"Wird ein fragwürdiges Konzept eigentlich
dadurch besser,
dass man immer in die falsche Richtung fährt?"
07-10 -10/04. - Und natürlich an einen "Spruch" meiner Großmutter, die gerne daran erinnerte: "Wer nicht hören will muss fühlen."
Aber lassen Sie mich zunächst schildern, was ich gesehen habe. Da stehen auf einer Bühne zwei Rednerpulte. Aus Zuschauersicht sieht man links eins, an dem der Chef-Kommunikator steht. Recht steht eins, auf dem auch der Name des Redners verzeichnet ist: Norbert Reithofer.
Und dann spricht der auf der linken Seite, Maximillian Schöberl (ebenfalls durch eine Beschriftung des Rednerpultes ausgewiesen), begrüßt, entschuldigt sich, kündigt an. Eine knappe Minute lang. Und dann spricht Dr. Reithofer. Und links steht der Chef-Kommunikator. Und er steht und steht. Schaut ins Publikum. Und rechts spricht Dr. Reithofer, d.h. er liest ab. Fast fehlerfrei. Aber es kommt nichts rüber. Zumindest habe ich das so empfunden. Und der Chef-Kommunikator steht und schweiget. Praktisch 27 Minuten lang. - BMW stellt sich dar. Für mich ist das eindrucksvoll. Aber das hat BMW nicht verdient.
Wie ich es denn gemacht hätte? - Anders!
Gehen wir mal davon aus, dass die zwei Rednerpulte so geplant waren. Und auf Herrn Schöberl hätte man auch nicht verzichten können. Also hätte ich das auch so gelassen. Und nach der Ankündigung durch Herrn Schöberl wäre ich an mein Rednerpult getreten, hätte mein Manuskript in die Hand genommen, hätte ins Publikum geschaut und dann gesagt: "Ich glaube, wir machen das heute ein wenig anders." Und hätte dann darum gebeten, dass man die Rednerpulte entfernt. Ich hätte Herrn Schöberl mein Redemanuskript in die Hand gedrückt, hätte ihn gebeten doch ein wenig Platz zu nehmen und hätte, auf der Bühne ein wenig auf und ab gehend (oh ja, man hätte das noch mit den Mikrofonen ändern müssen), zu einzelnen Leuten einen Blickkontakt herstellend, mit meiner freien Rede begonnen, mit dem, was mir zum angekündigten Thema eingefallen wäre.
"Entschuldigen Sie bitte, meine Damen und Herren, dass ich für das was ich Ihnen heute erzählen möchte, rund ein Jahr gebraucht habe. Dabei hätte ich Ihnen das alles auch direkt nach meiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden erzählen können. Ich kannte damals schon den Weg, den ich im Sinne von BMW beschreiten - nicht nur wollte - sondern müsste. Denke ich. Aber ich wollte das in Übereinstimmung mit meinen Kollegen tun. Und das dauert nun mal. - Und die Kollegen werden immer mehr." - Hätte ich ein Lachen gehört?
Ich hätte kein Manuskript, keine Zettel gebraucht. Dass man 6 Milliarden Euro einsparen will, kann man auch so behalten. In welcher Zeit man möglichst mehr als zwei Millionen Fahrzeuge verkaufen will auch. Dass China und Russland wichtige Zukunftsmärkte sind, hätte ich auch nicht vergessen. Dass man als Premium-Anbieter in der Welt führend sein möchte, wäre mir auch noch eingefallen. Investitionen pro Fahrzeug senken, Kunden in den Mittelpunkt stellen, Kapitalrendite verbessern, neue Fahrzeugprojekte generieren - mein Gott! - dafür brauche ich kein Manuskript.
Man weiß doch was Analysten sich wünschen. Die hören so etwas gerne. Details aus der Jetztzeit hätten die sicherlich auch gelangweilt. Und so musste man ihnen vielleicht auch sagen, dass zukünftig ein BMW X 1 kommt. (Lassen Sie mich bitte im Herbst des Jahres 2007 enthüllen: die Typbezeichnung X 1 ist BMW seit dem 23. März des Jahres 2000 geschützt.)
