B. den Megane erwähnen: was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass Ihnen ein ganze Serie auffällig geworden ist?"

Und ich antwortete hierauf auch  umgehend. Und schrieb unter anderem:

"...Ich freue mich schon auf "interessantes Material". - Wie ich auf meine dummen Fragen gekommen bin? - Ich arbeite nicht, ich lebe in der Branche. Und das seit Jahrzehnten. Da hat man vielfältige Kontakte. Gut ist man nicht, wenn man viel redet (oder schreibt), sondern wenn man zuhören kann. Ich höre zu. Allen. Vor allen Dingen den Nutzern von Automobilen. So bin ich denn auch auf den Megane gekommen. Oder auf den Golf. Oder den Skoda.
Wenn ich vielfach höre, dass es mehrfachen Ärger mit den Systemen gab, für die Ihre Firma bekannt ist, dann ergibt sich als logischer Schluss eine entsprechende Anfrage. ..."

Danach war Ruhe. Ich hörte nichts, bekam keine Antwort mehr. - Aber auch das ist für mich fast normal. Presseabteilung in denen schnell gearbeitet wird sind selten geworden. Eigentlich weiß man dort gar nicht mehr, für wen man arbeitet. Eile mit Weile. - Nun gut. - Am 31. Juli habe ich mir dann erlaubt mal "launig" nachzufragen:

"...Sieben ist eine Glückszahl. Habe ich mal gehört. Darum schreibe ich Ihnen auch heute. - Morgen sind es exakt 7 Wochen, dass ich bei Ihnen in Sachen Fensterheber angefragt habe. Da müssten Sie doch nun schon was von Ihren Fachleuten gehört haben. - Oder bin ich auf Ihrer Festplatte verloren gegangen?..."

Und dann habe ich mir am 1. August 2005 eine Notiz gemacht, weil sich Herr Reinhard (der Mann bei Brose) auf dieses e-mail telefonisch meldete:

"... Am 1. August 2005 hat mich Herr Reinhardt gegen 15:30 Uhr angerufen, um sich zu entschuldigen. Meine Anfrage wäre tatsächlich auf seiner Festplatte verloren gegangen. - Das kann stimmen. Unwahrscheinlich ist aber, dass er angeblich nicht mehr weiß, an welche "Fachleute" er mein e-mail zur Beantwortung von Sachfragen weiter geleitet hat. Er kümmert sich noch mal um meine Anfrage. - Sie hing an meiner "Antwort" vom 31.7. dran."

Wenn Sie, lieber Leser, nun annehmen, dass die Kommunikationsabteilung bei Brose nun aber einen Schnellgang einlegte, um die Anfrage schnell vom Tisch zu bekommen, dann irren Sie. Es ging so weiter, dass ich weiter wartete. Bis zum 1. September. Da ging tatsächlich ein e-mail von Brose bei mir ein. Und ich konnte erstaunt lesen:

"Sehr geehrter Herr Hahne,

vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit verbundene Interesse an unserem Unternehmen.
Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir aus grundsätzlichen Erwägungen 
externen Personen keinen Einblick in Produktdetails gewähren, da es sich um 
wettbewerbsrelevante Zusammenhänge handelt. Diese Informationen bleiben unseren 
Kunden der Automobilindustrie vorbehalten und werden nicht veröffentlicht.
Allgemeine Informationen zur Brose Unternehmensgruppe und zum Brose 
Qualitätsmanagement finden Sie auf unserer Internetseite www.brose.net.

Mit freundlichen Grüßen/Best Regards	

Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. Kommanditgesellschaft, Coburg
Zentrale Unternehmenskommunikation

i.A. Silvie Lange"

Diese Antwort ist eigentlich eine Provokation. Beginnend mit dem ersten Satz. Aber auch der Hinweis, dass ich "Allgemeine Informationen" und das auch zum "Brose Qualitätsmanagement" der Interneseite entnehmen soll, ist für eine Kommunikationsabteilung eigentlich eine  Bankrotterklärung. Meine ich.

Aber Brose schafft es noch "eins drauf zu setzen".  Nach dem "i.A. Silvie Lange" gibt es dann noch einen "Normanhang" mit folgendem Inhalt:

"Weitergabe sowie Vervielfältigung dieser vertraulichen Unterlage(n),
Verwertung und Mitteilung  ihres Inhaltes ist nicht ohne unsere vorherige
schriftliche Genehmigung gestattet. Zuwiderhandlungen verpflichten zu
Schadenersatz. Alle Rechte für den Fall der Patenterteilung oder 
Gebrauchsmuster-Eintragung vorbehalten."

Wenn bisher so ein Blödsinn am Ende von e-mails einer Kommunikationsabteilung (!) niemandem aufgefallen ist, dann ist das auch bezeichnend für das "Qualitätsmanagement" dieser Firma. Und versagende Fensterheber wundern mich dann nicht mehr.

Nun habe ich mal mit unterschiedlichen Automobilfirmen, bzw. deren Mitarbeitern gesprochen. Nein, nicht mit solchen von Presseabteilungen. Und ich bin auf eine seltsame Gleichgültigkeit gegenüber den Eindrücken gestoßen, die ein Kunde erhält, dessen Fensterheber versagt. Es ist alles normal. Auch die Kosten sind normal. "Schließlich müssen wir doch irgendwo noch Geld verdienen." - Das lässt auf das Kalkulationsschema schließen, auf das ich dann in einer anderen Geschichte noch mal zurück kommen möchte.

Aber ich werde mich nun weiter um die "Wertigkeit" von elektrischen Fensterhebersystemen bemühen müssen. Natürlich nicht bei Brose. Aber ich werden schon  jemanden finden... -

Wie wäre es, liebe Leser, wenn Sie mich mit Ihren Fensterheber-Erfahrungen versorgen würden? - Vielleicht finde ich da noch ein paar andere, zusätzliche Ansätze zu interessanten Fragen  an die Industrie.

  • MK/Wilhelm Hahne


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