Hans-Joachim Selenz, "Schwarzbuch VW", Eichborn-Verlag, 226 Seiten, € 14,90

Hans-Joachim Selenz, der Buchautor, war schon mal Vorstand. Zuletzt Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG. Im Jahre 1998 wurde er an die Luft gesetzt, weil er sich weigerte, einen seiner Meinung nach manipulierten Jahresabschluss zu unterschreiben. Das kann man u.a. der letzten Umschlagseite des Buches entnehmen. - Und im Vorwort des Autors ist zu lesen: "Ein spezielles Dankeschön gebührt an dieser Stelle der Staatsanwaltschaft  Braunschweig. Schließlich beruht ein guter Teil meiner Ausführungen auf Unterlagen, die der VW-Mitarbeiter Holger Sprenger den Ermittlungsbehörden überreicht hatte - und die ich wiederum ganz offiziell Anfang des Jahres (2005) in Braunschweig abholen durfte, nachdem die Staatsanwälte beschlossen hatten, das Material nicht mehr zu benötigen." Und der letzte Satz dieses Vorwortes, das im September 2005 geschrieben wurde (das Buch erschien im Oktober 2005) lautet: "Aber hätte die Staatsanwaltschaft zuvor so gründlich ermittelt, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, wäre dieses Buch auch nicht nötig gewesen." - Ich gebe meiner Geschichte über dieses Buch den Titel:

Dabbelju - O - Bi - Nine, Nine, Nine, Nine, Nine, Nine, Nine

06-03-10/04. - "Pennsylvania 6-5000" wurde 1940 erstmals gespielt. Da wurde es nun Zeit, dass der Stoff für einen neuen Swingtitel an die Öffentlichkeit kam. Nach Lesen des o.g. Buches kann der Titel dann nur lauten: WOB - 9999999. Auf Englisch hört sich das einfach besser an, nimmt auch dem Inhalt die Härte.

Unter der o.g. Nummer wurden (werden?) in der Wolfsburger Zentrale Gelder "angespart", die dann wieder in anderer Aufteilung irgendwo hin, im weltweiten Netz des VW-Netzes verschwinden. So um 55 Millionen z.B. aus 29 Projekten werden in dem Buch genannt. Und während sich der Leser noch schüttelt, staunt und das alles nicht begreift, wird er schon durch eine Aussage und ein "Gleichnis" des Leiters der VW-Konzernrevision getröstet: "Es sei völlig normal", ist auf Seite 100 zu lesen, "Finanzmittel unbegründet zu beantragen und zu bewilligen, solange die Gelder für VW verwendet werden." Und der Chef der Revision bringt ein Beispiel: "Wenn er seiner Frau 200 Euro für ein Kleid gebe und die sich dann für 200 Euro einen Hut kaufe, sei das ja noch lange kein Betrug."

Bei solch überzeugender Argumentation hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig nicht nur still genickt, sondern auch die Aktendeckel über diesen Fall geschlossen. Staatsanwälte handeln übrigens - wie in dem Buch zu lesen - weisungsgebunden. Sie sind mit der Politik vernabelt. Wenn z.B. der Herr Wulff.f.f. - Aber ich lasse ein solch virtuelles Beispiel lieber weg, weil es sicherlich auch andere, nicht so spektakuläre, aber reale, Beispiele für eine erfolgreiche Einflussnahme geben würde. Im Gesetz heißt es immerhin: "Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen." - Das ist dann meist ein Parteipolitiker, weil der direkte Vorgesetzte eines Staatsanwalts immer der Justizminister ist. Pardon! - Es ist der Oberstaatsanwalt. Und der... - Und der Vorgesetzte des Justizministers... - Schließlich können staatsanwaltliche Ermittlungen auch ein "politisch unfreundlicher Akt" sein - oder dazu werden. (Es wird auch dazu ein Beispiel in dem Buch beschrieben.)

Das Lesen in diesem "Schwarzbuch VW" regt zum Träumen an, verursacht aber überwiegend Alpträume. Und man versteht auch, warum VW den Gewerkschaftern so viel Spielraum bot. Schließlich entstand Wolfsburg aus der Siedlung Fallersleben mit dem Geld der Gewerkschaften, das im 3. Reich durch die DAF (Deutsche Arbeits Front) "übernommen wurde", nachdem die Gewerkschaften enteignet worden waren.  Und über die KDF-Organisation... = Kraft durch Freude, - also eine andere Definition der Freude am Fahren - wurde dann mit den Vorbereitungen zum Bau der Werkanlagen begonnen. Und so weiter und so weiter.

Und wer in Wolfsburg nichts zu sagen hat, ist's selber schuld. Und Piech hat von Allem nichts gewusst. Und Pischetsrieder sowieso nicht. Aber insgesamt war die Organisation so aufgebaut, dass man im Notfall - im Hinblick auf die "Wirksamkeit" der Gewerkschaften - die Notbremse ziehen konnte.