Warum hat Dr. Reithofer nicht vom Z 2 gesprochen, vom Z 5, dem M 4, dass man einen BMW 218 und 220 angedacht hat? - Aber dass der Markt immer über die Umsetzung entscheidet. Und dass man darum Vorstandsvorsitzender ist, um einiges - vorausschauend - eben besser empfinden und entscheiden zu können, als irgendwer "von außen". Und das man "draußen" bitte nun auch hinnehmen muss, dass das so genannte raumfunktionale Konzept... -
Natürlich hätte Dr. Reithofer zur Situation im Motorradmarkt sagen müssen, dass der sich sicherlich derzeit schwieriger darstellt, als man es aktuellen statistischen Zahlen entnehmen kann. Dass man natürlich versuchen wird, den Premium-Anspruch auch bei Motorrädern zu erfüllen, aber das man durchaus weiß, dass eine Steigerung der Motorradproduktion um 50 Prozent für die Zukunft bedeutet, dass man die kleinen Hubraumklassen nicht vernachlässigen darf. Eine einzige japanische Marke verkauft in den USA z.B. derzeit mehr 250er Motorräder, als in Deutschland von der gleichen Marke in allen Modellreihen verkauft werden. In Deutschland haben verbildete Marketing-Spezialisten eben das Motorrad als teures Premium-Objekt nach vorne geschoben, ganz vergessen, dass es eigentlich ein Freizeit-Sportgerät sein könnte, dass auch mit kleinem Hubraum und (relativ) niedrigen Motorleistungen eine Menge Fahrspaß zu vermitteln vermag. Was inzwischen als Verkaufsargument keine Rolle mehr spielt. Und der deutsche Markt leidet darunter. Und so muss man als Motorradhersteller andere Märkte anpeilen. Spanien zum Beispiel. Und weil man als BMW den Premium-Anspruch nicht aufgeben darf (wirklich nicht?), muss man eine zusätzliche Marke zur Umsetzung der Stückzahlplanungen für die Zukunft kaufen: Husquarna. - Leider musste man hier den bisherigen Importeur "mit kaufen", auch dessen Verkaufsorganisation mit übernehmen. So wollen es die Verträge. - Aber wo ein Wille, da ein Weg.
Schließlich hat man auch inzwischen die Zahl der deutschen BMW-Motorradhändler reduziert. Von um 200 nun auf rund 150. Und man hat die Regionen vergrößert. Dadurch wurden es weniger in Deutschland. Und weil man gleichzeitig auf den Regionalleiter Zubehör verzichtete, konnte man die Kosten auf diesem Gebiet mal wieder deutlich senken. - Man arbeitet eben auf allen Gebieten an den Kosten. Das muss doch mal gesagt werden.
Auch, dass man nicht nur so zum Spaß zusammen mit einem großen chinesischen Mischkonzern, Loncin, ein "Boxer-Café" in Shanghai eröffnete, dass man auch die 450er Sportenduro nicht als "zufällig" betrachten darf und dass dieser Motor... - Na ja, wir sollten uns ein wenig Stoff für weitere Pressekonferenzen aufbewahren.
Aber jetzt entlassen Sie mich bitte aus der Rolle eines Dr. Reithofer. Ich bin kein Vorstandsvorsitzender, aber ich weiß, was ich alles bei BMW ändern würde. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass Dr. Reithofer schon in der Zeit nach seiner Berufung bis jetzt zur Pressekonferenz versucht hat, "Seilschaften" zu zerschlagen, die sich im Laufe der Zeit gebildet hatten. Schön und gut. Aber das ist nur ein Teil dessen, was getan werden musste. Und er hat versucht, Mitarbeiter zur Mitarbeit anzuregen, ihm zu schreiben, etwas mitzuteilen. Was ein wenig naiv erscheinen muss, wenn man die Struktur die Firma und das Verhalten gerade des so genannten Mittelmanagements kennt. Hier verbergen sich die meisten "Nieten". Und es gibt zu viele "Koordinatoren", die auch oft nichts von dem verstehen, was sie "koordinieren" sollten. Man hält sich an Dingen fest, die man besser "von außen" regeln lassen würde, und man "gibt nach außen", womit man sich besser intern beschäftigen würde.
Das gilt auch für die Entwicklung. Dort ist das Vertrauen in Computerergebnisse inzwischen fast krankhaft zu nennen. Und man muss als an der Sache Interessierter inzwischen mit den unterschiedlichsten "Spezialisten" z.B. über die Unterschiede zwischen "statischer und dynamischer Festigkeit" einer Fahrzeugkarosse streiten. Dabei interessiert mich z.B. nicht, ob eine Karosserie sich in der Computeranimation vorbildlich verhält. Es kommt auf die Praxis an, auf das, was der spätere Käufer auf der Straße erlebt. - Und das sollte doch - nach BMW-eigenen Vorstellungen - Premium sein.
Dr. Reithofer hat in seiner Rede die 90jährige Geschichte von BMW erwähnt. Die erfolgreiche. - Kein Einwand. - Ich erinnere mich dabei noch an die erfolgreiche Herstellung von (es kann nur so sein) Premium-Kochtöpfen nach dem Kriege. Dr. Reithofer hat das (leider) nicht erlebt. Hat er denn mal daran gedacht, dass z.B. Honda, wo man seit vielleicht halb so langer Zeit wie BMW erst Automobile baut und nun - auf den Zeitpunkt bezogen, den auch BMW anpeilt - eine Produktion von 5.000.000 (in Worten: fünf Millionen) Automobilen realisieren möchte? - Aber diese Geschichte sollte nicht zu einem Vergleichstest werden, sondern nur ein wenig erinnern. Ein wenig. Ich erinnere mich noch gerne, wie man in München um 1970 bei der Erwähnung des Namens Honda ein wenig müde gelächelt hat. Und auf "auto motor und sport" verwiesen: "Rappelrutsch" (Honda N 360). - Aber zurück zu BMW:
Steigen wir doch mal ins aktuelle Modellprogramm ein; und ich nenne dafür ein Beispiel: den 1er BMW.
Nein, ich habe nach der Vorstellung des Fahrzeugs keinen Testwagen angefordert. Ich habe ein Fahrzeug beim Händler gefahren. Aber ich hatte natürlich auch die Entwicklung des Fahrzeugs und das Verhalten der "Erlkönige" auf der Rennstrecke registriert. Ich hatte meine Bedenken. Die dann auch durch mein Fahrerlebnis bestätigt wurden. Die Karosse war zu weich. Die Runflat-Reifen zu hart. Ich hätte als verantwortlicher BMW-Mitarbeiter so ein Fahrzeug nicht abgenommen. Im Interesse des Kunden. Und der Firma BMW.
Da beruhigte es mich schon, wenn ich einige Zeit später bei einem BMW-Händler ein Ausstellungsfahrzeug entdeckte, wo sich "zarte" Domstreben verschämt im hinteren Teil des Motorraums verstecken. Man hat es also gemerkt? - Warum nicht gleich? - Obwohl das nur ein Hilfsmittel ist, wenn die Basis nicht stimmt.
Aber man entwickelt in München weiter. Leider auch in Sachen Motorisierung. Und dann wird die Schwäche deutlicher. Wenn ein älterer 1er-Käufer die von ihm gefahrene leistungsstärkste Motorisierung im Fahrverhalten in schnellen Autobahnkurven an die seines alten Porsche Carrera erinnert, dann bestätigt mich das in meiner Auffassung.
Dr. Reithofer wird das nicht verstehen. Er ist kein "Car Guy", wie man wohl heute in einer deutschen Automobilfirma sagt. Er empfindet: "Mehr Effizienz bedeutet letztlich auch mehr Qualität." - Er begreift nicht, was den Wert eines BMW-Automobils für den Nutzer ausmacht: das Fahrerlebnis. Wenn man ein Automobil nicht "mit dem Bauch" empfinden kann, hat man es da schwer. Als "Productioner" hat man es da einfacher. Da ist eine Menge mit der Schieblehre messbar. Aber irgendwer muss doch das Automobil in seiner Gesamtheit begreifen, erfühlen. Dr. Reithofer ist ein hervorragender "Productioner". Das ist aus meiner Sicht der Dinge das Schlimmste, was man über den Vorstandsvorsitzenden einer Firma wie BMW sagen kann.