Wenn man einen Hauch von Insiderwissen hat - das dem Autor des Buches fehlt - dann wird einem beim Lesen schnell klar, dass dieses "Schwarzbuch" eigentlich nur ein "Notizzettel" - allerdings ein großer - sein kann, auf dem ein paar kleine Episoden verzeichnet sind. Was mit der Motorsport GmbH in Hannover passierte, womit der Motorsport finanziert wurde, wie in Wolfsburg evtl. Arbeiten durchgeführt werden, deren Gewinnabschöpfung "draußen" erfolgt, welche sinnlosen Versuche durchgeführt werden, dass Automobile verschwanden, welche hohen Reibungsverluste das Gesamtsystem aufweist, all' das findet man nicht unbedingt auf dem großen "schwarzen Zettel". Erst eine ganze Buchreihe dieser Art von "Schwarzbuch" könnte eine Gesamtübersicht schaffen. - Zwei laufende Meter müssten reichen.

Aber dieses Buch ist in jedem Fall lesenwert. Es schafft Ernüchterung, Klarheit, lässt aus großen Persönlichkeiten kleine Wichte werden. - Trotzdem bleibt vieles im Nebel.

Bei VW schottete man sich immer schon in die richtige Richtung ab, nicht nur in Richtung Gewerkschaftseinfluss, schaffte kleine Bollwerke, die in der Vergangenheit auch Spitzenmanager z.B. des Springer-Verlages, wie z.B. mit (dem inzwischen leider verstorbenen) Peter Boenisch, der mal BILD, mal WELT-Chefredakteur, mal Regierungssprecher bei Kohl, zu der beschriebenen Zeit gerade Aufsichtsratsmitglied der Springer AG war. Da jetzt gerade - und ganz aktuell - in Genf wieder "Salon"-Zeit ist: "damals", zur im Buch beschriebenen Zeit, besuchte Boenisch auch diesen Salon, wohnte - wie auch die VW-Spitzenmanager im Genfer "President Wilson" und hinterließ dem VW-Konzern eine Gesamtrechnung von 13.878 Schweizer Franken zur Begleichung.

Alles in diesem "Schwarzbuch VW" zu lesen. Und den von der Staatsanwaltschaft übernommenen "Werksunterlagen" entnommen. Es finden sich noch andere tolle Details in diesem Buch. Andere Details sind nicht so stimmig. Aber das liegt auch daran, dass er Autor ein wenig branchenfremd ist.

Natürlich steht nichts in dem Buch von bei Frost geplatzten Lupo- und Polo-Motoren.  Auch noch im Winter 2006 durch die Vereisung der Kurbelgehäuseentlüftung. Das ist ein - natürlich bekannter - Konstruktionsfehler (s. die Feststellungen von "Auto-Bild"), für den niemals ein werkseitiger Rückruf erfolgte, sondern den man - trat ein Schaden auf - immer großzügig regulierte. Auf Kulanz z.B. - Sagt man. Ich kenne gerade einen aktuellen Fall, wo ein Besitzer 1.600 Euro, und damit einen Anteil von 50 Prozent für einen neuen Motor bezahlen musste. Bei einem anderen (offiziellen!) VW-Händler hätte er 100 Prozent bezahlen sollen. - Jetzt, in 2006! - Die Rechte in Wolfsburg weiß nicht was die Linke tut. - Aber eigentlich sind sich beide einig: möglichst wenig zahlen. Und wenn es den Kunden kostet. Denn die Dummen werden nicht alle. Schließlich braucht man in Wolfsburg jeden Euro.

Lässt man sich einmal vom Ex-Vorstand Selenz, dem Buchautor, die derzeitige finanzielle Situation bei VW ein wenig verdeutlichen, so sieht man den "Beitritt" von Porsche in einem anderen Licht; auch den Verkauf von Europcar, der (bisher) VW-eigenen Autovermietung. Und wenn NEU-Vorstand Wolfgang Bernhard klagt, dass die Lage noch nie so ernst war... - Sie können es ihm glauben.

Und wenn Herr Piech gerade erklärt, dass Herr Pischetsrieder nur eine kleine Chance hat, seinen Vertrag verlängert zu bekommen, so ist das eine weitere strategisch/politischeVorbereitung. Ich habe mir von Genf aus per Handy die Situation schildern lassen, als am ersten Pressetag z.B. Piech und seine Frau, Pischetsrieder und Bernhard zusammen standen, schildern lassen, wer mit wem - in welcher Art - sprach. Wie eine Stummfilmszene mit gesprochenem Kommentar. Da kann einem der Herr Pischetsrieder schon leid tun. - Und dann setzten sich Bernhard und Piech zusammen in einen VW, eine Studie. - Schon dass man die mit "A" bezeichnet ist bezeichnend. Dass dann aber auch hier Piech am Steuer sitzt hat Symbolcharakter. - Schade, dass ich hier kein Foto zeigen kann. - Aber man kann nicht gleichzeitig überall sein.