Aber wo ein Herr Milberg Aufsichtsratsvorsitzender ist, da kann die Situation kaum anders sein. Mögen die Quandt's im Dritten Reich gemacht haben, was immer auch heute publiziert wird: es sind die Fehler einiger "Vorfahren" von gestern. Bestraft werden die "Nachkommen" durch die Fehler von heute. Diese Fehlerkette beginnt aktuell bei Milberg, führt über Reithofer zu... - Na ja, es kommt auf den Anfang einer Kette an. Sie muss im Anfang stimmen. Die Art der Glieder danach richtet sich nach der der Ersten.
Zurück zum 1er BMW:
Der Grund - so wie man ihn intern sieht und der dann zur Einführung der Domstreben beim 1er in der Serie führte - war eine dann doch festgestellte Weichheit im Vorderwagenbereich. Nun ist der 1er - in diesem Falle "dummerweise" - ein Hecktriebler. Wenn der Vorderwagen zu weich ist, baut der vorne sehr viel (zu viel!) Gripp auf. An der Hinterachse fehlt der dann. So wirkt das Fahrzeug dann für den Fahrer auf der Hinterachse als "nervös". Beim vollen Beschleunigen bekommt man die Leistung kaum noch auf die Straße, auch darum, weil das serienmäßige DSC nun das vorhandene Motormoment zurück nehmen muss. Hinzu kommt, dass durch das Fehlen des Reserverades (dank Runflat!) im Kofferraum die eigentlich ideale Achslastverteilung von 50:50 nicht mehr erreicht wird. - Da wird man dann dem Kunden eine Allradversion als die bestmögliche Lösung verkaufen müssen. Obwohl die dann wieder durch die auftretenden Reibungsverluste, das höhere Gewicht und, und und - zu einem höheren Treibstoffverbrauch führt.
Trotzdem hat der 1er seine Reize. Und das übrigens trotz - oder wegen? - des Designs. Diese "Hängebauch-Schwein"-Optik macht das Auto anders. Sicher nicht zum Kauf anregend. Auch der Grundpreis und die Zubehörpreisliste animieren nicht zum Kauf. Trotzdem gibt es Käufer. Weil es ein BMW ist. Anders eben als andere. - Aber über welchen Zeitraum trägt ein solches Image?
BMW hat den "compact" einschlafen lassen und damit eine Lücke hinterlassen. Manche Kunden sind deshalb nicht traurig, denn z.B. die Querlenker-Situation im Vorderwagen war bei allen Fahrzeugen der E46-Baureihe nicht begeisternd. Bis zum E36 war das (einschließlich des Z3) zwar ärgerlich, aber für den Kunden nicht unbedingt so teuer wie später, da zunächst das Querlenkerlager in die Querlenker eingepresst war und man es somit einzeln tauschen konnte, ohne gleich den kompletten Querlenker wechseln zu müssen.
Aber dann kam der E46 mit einer Innovation: die Lager waren nun "einrolliert" (so erklärt das der Fachmann) und so musste immer bei entstehendem Lagerspiel der komplette Querlenker ausgetauscht werden. Aber es gab später (ab ungefähr 2001) einige Verbesserungen. Aber grundsätzlich war der Ärger (für den Kunden) nicht beseitigt.
Auch 5er und 7er-Kunden haben Vorderachs-Probleme: Querlenker- und Zugstrebenlager. Der Grund dafür ist typisch für die aktuelle Entwicklung bei den Automobilherstellern: Auslegung und Konstruktion erfolgen heute nicht mehr durch Konstrukteure mit Erfahrung auf diesem Gebiet in der eigenen Firma, sondern durch Lieferanten, die im Preis natürlich durch den Einkauf gedrückt werden. Die BMW-Konstrukteure dürfen einen Lieferanten nur noch steuern. Er bekommt die Anforderungen im Hinblick auf Belastung, verfügbaren Bauraum, geforderte Lebensdauer übermittelt, aber - auch den Kostenrahmen. Dafür gibt es dann ein komplettes Teil, wird verbaut und... - Das Ergebnis ist für den Käufer eines Automobils unbefriedigend. Aber auch - eigentlich - unbefriedigend für den Automobilhersteller, weil die früher einmal vorhandene Konstruktions-Erfahrung und -Wissen verloren gehen. Langsam aber sicher. (Ich habe das mit Absicht nicht auf BMW alleine bezogen. Es krankt auf diesem Gebiet bei allen Firmen. Wenn die zuständigen Vorstandsmitglieder das nicht erkennen. - Und ändern.)
Vorstände sind schon für eine Firma von Bedeutung. Für eine Firma wie BMW besonders. Da darf es nicht nur um Budgets, Zielerreichung und Planzahlen gehen. Auf lange Sicht müssen - auch bei BMW - mal weniger populäre Entscheidungen getroffen werden. Auch wenn es den Analysten nicht passt. Aber wer denkt im Management einer Automobilfirma heute noch langfristig? Bestenfalls im Rahmen seiner "Verweildauer". Man möchte schließlich noch selbst ernten, was man gepflanzt hat.
Werfen wir einmal im Falle BMW einen Blick zurück auf Führungspersönlichkeiten wie sie mir gerade einfallen:
Reitzle: der beste Mann den BMW (neben von Kuenheim) in den letzten zehn Jahren (in denen er für die "Weiß-Blauen" tätig war) hatte. Ein Vollblut-Techniker, ein Car-Guy, ein Mann schneller, konsequenter Entschlüsse. Für Mitarbeiter manchmal unangenehm. Aber akzeptiert. Eine Persönlichkeit.
Göschel: wollte wohl immer besser sein als sein Vater, der schon Bereichsleiter bei Mercedes war. Fahrdynamik war sein Thema bei BMW. Er hat es "auf seine Art" umgesetzt. Niemand hat ihn gehindert. Ergebnis: BMW-Automobile sind in der Basis "zu hart". Auch sonst war er zu sehr an "persönlichem Glanz" interessiert. - Gut, dass es ihn bei BMW nicht mehr gibt.
Milberg: ich habe ihn schon in einer Zeit beobachtet, als er noch "frei" für BMW arbeitete, einen M5 fuhr, den er natürlich bei der M-GmbH warten ließ. Ich habe ihn da - aber auch später - nicht als gut für die Firma empfunden. Und als Aufsichtsratsvorsitzender von BMW ist er heute wie eine "Bremse" im falschen Moment. (Was ist übrigens aus seinem Rückenleiden geworden, das ihn doch einst zu seinem Rücktritt als Vorstandsvorsitzender zwang?)
Panke: zu seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender war alles gerichtet. Die wichtigen Modellentscheidungen waren getroffen. Da konnte er als erfahrener McKinsey-Mann wenig falsch machen. Obwohl... - wenn man ehemalige McKinsey-Leute spricht... - Na ja, er hatte jedenfalls keinen Bezug zum Automobil, sah das eigentlich wertfrei und hätte auch - statt bei BMW - die Firmen Miele oder Nokia oder Tschibo managen können. Einfach so. Wenn sein Kollegen-Umfeld gestimmt hätte.
Pischetsrieder: war bei BMW - und später bei VW - immer nur eine Zwischenlösung. Und hat es nicht bemerkt. Weil er eigentlich mit dem was er für sich erreicht hat, immer sehr zufrieden sein konnte. Seit Südafrika. Natürlich hat er Dinge bewegt, die "draußen" nicht wahrgenommen wurden. Bei BMW z.B. die Umstellung der Lackierung auf (nennen wir es) Bio-Niveau. - Aber es wurde nicht publiziert, es fehlte ihm an "Lautsprechern". (Zumindest an den Richtigen.)