Zurück zum "Schwarzbuch VW": Der Untertitel des besprochenen Buches ist: "Wie Manager, Politiker und Gewerkschafter den Konzern ausplündern". Nach den Zahlen die der Autor für sein Buch aus den jeweiligen VW-Geschäftsberichten aufbereitet hat sieht z.B. die jeweilige Zunahme der Finanzschulden in den Jahren 1998 bis 2004 wie folgt aus (ich habe sie ein wenig abgerundet): 3,1 Milliarden, 3,3 Milliarden, 8,8 Milliarden, 8,0 Milliarden, 4,9 Milliarden, 11,9 Milliarden, 6,7 Milliarden.

Aber man muss nun auch schreiben, dass in jedem der oben erwähnten sieben Jahre ein positives Ergebnis, sowohl vor als auch nach Steuern, vermeldet wurde. Aber die Schuldenlast nahm um 47 Milliarden zu.

Wenn ich im Anfang meiner Buchgeschichte gewisse geheimnisvolle Kontenbewegungen mehr angedeutet als beschrieben habe, so kann man allein daraus auf die Glaubwürdigkeit der Bilanzen schließen, deren Rechtmäßigkeit natürlich von Wirtschaftsprüfern bestätigt ist. Von denen sagt der Buchautor: "Ich bin zutiefst davon überzeugt, da ich es als Vorstand der Preussag AG unmittelbar erlebt habe: Wenn ein Wirtschaftsprüfer seit Jahrzehnten die gleichen Stammkunden hat, muss man davon ausgehen, dass er mit ihnen unter einer Decke steckt und sich im Zweifel für den Auftraggeber und gegen die Korrektheit entscheidet."

Hans-Joachim Selenz muss es wissen. Und er stellt gegen Ende des Buches auch sachverständig fest, dass der VW-Konzern heute "mehr Schulden als Umsatz" hat. "Den 103 Milliarden Euro Schulden stehen heute (in 2004) nur knappe 89 Milliarden Euro an Umsatzerlösen gegenüber."

Übrigens ist das Buch seit Oktober 2005 - unbeanstandet von VW - im Buchhandel zu kaufen. Mein Dank gilt jenem VW-Händler, der mich in einem Telefongespräch auf dieses Buch aufmerksam machte. Ich kann nur jedem VW-Aktionär, jedem Journalisten, - eigentlich jedem der Lesen kann und an der Objektivierung von Presseinformationen interessiert ist - raten, dieses Buch zu kaufen.

Und man sieht die VW-Welt mit anderen Augen. - So kostet dann das "besser Sehen" mit 14,90 Euro deutlich weniger, als eine neue Brille. Man sollte sich dieses Buch gönnen. Auch wenn man "nur" VW-Fahrer ist.

Und wenn Sie mehr am "Rotlicht-Skandal" interessiert sind, deren "Teilnehmer" interessant und aufschlussreich durchleuchtet sehen wollen, dann hätten Sie die Ausgabe Nr.9/2006 der ZEIT vom 23. Februar 2006 lesen sollen. Autor Stefan Willeke nannte sein Spotlight, "Wir waren Helden". - Sehr gut!

Zwar alles nur Teilaspekte. Aber man sollte die kennen. Obwohl sie einen depressiv stimmen können.

Trotzdem bitte niemals vergessen: auch in so einem Laden gibt es viele, viele sehr gute Leute, die sich einbringen, vom geschaffenen Produkt überzeugt sind. Eigentlich sollte man in einem "Weißbuch" einmal auch deren Leistungen würdigen. Denn oft steckten sich in diesem VW-Laden nicht die Leute die Federn an den Hut, die sie auch verdient haben. - Und da fällt mir dann z.B. Stockmar - Piech - Audi 100 ein. - Alles der Schnee von gestern?

Natürlich! - Aber leider hat jemand das Räumen vergessen! - Und oft arbeiten Täter immer nach dem gleichen Schema. (Das weiß ich aus den Fernseh-Krimis.) - Und es stimmt!

Um einigen Interessierten den Ansatz für das 1. Kapitel in einem "Weißbuch VW" zu liefern: Wolfgang Bernhard wollte vor Wochen - wie mir gerade zugetragen wurde - das Projekt smart-Sportwagen von DaimlerChrysler kaufen. Da aber dann der Verdacht bestand, dass Bernhard etwas daraus gemacht hätte, einen ErVolgsWagen nämlich, soll Dieter Zetsche nur den Kopf geschüttelt und NEIN gesagt haben. - Damit wäre das Kapitel smart-Sportwagen dann für VW erledigt. Zumindest ließ es sich nicht durch Zukauf lösen. - Aber als erstes Kapitel für ein "Weißbuch" wäre dieser Vorgang doch ein toller Einstieg. - Oder?

  • MK/Wilhelm Hahne


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