Wer bei BMW heute eine Rolle spielen will, muss "managen", koordinieren. Die Fachbereichslaufbahn zählt nicht mehr. Heute dominieren bei BMW die Manager um Dreißig, in dunklen Anzügen (wie von der Familie Quandt angeblich gewünscht, gerne gesehen), gegeltem Haar, Handy immer griffbereit; eben hochdynamisch in der Selbstdarstellung. Marketing muss man studiert haben, oder BWL mit Ausrichtung Marketing. Ein Dienstwagen ist Zeichen der eigenen Bedeutung und wenn es dann noch einen namentlich zugeteilten Parkplatz im FIZ gibt: das ist die Spitze vom Höhepunkt. - Man hat es geschafft. - Und trägt dazu bei, BMW zu schaffen.
BMW leidet unter den Eitelkeiten dieser Gruppe, die leider nicht klein ist. Und da eigentlich keine innere Bindung an das Produkt Automobil besteht, sind die entstehenden Innovations-Lösungen auch ein wenig weltfremd, aber dem internen Fortkommen nützlich. Sollte man etwa eine Premium-Isetta vorschlagen? - Warum sollte man sich auslachen lassen? - Da liegt es näher, eine BMW-Playstation auf Niederquerschnitts-Runflatreifen zu kreieren. Die Entwicklung der Automobile wird zu sehr von der Abteilung "Jugend forscht" dominiert. Alles ein wenig "Videospiel-like" in Richtung "Mäusekino". Mit Software lässt sich eben Material sparen. Und Material ist teuer. - Dr. Reithofer hat das auch in seiner Rede erwähnt.
Aber die Käufer solcher Software-Automobile werden im Durchschnittsalter nicht jünger!
Hochdrehzahlkonzepte bei Motoren? - Natürlich. Das passt zu BMW. - Wer sagt das eigentlich?
Und bei der WTCC (der Tourenwagen-Weltmeisterschaft) sind die Diesel-Rennfahrzeuge auf dem Vormarsch. - Zufall? -
BMW baut hervorragende Motoren. Aber auch solche, die in die Zeit passen? - Variabler Ventilhub, geregelter Ventilhub? - Wunderbar! - Aber würde es ein halber Liter mehr Hubraum nicht auch tun? - Technikverliebtheit ist wichtig, aber es muss auch jemanden geben, der wertet, erklärt, damit der junge Techniker begreift, dass es niemals in der Technik eine Ideallösung gibt. Für die zwei Vanoseinheiten des aktuellen M5-Motors bekommt man beim V8-Corvette einen Austauschmotor. Tun wir doch nicht so, als ob Geld "keine Rolex spielen" würde.
Darum sind Vorstände wichtig, die nicht nur wissen, worauf es beim Automobil ankommt, die auch ein Gefühl für die Kundschaft haben und - wichtig - in der Lage sind, sich ihren Mitarbeitern verständlich zu machen. Nicht dominieren - überzeugen!
Aus meiner Sicht war es z.B. eine der größten Fehlentscheidungen des Herrn Göschel, das BMW-Fahrwerk auf hohe Agilität auszulegen und dazu noch eine Entscheidung hin zum Runflat-Reifen zu treffen. Sportlich sollte ein BMW wirken. Und wie wirkt das auf den Kunden? - Mehr als nur hart. Nicht nur ein BMW-Fahrer beschwerte sich bei mir über ein nervöses Eigenlenkverhalten, Spurrillen-Unverträglichkeit und eine Reaktion auf Seitenwind, die man von anderen Automobilen nicht kannte. Dazu kommt die Problematik einer besonderen Art des Reifensitzes auf der Felge, die für einen "Aufzieheffekt", besonders bei dynamischem Anlenken, also bei schnellem Spurwechsel sorgt. Es soll - Herr Dr. Reithofer sollte das mal in den Versuchsberichten nachschlagen - auch schon mal zum Versagen des DSC-Systems geführt haben, das ein "Übersteuern" nicht mehr verhindern konnte. (Wie ein unbekannter Rennfahrer einmal erklärte: "Ich habe ihn überdreht. - Eine Umdrehung zuviel.")
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Variantenvielfalt. Nehmen wir nur einmal die Unterschiede bei den verbauten Bremsen in der 3er-Produktlinie. Ich kann insofern davon sprechen (wie auch im Falle anderer Dinge, die ich bereits weiter oben erwähnt habe), als meine Frau bei einem von ihr gekauften BMW (ohne Presserabatt!) schon nach kurzer Zeit die Bremsen beanstandete. Ich musste ihr nach einer Probefahrt zustimmen. Ergebnis bei einer Werkstattüberprüfung: es wurde eine falsche Bremsanlage verbaut. Ich habe mich dann einmal intensiv mit dieser Situation befasst. Und ich kann mich nur wundern, dass sich BMW hier eine Vielfalt leistet, die eigentlich schon logistisch überfordert. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass sich dieses System rechnet. - Auf dem Papier vielleicht.
Wird hier übertrieben, wird anderswo gespart. Gehört in ein Fahrzeug, das von seinen Schöpfern der Premium-Kategorie zugerechnet wird, kein Kühlwasser-Thermometer mehr? - Natürlich muss ein Kunde nicht wissen, was sich in der Warmlaufphase eines Motors in Sachen Verbrauch abspielt. Aber man sollte ihm doch... - Oder nicht?
Anderswo kann dagegen gespart werden. In der Organisation. Es gibt zu viele "Fürsten", die Entscheidungen treffen, ohne die in ihrem Gesamtzusammenhang beurteilen zu können. So z.B. bei der Auslegung und den Kosten von Bauteilen in Relation zu den prognostizierten späteren Praxiskosten. Bis das diese Kosten den Kunden treffen, ist der "Fürst" längst zum "Oberfürsten" geworden, für seine "alten" Entscheidungen längst nicht mehr verantwortlich zu machen. Diese Leute bleiben heute nicht mehr lange genug in ihren Funktionen. Da sind die modernen Managementtheorien vor. Man möchte nicht unflexibel und unbeweglich erscheinen. Drei, vier Jahre sind heute eine lange Zeit in einer Position. Man wechselt schnell. - Zum Nachteil für den Kunden.
Es gibt auch in den einzelnen Baureihen zu viele Leute, die eigentlich nur unproduktiv sind. Die planen und steuern. Aber eigentlich muss man denen das Auto erst erklären. Es fehlen solche mit Erfahrung und Praxisbezug. Es ist wie bei Motorjournalisten: die sollten schon mehr als den Führerschein besitzen. Weniger Bürokratie wäre gut, gut auch, wenn es mehr Entscheidungskompetenz in den Fachbereichen geben würde. Wichtig ist, dass sich Leute kennen und vertrauen. Ständig neue Kollegen und geänderte Abläufe (dazu zählen auch "Umzüge" im FIZ!) sorgen nur für Frust und Ärger, verbessern nicht die Qualität von Automobilen.
Und bevor Sie nun Aufstöhnen und schreien, lieber Herr Dr. Reithofer, sollten Sie einmal die aktuellen Führungsleitlinien Ihrer Firma studieren. Danach darf während der Arbeit bei BMW sogar gelacht werden. -. Wirklich!
Nehmen Sie also diese Geschichte so wie sie ist: als ehrliche, persönliche Meinung eines BMW-Fans, der genauso wenig zufällig Motor-Journalist wurde, wie einer seiner Brüder BMW-Werksfahrer war. - Und Sie sind zufällig BMW-Vorstandsvorsitzender.
MK/Wilhelm Hahne
PS: zum Lesen dürften Sie jetzt auch die Redezeit von Herrn Reithofer auf der Pressekonferenz gebraucht haben. Darum habe ich mir Details zur Motorsport-Politik von BMW z.B. hier gespart. Man sollte niemanden überfordern. - Vor allen Dingen bei BMW nicht. - Denn so eine Geschichte sollte auch während der normalen Arbeitszeit verarbeitet werden können.
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